F.-B. Habel
Wenn ich heule, war es Kunst!
Buchbesprechung: Du mit deiner frechen Schnauze –
Renate Holland-Moritz in Anekdoten und Briefen
An die verdienstvolle Reihe der „Lesebücher für unsere Zeit“, die Weltbühnen-Autor Walther Victor 1949 im Volksverlag Weimar begründete, und in der er illustre Autoren wie Goethe, Heine, Tucholsky, Kleist, Brecht und Weinert einer nachgewachsenen Generation nahebrachte, fühlte ich mich erinnert, als ich jetzt den postum erschienenen Band einer DDR-Autorin in die Hände bekam.
Er könnte gut heißen: „Renate Holland-Moritz – Ein Lesebuch für unsere Zeit“. Aber weil das für eine Satirikerin viel zu trocken klingt, haben ihm Herausgeber und Verlag den Titel „Du mit Deiner frechen Schnauze“ gegeben. Das klingt boulevardesk, und bei einer Autorin, die sich freimütig dazu bekannte, eine „Klatschtante“ zu sein, ist es auch nicht verfehlt. Aber das Buch ist viel mehr: eine Sonde in eine Zeit, die man auch durch heitere Aussagen verstehen lernt, ein Lesebuch für die Jugend im besten Sinne, und gleichermaßen eine Erinnerung für die Zeitgenossen der Autorin, die wir hier modisch RHM nennen und die 2015 mit 80 Jahren als langjährigste Filmkritikerin der Welt die Schreibmaschine in die Ecke stellte.
Wie kam es zu diesem Band? RHM war schon lange durch Krankheiten gebeutelt. Die monatlichen aktuellen Filmkritiken, die Rubrik „Kino-Eule“ im Satire-Magazin Eulenspiegel, schrieb sie – was niemand ahnte – oft unter Qualen. An jeder Formulierung feilte sie lange. Als sie dann aufhörte, fühlte sie nur kurze Zeit eine angenehme Entlastung. Kurz nach ihrem 82. Geburtstag rief sie mich Anfang April an und erklärte: „Eigentlich dachte ich, ich hätte alles schon erzählt, aber jede Woche fallen mir Anekdoten ein, die ich nicht aufgeschrieben habe und die noch erzählt werden müssen. Wer, wenn nicht ich!“ Sie hatte schon Einiges gesammelt, war sich aber unsicher in den konkreten Fakten, denn genau sollte es schon sein! Da war zum Beispiel die Geschichte ihrer kollegialen Freundschaft mit dem späteren „Schwarzwaldklinik“- und „Traumschiff“-Erfinder Wolfgang Rademann, der ein Hungerkünstler war, als sie beide in den Fünfzigern bei der BZ am Abend arbeiteten, und der sie nach der Wende ganz leicht „einkassieren“ wollte. Sie hat es nicht mehr geschafft, das aufzuschreiben, denn bald kam sie ins Krankenhaus, das sie als unheilbar verließ, und ging am 14. Juni 2017 von uns.
Reinhold Andert, Matthias Biskupek (Herausgeber): Du mit deiner frechen Schnauze – Renate Holland-Moritz in Anekdoten und Briefen, Schriftenreihe der DEFA-Stiftung, Quintus-Verlag, Berlin 2019, 176 Seiten, 19,90 Euro.
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Dieser Artikel erschien vor ein paar Tagen in Das Blättchen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Bilder, Videos und Bildunterschriften wurden von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.
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