Redaktion – 17. August 2024
Lenins Werk „Materialismus und Empiriokritizismus“ bleibt bis heute ein zentraler Meilenstein der Weltphilosophie. Es verkörpert den Kampf zwischen proletarischem Materialismus und bürgerlichem Idealismus, der den Klassenkampf philosophisch untermauert und zur Schärfung des marxistischen Denkens beiträgt. Das Werk setzt sich nicht nur mit den damaligen philosophischen Strömungen auseinander, sondern stärkt auch die Verbindung zwischen Wissenschaft und materialistischer Weltanschauung.
Das wertvollste Werk der Weltphilosophie ist bis heute Lenins zwischen Februar und Oktober 1908 in Genf und London verfasstes Buch Materialismus und Empiriokritizismus – Kritische Bemerkungen zu einer reaktionären Philosophie. Es ist ein Meisterwerk des streitbaren Materialismus und Atheismus, unter anderem weil der Klassenkampf zugrunde gelegt wird: proletarischer Materialismus gegen bürgerlichen Idealismus – zwei Welten prallen aufeinander.
Zu dieser Zeit, ab 1907, befand sich in Russland die bürgerlich-feudale Reaktion im Aufwind, und Materialisten begannen zu schwanken. Der Bolschewik Lunatscharski zum Beispiel machte sich auf den Weg, Gott zu suchen und eine Symbiose zwischen Marxismus und Religion zu fabrizieren. Eine entsprechende Buchpublikation von ihm erschien 1908. Der Name Lunatscharski ist heute nur noch Spezialisten bekannt, während Lenins Buch heute die Sonne bildet, um die die proletarische Aufklärung in Sachen Philosophie kreist. Anders kann es auch gar nicht sein.
Die Zeiten der Linkshegelianer, die der Gebrüder Bauer, die Max Stirners, sind längst vorbei, ebenso die der Feuerbachs, Proudhons und Mülbergers (letztere beide Anarchisten) sowie des Positivisten Eugen Dührings. Je mehr der Marxismus in Breite und Tiefe wuchs, desto geringer wurde der Einfluss der Anarchisten, Positivisten und aller anderen antimarxistischen Strömungen. Der Imperialismus weist eine vom klassischen Kapitalismus abweichende ökonomische Physiognomie auf, zum Beispiel Kapital- statt Warenexport. Die reaktionäre Philosophie ist geblieben, aber ihre Formen haben sich ab 1900 geändert. Die Empiriokritizisten Mach und Avenarius führten nun die Feder, und es war Lenin, der im höchsten Stadium des Kapitalismus philosophisch reagierte und die bürgerlichen, subjektorientierten Philosophen angriff.
Für Mach waren die Empfindungen keine „Symbole (d. h. Abbilder) der Dinge“. Vielmehr ist das „Ding“ ein Gedankensymbol für einen Empfindungskomplex von relativer Stabilität. Nicht die Dinge (Körper), sondern Farben, Töne, Drucke, Räume, Zeiten (was wir gewöhnlich Empfindungen nennen), sind die eigentlichen Elemente der Welt. Die Annahme einer objektiven, von Empfindungen, Wahrnehmung und Bewusstsein unabhängigen Wirklichkeit, wie Marx und Engels sie vertraten, galt in empiriokritischen Intellektuellenkreisen als metaphysisch.
Das philosophische Hauptwerk Lenins ist zugleich das wichtigste Buch der Weltphilosophie. Wie ein Fels in der Brandung wird darin in der Manier bolschewistischer Parteilichkeit der dialektische und historische bzw. philosophische Materialismus verteidigt. „Die Materie ist eine philosophische Kategorie zur Bezeichnung der objektiven Realität, die dem Menschen in seinen Empfindungen gegeben ist, die von unseren Empfindungen kopiert, fotografiert, abgebildet wird und unabhängig von ihnen existiert.“1 Das ist unsere Arbeitsgrundlage. „In der Erkenntnistheorie muss man, ebenso wie auf allen anderen Gebieten der Wissenschaft, dialektisch denken, d. h. unsere Erkenntnis nicht für etwas Fertiges und Unveränderliches halten, sondern untersuchen, auf welche Weise das Wissen als Widerspiegelung der sich ewig entwickelnden Materie aus Nichtwissen entsteht, wie unvollkommenes, nicht exaktes Wissen vollkommener und exakter wird.“2 Das ist unsere Methode, die sich ständig unter Bedeutungsaufsprengungen eingefahrener Begrifflichkeiten weiterentwickelt.
Eine Höherentwicklung der Gesellschaft, der Imperialismus mit seiner enormen Vergesellschaftung der Arbeit als Übergangsstadium zum Sozialismus, bedarf einer höheren Wissenschaftlichkeit. Ein Reflex des grundlegenden Klassenantagonismus ist im Überbau die Spaltung in zwei philosophische Grundrichtungen, die revolutionären und reaktionären Strömungen zuzuordnen sind. Für Lenin ist dies eine Fortsetzung und Höherentwicklung des Grundkonflikts zwischen Demokrit und Platon. Vehement vertritt Lenin die Ansicht, dass es weder in der Politik noch in der Philosophie einen dritten Weg geben kann.
Wie hoch auch die kapitalistische Gesellschaft entwickelt sein mag, sie beinhaltet bzw. beheimatet stets Aberglauben, Metaphysik und Idealismus, der immer zur Religion ausschlägt, während der Materialismus zu den Naturwissenschaften affiniert. Idealisten lockern das Band zwischen Philosophie und Politik und reduzieren erstere zur Privatsache. Marx und Engels sahen den Vorteil der Arbeiterklasse unter anderem darin, dass sie die Dinge nüchtern betrachtet. In der Tat, im Idealismus suhlen sich heute bürgerliche und kleinbürgerliche Elemente, Repräsentanten von allem, was abgestorben ist. Der krasseste Ausfall des Idealismus ist die sogenannte Teufelsaustreibung. Das ist kein Kavaliersdelikt, sodass dieser feudal-klerikale Typus im Arbeitslager landet. Das heißt: Wir dürfen im Themenkreis „Materialismus-Idealismus“ nicht im bloß scholastisch-oberflächlichen Weltanschauungsrahmen bleiben, sondern haben als militante Atheisten und Materialisten die dem Idealismus innewohnenden kriminellen Potenzen herauszuarbeiten. Religion ist eine Art geistiger Fusel, ist menschenverachtend. Im Manifest geben Marx und Engels die Anweisung, am radikalsten mit den überlieferten Ideen zu brechen, was nur im Einklang mit dem radikalsten Brechen mit den alten Eigentumsverhältnissen über die Revolutionsgerichtsbühne gehen kann.3
Die Materialisten haben einen eindeutigen Vorsprung vor den Idealisten, die nicht demonstrieren können, wie die Idee eine Idee noch wie diese unerschöpfliche Materie hervorbringt. Eine besondere Stellung im Marxismus-Leninismus nimmt diesbezüglich die Auseinandersetzung mit der höchsten Blüte der fortschrittlichen bürgerlichen Philosophie, dem englisch-französischen Materialismus, ein. In England meldete sich der moderne Materialismus zuerst zu Wort: Bereits der schottische Theologe und Scholastiker Duns Scotus, dessen Geburtsdaten unbekannt sind, gestorben am 8. November 1308 in Köln, fragte sich, ob die schöpferische Materie nicht denken könne. Für Bacon befindet sich die Materie vor allem in Bewegung, sie ist triebhaft, Spannkraft und Qual. Der englische Philosoph Thomas Hobbes ließ durchblicken, dass sich das Denken nicht von einer Materie ablösen könne, die denkt.
1732 übertrug Voltaire nach seinem Englandaufenthalt die Gedanken der bürgerlichen englischen Aufklärung mit seinen Briefen über die Engländer nach Frankreich, die auf fruchtbaren Boden fielen. Einen Höhepunkt der französischen Aufklärung finden wir in den Ausführungen von Helvétius: „In Helvétius, der ebenfalls von Locke ausgeht, empfängt der Materialismus den eigentlich französischen Charakter. Er fasst ihn sogleich in Bezug auf das gesellschaftliche Leben. (Helvétius, De l’homme). Die sinnlichen Eigenschaften und die Selbstliebe, der Genuss und das wohlverstandene persönliche Interesse sind die Grundlage aller Moral. Die natürliche Gleichheit der menschlichen Intelligenzen, die Einheit zwischen dem Fortschritt der Vernunft und dem Fortschritt der Industrie, die natürliche Güte des Menschen, die Allmacht der Erziehung sind Hauptmomente seines Systems.“4 Die französischen Materialisten wurden von Feuerbach, Marx und Engels weiterentwickelt, und diese wiederum von Lenin.
Quellennachweis:
- Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Werke, Band 14, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 124.
- A.a.O., Seite 96.
- Vergleiche Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 481.
- Karl Marx, Friedrich Engels: Die heilige Familie, Werke, Band 2, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 137.
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Dieser Artikel fußt auf eine Vorlage von Heinz Ahlreip. Eine Weiterveröffentlichung des Textes ist gemäß einer Creative Commons 4.0 International Lizenz ausdrücklich erwünscht. (Unter gleichen Bedingungen: unkommerziell, Nennung der verlinkten Quelle (»Der Weg zur Partei«) mit Erscheinungsdatum).
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