Zwar versichert Pompeo, die Sanktionen würden aus Solidarität mit dem „unterdrückten iranischen Volk“ verhängt, doch richten sie sich natürlich exakt gegen dieses „unterdrückte iranische Volk“. „Die Amerikaner haben die iranischen Fluggesellschaften seit Jahrzehnten sanktioniert“, kommentiert Mohammad Marandi, Professor von der University of Tehran, „und sie wollen, dass das Fliegen für die Menschen gefährlicher wird“. Durch die neuen Sanktionen wird buchstäblich das Leben von Iranerinnen und Iranern aufs Spiel gesetzt – eine Form von ökonomischem Staatsterrorismus, wie ihn die USA auch im Jahrzehnt vor der illegalen Irak-Invasion eingesetzt hatte, als unter Bill Clintons genozidalem Sanktionsregime im Irak 1,7 Millionen Menschen im US-Wirtschaftskrieg getötet wurden, 500-600 Tausend Kinder darunter.
Die Flieger der zivilen Mahan Air, der größten privaten iranischen Airline, sind das Haupttarget der jüngsten US-Sanktionen gegen den Iran. By Nabil Molinari, Flickr, licensed under CC BY-NC-SA 2.0.
Der Kommentator Nebojsa Malic findet zur absurden Begründung für die jüngsten Iran-Sanktionen in seiner Headline auf RT English die passende Analogie: „Eine Seite aus dem Irak-Playbook: USA beschwören Massenvernichtungswaffen herauf, um ‚maximum pressure‘-Sanktionen gegen den Iran zu verhängen“.
Jener US-Präsident Trump, der sich – fälschlicherweise – stets als großer Gegner des Irak-Kriegs 2003 gebärdet hat, insbesondere aufgrund der Jahrhundertlüge „Massenvernichtungswaffen“, spiegelt nun das Verhalten der Neocons und Kriegstreiber in der Bush-Administration im Vorfeld der Irak-Invasion: Lügen über „Massenvernichtungswaffen“, Lügen über die Staatsführung, Lügen über nichtvorhandene Connections zu Terroristen und ökonomischer Terrorismus gegen die Bevölkerung des Landes.
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Donald – die „Taube“
Viele Hoffnungen lagen zu Beginn auf der Trump-Administration, gebärdete er sich doch stets als Non-Interventionist, als jemand, der sich aus all den US-Kriegen zurückziehen wolle – ich habe diesen Schwachsinn nicht eine Sekunde lang geglaubt. Ja, richtig, anders als seine Vorgänger hat Trump noch keinen neuen Krieg begonnen (zumindest keinen mit Bomben und Raketen, in Venezuela begann er einen blutigen Wirtschaftskrieg), doch ist auch er eine schlichte Weiterführung des US-Imperialismus, der sich einbildet, die Welt mit den blutigsten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, nach seinem Bilde formen zu dürfen.
Er schlachtet auf Rekordniveau Zivilisten im Jemen, im Irak und in Syrien, fährt Lutschläge in Somalia exzessiv hoch, sandte allein seit Mai 2019 14.000 neue Truppen in den Nahen Osten (nach 2003 auch wieder die ersten US-Soldaten nach Saudi-Arabien), beorderte in seinen ersten drei Monaten im Jemen mehr Drohnenschläge als „Drohnenkönig“ Obama in den drei Jahren zuvor, wirft die „Mutter aller Bomben“ auf Afghanistan ab, wirft weißen Phosphor auf Syrien ab und pulverisiert mit Raqqa eine ganze Stadt, tötet in Venezuela mit Knebelsanktionen allein im ersten Jahr 40.000 Menschen und warf mehrfach völkerrechtswidrig Bomben auf Assad ab – ist das die „Taube“, als die ihn auch seine blinden Apologeten im Westen weiterhin gerne porträtieren?
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Beleidigung unserer Intelligenz
Einen Teil der Begründung für die neuen Iran-Sanktionen ließ ich bislang außen vor und möchte ihm zum Ende dieses Texts besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Die Sanktionen gegen die iranische Schifffahrts- und Flugindustrie dienten der Unterbindung des „Schmuggels tödlicher Hilfe vom Iran in den Jemen“, so das US-Finanzministerium, gemeint sind „Waffenlieferungen an die Houthi-Rebellen“. Das „iranische Regime“, so US-Finanzminister Mnuchin weiter, leiste „einen direkten Beitrag zur verheerenden humanitären Krise … im Jemen“.
Die Heuchelei und die moralische Verrohung in dieser Begründung sind nur schwer zu beschreiben. Es gibt halbwegs glaubhafte Berichte, dass der Iran in der Vergangenheit im kleinen Maße die Houthis mit Waffen beliefert hat, was ich an dieser Stelle keineswegs leugnen will – aber: Der Jemen ist historisch derart überschwemmt mit Waffen aller Art, dass die Houthis schlicht keinen Bedarf an einer massiven Aufrüstung aus dem Ausland haben (wie ich hier dargelegt habe). Doch nehmen wir des Argumentes willen eine Sekunde an, die US-Regierung hätte Recht und der Iran würde die Houthi-Rebellen massiv hochrüsten.
Können wir den Jemenkrieg kurz vom Kopf auf die Füße stellen? Die „verheerende humanitäre Krise“ im Jemen, die Trump mit seinen Sanktionen beenden will, gibt es natürlich, es ist laut UN die „größte humanitäre Katastrophe der Welt“ – doch wurde sie nicht von den Houthis hervorgerufen, sondern von der aus dem Westen unterhaltenen Saudi-Emirate-Koalition!
Seit bald fünf Jahren vernichtet eine Koalition ultrareicher Staaten das ärmste Land der arabischen Welt. Bombardiert Hochzeiten, Flüchtlingsboote, Moscheen, Beerdigungen, Krankenhäuser, Farmen, Lebensmittelfabriken und jede nur denkbare zivile Infrastruktur, setzt Hunger genau wie die größte jemals registrierte Choleraepidemie als Kriegswaffen ein.
Und der größte Unterstützer dieser genozidalen Koalition sitzt im Weißen Haus – heißt Donald J. Trump.
In den Jahren des Jemenkriegs (2015-2018) stammten 56,8 Prozent aller Waffenlieferungen an die acht Koalitionäre aus den USA; der Anteil erhöht sich gar auf 70 Prozent, wenn lediglich Lieferungen an die beiden treibenden Kräfte der Koalition – Saudi-Arabien und die VAE – berücksichtigt werden.
Herkunftsländer der Waffenexporte an die acht Länder der Saudi-Emirate-Koalition in den Jahren des Jemenkriegs (2015-2018). Data source: SIPRI Arms Transfers Database. Compiled and created by Jakob Reimann, JusticeNow!, licensed under CC BY-ND 4.0.
Wenn Trump, die „verheerende humanitäre Krise“ im Jemen beenden will, kann er einfach aufhören, Waffen an die Koalition zu liefern. Das Narrativ, die jüngsten Iran-Sanktionen hätten irgendetwas mit dem „unterdrückten iranischen Volk“ oder den armen Menschen im Jemen zu tun, ist eine Beleidigung unser aller Intelligenz.
Erst kürzlich berichtete die Süddeutsche Zeitung exklusiv, sechs Menschenrechts- und Juristen-NGOs hätten gegen den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall sowie die deutsche Bundesregierung beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Strafanzeige wegen ihrer Komplizenschaft an Kriegsverbrechen im Jemen gestellt.
So, Mr. Trump, unterstützt man „unterdrückte Völker“ und bekämpft „verheerende humanitäre Krisen“.
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Erstveröffentlichung auf JusticeNow. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
Über den Autor: Als studierter Biochemiker hat Jakob Reimann ich ein Jahr in Nablus, Palästina gelebt und dort an der Uni die Auswirkungen israelischer Industrieanlagen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in der Westbank erforscht. Nach einiger Zeit in Tel Aviv, Haifa, Prag und Sunny Beach (Bulgarien) lebt er jetzt wieder in Israel und kennt daher „beide Seiten“ des Konflikts und die jeweiligen Mentalitäten recht gut. Soweit er zurückblicken kann ist er ein politisch denkender Mensch und verabscheut Ungerechtigkeiten jeglicher Art. Aus bedingungslos pazifistischer Sicht schreibt er gegen den Krieg an und versuche so, meinen keinen Beitrag zu leisten. Seine Themenschwerpunkte sind Terrorismus, das US Empire, Krieg (Frieden?) und speziell der Nahe Osten.
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