Der Durchbruch der Sowjetrepublik: Kein Wunder, sondern eine Konsequenz

Strassenmarkt in Moskau 1928 | Quelle: Archiv RoterMorgen

Redaktion – 19. August 2024

Nach der Oktoberrevolution wurde das Verhältnis zwischen Stadt und Land zur zentralen politischen Frage, die entscheidende Bedeutung für den Fortgang der gesamten Revolution erlangte. Um die brachliegende Ökonomie zumindest auf Vorkriegsniveau zu heben, entwarfen Lenin und seine Anhänger, den diktatorischen Kriegskommunismus beendend, eine eng begrenzte marktwirtschaftliche Öffnung: die Neue Ökonomische Politik (NEP). Diese markierte einen strategischen Rückzug mit dem Ziel, einen stärkeren Vorstoß nach vorn zu ermöglichen. Trotz ihrer befristeten Natur war die NEP eine unverzichtbare Anpassung, um das Überleben der jungen Sowjetrepublik zu sichern.
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Einführung der Neuen Ökonomischen Politik (NEP)

Die NEP wurde nach dem anarchistischen Matrosenaufstand von Kronstadt im Februar 1921 einen Monat später auf dem 10. Parteitag der KPR verkündet. Sie begann rudimentär mit der Sicherung des Überlebens der russischen Völker, die aufgrund ihrer kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Substanz anfällig für Anarchismus waren. Lenin erkannte die Notwendigkeit, dass die Kommunisten das Handeltreiben erlernen mussten, wobei eine Privatbereicherung reicher Bauern (Kulaken) und Städter (Nepman) in Kauf genommen wurde.

Lenin selbst charakterisierte diese Politik in einer Rede am 20. November 1922: „Diese Politik wird als Neue Ökonomische Politik bezeichnet, weil sie eine Schwenkung zurück vornimmt. Wir gehen jetzt zurück, treten gleichsam den Rückzug an, wir tun das jedoch, um zuerst zurückzugehen, dann aber einen Anlauf zu nehmen und einen umso größeren Sprung vorwärts zu machen.“1 Der endgültige Abschluss der NEP erfolgte konzeptionsgemäß im Dezember 1927 durch einen Parteitagsbeschluss auf dem 15. Parteitag.
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Wirtschaftliche und Kulturelle Herausforderungen

Lenin schrieb im April 1918: „Nimmt man die westeuropäischen Revolutionen als Maßstab, so stehen wir jetzt ungefähr auf dem Niveau dessen, was in den Jahren 1793 und 1871 erreicht worden ist.“2 Unter diesen Umständen war die Erreichung einer höheren Arbeitsproduktivität als die kapitalistische vorrangig. Im April 1918 betonte Lenin, dass dies ohne die Unterstützung bürgerlicher Spezialisten nicht möglich sei.3 Diese erhielten höhere Löhne, was die Rückständigkeit des Landes in Milliarden Rubel kostete.

Neben Industrie und Landwirtschaft lag auch die Kultur am Boden. Die industrielle und landwirtschaftliche Aufholjagd auf das Vorkriegsniveau verlief parallel zur nationalen Frage und einer Kulturrevolution, die auf die Volksbildung ausgerichtet war. Diese Revolution verdeutlichte bald, dass der Staat ein Klassenbegriff ist und die Ablehnung der proletarischen Diktatur eine Zustimmung zur bürgerlichen bedeutet.

Bitter war die Ausgangslage für die Kulturrevolution: Nur 25 % der Frauen waren 1920 alphabetisiert, und von 1.000 Personen konnten nur 330 schreiben und lesen – ein Drittel der Bevölkerung. Die Kommunistische Partei bildete, nach Lenins eigener Aussage, nur ein „Körnchen“ im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, die zu 80 % aus analphabetischen Kleinbauern bestand. Ohne die Lösung dieser kulturellen Aufgaben wäre das sowjetische Russland, das aus einer scheindemokratischen Republik hervorging, untergegangen.
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Die Hindernisse und Lenins Optimismus

Nach der Befreiung vom Zarismus und von Kerenski türmten sich die Hindernisse ins Gigantische. Die Verwirklichung des wissenschaftlichen Sozialismus schien eine unerreichbare Fata Morgana zu sein. Doch Lenin war überzeugt, dass die Sowjetmacht auf die denkenden und ehrlichen Massen der Arbeiter und Kleinbauern zählen konnte.

Lenin fasste die Situation treffend zusammen: „Und da sollen 240.000 Mitglieder der Partei der Bolschewiki nicht imstande sein, Russland zu regieren, es im Interesse der Armen und gegen die Reichen zu regieren?“5 Die westlichen Opportunisten und Revisionisten, die den Leninismus nicht als Weiterentwicklung des Marxismus anerkannten, erkannten nicht, dass sich die kommunistische Partei durch Säuberungen stählte und eine neue proletarisch-bäuerliche Arbeitsdisziplin entwickelte.

Sie übersahen auch die günstigen natürlichen Voraussetzungen, die Russland bot, etwa die gigantischen Vorkommen an Erzen, Brennstoffen und anderen Rohstoffen. „Die Erschließung dieser Naturschätze mit den Methoden der modernsten Technik wird die Grundlage schaffen für einen beispiellosen Fortschritt der Produktivkräfte.“6
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Die Rolle der Kultur und Bildung

Auf dem kulturellen Sektor wurde der Volksschullehrer zur Schlüsselfigur der Elementarbildung. Lenin riet, bei der Zuteilung von Brotrationen für Lehrer nicht zu knausern. Angesichts der gewaltigen Masse der parteilosen Arbeiter, Halbproletarier und armen Bauern war eine rein kommunistische Pädagogik zunächst unangebracht. „Es gilt, die Arbeit zur Organisierung der Volksschullehrer systematisch zu verstärken, um sie aus einer Stütze der bürgerlichen Ordnung […] zu einer Stütze der Sowjetordnung zu machen.“7 Das Stadt-Land-Gefälle war ein Kernproblem der russischen Kulturrevolution und der Oktoberrevolution insgesamt. Lenin und die Bolschewiki strebten ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen den arbeitenden Menschen in Stadt und Land an, das sich im Verlauf des Zweiten Weltkrieges als existentiell auszahlte

 

Quellennachweis:

  1. Lenin: Rede in der Plenarsitzung des Moskauer Sowjets, Werke, Band 33, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 423
  2. Lenin: Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, Werke, Band 27, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 235
  3. Vergleiche a.a.O., Seite 238
  4. Vergleiche a.a.O., Seite 234
  5. Lenin: Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten?, Werke, Band 26, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 95
  6. Lenin: Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, Werke, Band 27, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 248
  7. Lenin: Tagebuchblätter, Werke, Band 33, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 450
  8. a.a.O.

 

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Dieser Artikel fußt auf eine Vorlage von Heinz Ahlreip. Eine Weiterveröffentlichung des Textes ist gemäß einer Creative Commons 4.0 International Lizenz ausdrücklich erwünscht. (Unter gleichen Bedingungen: unkommerziell, Nennung der verlinkten Quelle (»Der Weg zur Partei«) mit Erscheinungsdatum).

 

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