Ein Hammer, eine Sense und ein Pinsel – so die Selbstinszenierung der „Partei der Arbeit Koreas“ in Form eines Riesendenkmals. Das Regime versteht sich als sozialistisch, doch seit den 1990er Jahren sind alle Bilder von Marx und Lenin aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Der Staatsgründer Kim Il-Sung, Großvater des aktuellen Herrschers Kim Jung-Un, überholte den Marxismus-Leninismus mit einer eigenen Ideologie. »Juche« bedeutet so etwas wie „Eigenständigkeit“ und schreibt vor, dass der bergige Norden der koreanischen Halbinsel wirtschaftlich autark sein müsse.
Sein Sohn, Kim Jong-Il, erweiterte die Theorie um die „Sungun“-Idee: In allem stehe die Armee an erster Stelle. In den zehn Prinzipien, nach denen alle Bürger leben sollten, gibt es kein einziges, das nicht von Gehorsam gegenüber der Staatsführung handelt.
.
Sozialismus Fehlansage
Vom Sozialismus im Sinne von Marx und Engels – also der Selbstbefreiung der Arbeiter, ist die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) fast so weit entfernt wie von der Steinzeit.
Die DVRK ist, im Großen und Ganzen, eine Planwirtschaft. Die meisten Menschen arbeiten für den Staat, und ein Großteil der Produkte wird nicht auf dem Markt getauscht, sondern über staatliche Stellen verteilt. Diese Planung ermöglichte das „koreanische Wirtschaftswunder“. Dennoch läuft die wirtschaftliche Planung nicht, wie Marx und Engels vorgesehen haben, nämlich durch die demokratische Entscheidung der Produzenten. „Kim Jung-Un Looking At Things“ lautet der Titel einer populären Website mit Bildern des jungen Herrschers, der pausenlos wie schon sein Vater und sein Großvater Fabriken und Baustellen besucht. Ein Kim kann einen Befehl erteilen, der die Produktion sofort umkrempelt. Dabei ist Widerspruch nicht vorgesehen. Wenn Kim Jung-un zum Beispiel entscheidet, dass die Hauptstadt einen erstklassigen Wasserpark benötigt, wird erstmal die Kraft der gesamten Wirtschaft darauf gerichtet.
Die allherrschende Juche-Philosophie enthält den philosophischen Grundsatz, dass der Mensch Herr über alles ist und alles entscheidet. Diese Auffassung widerspricht grundlegend der Auffassung von Friedrich Engels, der von ‚Beherrschung der Naturgesetze‘ sprach.1 Er sprach aber nicht davon, dass der Mensch Herr über alles ist und alles entscheidet. Diese dialektische Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur wird hier völlig missachtet. In der sozialistischen Sowjetunion gab es darüber eine grundlegende Auseinandersetzung. Es wurde die „Gigantomanie“ bei Projekten kritisiert. Es gab u. a. Bestrebungen, ganze Flüsse umzuleiten.
Stalin schrieb dazu 1952: „Bedeutet das, dass die Menschen damit die Gesetze der Natur, die Gesetze der Wissenschaft aufgehoben, dass sie neue Gesetze der Natur, neue Gesetze der Wissenschaft geschaffen haben? Nein, das bedeutet es nicht. Im Gegenteil. Diese ganze Prozedur wird auf der exakten Grundlage der Gesetze der Natur, der Gesetze der Wissenschaft vollzogen, denn jeder Verstoß gegen die Naturgesetze, auch der kleinste, würde nur dazu führen, dass das Ganze gestört, dass die Prozedur vereitelt, wird“.2
Warum stellt die Juche Ideologie die Grundfrage die Stellung des Menschen in der Welt neu? Dafür besteht überhaupt keine Notwendigkeit, hier die weltanschauliche Grundfrage, also die Grundlinie von Marx und Engels zu verlassen?
Natürlich ist die Rolle des Bewusstseins und wie dieses unter heutige Bedingungen entsteht für den sozialistischen Aufbau entscheidend. Überheblich wird bezüglich der Juche Ideen behauptet: „Anhand des Grundsatzes der marxistischen materialistischen Geschichtsauffassung kann man keine eindeutige Antwort auf die Frage der Revolution nach der Errichtung der sozialistischen Ordnung geben.“3
Weitere Dogmen der Juche-Ideologie lauten „Die Ideen des Führers sind die einheitliche Leitideologie“ und „die einheitliche Führung des Führers über die Revolution und den Aufbau wird durch die revolutionären Streitkräfte zuverlässig gewährleistet und verkörpert.“ Auch hier werden Grundprinzipien des sozialistischen Aufbaus, wie der Demokratische Zentralismus außer Kraft gesetzt: Führerprinzip statt Demokratischer Zentralismus, Militärdiktatur statt Diktatur des Proletariats.
.
Die neue Bourgeoisie
Der „Marschall“ lebt zweifelsohne gemütlich, aber nicht nur er genießt materielle Vorteile und Ptrivilegien. „Bei der Ankunft am Flughafen hat man noch ein Beispiel vor sich“ schrieb ein Tourist: „Viele der nordkoreanischen Parteibonzen, die aus dem Ausland kommen, holen ihre Golfbags vom Gepäckband ab“. Soziale Ungleichheit ist in der DVTRK lange nicht so gravierend wie bei uns im Kapitalismus, und dennoch können die Parteifunktionäre und ihre Familien Auto fahren und Restaurants besuchen, was für die große Mehrheit des Volkes, das in großer Armut lebt, unvorstellbar wäre.
Happy Birthday Kim Il Sung!
So wird in der DVRK „Opas“ 110ter Geburtstag gefeiert!
Kapitalismus für Devisen
Der Tourismus soll Devisen ins Land bringen – wobei der Andrang sich im Vergleich zu den karibischen Stränden in Grenzen hält. Der jüngste Kim hat 2014 ein großes Skihotel eröffnet und träumt von zwei Millionen ausländischer Touristen im Jahr.
Wie in China seit den 90er Jahren gibt es auch sog. Sonderwirtschaftszonen (SWZ), in denen ausländische Unternehmen mit Nord-Koreanischen Arbeitern produzieren können. Die Löhne gehen an den Staat, der einen kleinen Teil an die Kollegen weitergibt. Eine SWZ gibt es in Rason an der Grenze zu Russland, eine andere in Kaesong nahe der demilitarisierten Zone zu Südkorea. Touristen können die Anlagen in Rason unter einer Bedingung besuchen: keine Fotos der Marken! Verschiedene multinationale Unternehmen würden ungern zugeben, dass ihre Textilien in der DVRK genäht werden. Genauso sendet der Kim-Staat jährlich über 50.000 Arbeitssklaven nach China, Russland und sogar Katar, die dort für einen Minimallohn und in jämmerlichen Behausungen lebend, täglich für die neue Bourgeoisie schuften müssen.
1 Dialektik der Natur, ME-Werke, Band. 20, Seite 453.
2 Ökonomische Problem des Sozialismus in der UdSSR‘, Stalin Werke, Band 15, Seite 295).“
3 Rede von Kim Jong IL vor verantwortlichen Funktionären, Seite 6
Eine Weiterveröffentlichung dieses Textes ist gemäß einer Creative Commons 4.0 International Lizenz ausdrücklich erwünscht.
(Unter gleichen Bedingungen: Unkommerziell, Nennung der verlinkten Quelle (»Der Weg zur Partei«) mit Erscheinungsdatum).
.
Antworten