Der Imperialismus der SPD

Zwischen dem 21. und dem 27. Dezember 1864 erschien in der deutschen Zeitung “Der Social-Demokrat“ eine Artikelserie, in der die Inauguraladresse der IAA (der Internationalen Arbeiterassoziation) wiedergegeben wurde. Diese Assoziation wurde am 28. September 1864 in öffentlicher Versammlung in St. Martin’s Hall (Long Acre) in London gegründet. Der Autor der Adresse war Karl Marx, er hatte diese Adresse zwischen dem 21. und 27. Oktober 1864 verfasst. 160 Jahre später ist diese Adresse für die Orientierung des internationalen Proletariats in der internationalen Politik immer noch von ausschlaggebender Bedeutung.

Karl Marx (1818–1883) in einer zeitgenössischen Darstellung. | Bild: H. Kropp

Lassen wir ihren Kerngehalt zum Ausdruck kommen: Marx spricht davon, dass die Arbeiterklassen in der Pflicht stehen, in die Geheimnisse der internationalen Politik einzudringen, die diplomatischen Akte ihrer respektiven Regierungen zu überwachen, ihnen wenn nötig entgegenzuwirken; wenn unfähig zuvorzukommen, sich zu vereinen in gleichzeitigen Denunziationen und die einfachen Gesetze der Moral und des Rechts, welche die Beziehungen von Privatpersonen regeln sollten, als die obersten Gesetze des Verkehrs von Nationen geltend zu machen“.1 Von den einfachen Gesetzen der Moral und des Rechts sind die europäischen Nationen heute natürlich weit entfernt, da dieser Kontinent heute zum Tummelplatz aller möglichen Imperialismen und aller möglichen Faschisten geworden ist.

Die deutsche Arbeiterklasse hat heute zu denunzieren, dass die auf Taten und Werke von Marx und Engels fußende SPD eine Partei des Imperialismus geworden ist und nicht in der Tradition der Klassiker, nicht in der Tradition ihrer Liebknechts und nicht in der Tradition von August Bebel und Rosa Luxemburg steht. Die fortschrittlichen Kräfte im deutschen Volk müssen sich dieser Partei schämen, die seit 108 Jahren nichts gelernt und nichts vergessen hat. Sie verfolgt heute wie schon am 4. August 1914 eine berüchtigte pro-imperialistische Politik. Man spricht auch von der ‘Taktik des 4. August`.

Georgi Walentinowitsch Plechanow, | Bild_ YouTube

In diesem Zusammenhang ist ein Gespräch aufschlussreich, das G. W. Plechanow im September 1914 mit dem deutschen Sozialdemokraten Quarck in Genf führte. Zeuge waren der französische Sozialist Edgar Miller und der Genfer Sozialist Jean Sieg. Der rechte Sozialdemokrat ließ sich so vernehmen: Die deutsche SPD sei die stärkste sozialistische Partei der Welt. Ein Sieg Deutschlands im imperialistischen Krieg stärke die deutsche Wirtschaft ungemein, damit die SPD, “wodurch die sozialistische Bewegung aller Länder auch gewinnen würde“.2 Einige Ansichten von Marx seien heute nach Quarck veraltet. Et voilá! Hier haben wir den Revisionismus in Reinkultur vor uns. Wir sind Plechanow für diese Aufbewahrung zu Dank verpflichtet. Der Sozialismus wird also durch die imperialistischen Völkergemetzel, denen Millionen und Abermillionen Arbeiter und Bauern zum Opfer fallen, gestärkt hervorgehen. Veraltet sind heute vor allem für deutsche Sozialdemokraten die einfachen Gesetze der Moral und des Rechts.

Aber, wird man einwenden, kann man die Auffassung eines Parteimitgliedes so verallgemeinern? Doch, man kann! Hatte die deutsche Sozialdemokratie 1914 immerhin noch einen Otto Rühle und einen Karl Liebknecht, so hat sie heute jeglichen revolutionären Ansatz verloren. Im Manifest hatten Marx und Engels geschrieben, dass die Arbeiterklasse kein Vaterland habe. Jeder, der nur ein wenig Gespür für politische Witterung hat, muss doch heute eingestehen, dass das ‘Deutschland, Deutschland über alles‘ der verfaulten SPD viel besser zu Gehör steht als die Internationale. Kein Sozialdemokrat ergreift heute das Gewehr zum letzten Gefecht, heizt aber mit Panzerhaubitzen den dritten Weltkrieg an. Die SPD, hatte Rosa Luxemburg schon 1914 festgestellt, ist nur noch ein stinkender Leichnam. Jeder Versuch einer Reanimierung hat im Interesse der arbeitenden, zukunftsorientierten Menschheit zu unterbleiben. „Es gibt in der ganzen Naturgeschichte kein ekelhafteres Lebewesen als die deutsche Sozialdemokratie“ hatte Gustav Landauer zu Recht gesagt.

Das Aufkommen von Sozialverrätern in der internationalen Arbeiterbewegung ist nichts der deutschen Sozialdemokratie Eigentümliches. Engels hat Anfang der 80er Jahre in England ihr Emporranken verfolgen können. In einem Brief vom 12. September 1892 schrieb er an Kautsky: “Sie fragen mich, was die englischen Arbeiter von der Kolonialpolitik denken? Nun, genau dasselbe, was sie von der Politik überhaupt denken … Es gibt hier ja keine Arbeiterpartei, es gibt nur Konservative und Liberal-Radikale, und die Arbeiter zehren flott mit von dem Weltmarkt und Kolonialmonopol Englands.3 Auch in Deutschland gibt es heute keine nennenswerte Arbeiterpartei, die sozialdemokratisch verdummten Arbeiter wolle heute im Sinne Quarcks (Stärkung der deutschen Wirtschaft) flott mitzehren von dem Weltmarkt und der imperialistischen Weltmachtpolitik sozialdemokratischer Volksfeinde.

Gegen diese sozialdemokratischen Imperialisten müssen wir Lenins Taktikanweisungen befolgen: Kampf gegen den Pazifismus, Aufbau illegaler Organisationen für einen langandauernden Friedenskampf, auf die Niederlage der eigenen imperialistischen Regierung, erst recht einer sozialdemokratisch geführten, hinwirken.
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1 Karl Marx, Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation, Werke, Band 16,
Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 13.

2 G. W. Plechanow, Krieg und Frieden, in: Plechanow: Zwischen Revolution und Demokratie,
Artikel und Reden 1917 – 1918, BasisDruck, Berlin, 2016, Seite 31.

3 Vergleiche Lenin, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus,
Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 109.

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