Andrej Konstantin Hunko

Kriegsspiele an der Straße von Hormus

Andrej Konstantin Hunko

Es ist beachtlich, mit welcher Leichtigkeit in diesen Tagen wieder militärische Szenarien durchdacht und gefordert werden. Jüngstes Beispiel ist der Konflikt um die Straße von Hormus. Die Meerenge, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman verbindet, ist ein bedeutendes Nadelöhr für den internationalen Handel. Insbesondere große Teile des saudi-arabischen Erdöls müssen die Enge passieren und dafür auch Hoheitsgewässer des Iran durchqueren.

Dieser hatte im Juli den britischen Tanker „Stena Impero“ festgesetzt, nachdem Großbritannien vor Gibraltar den iranischen Tanker „Grace 1“ gestoppt hatte.

Seit dieser Eskalation versuchen die USA unter dem Vorwand des Schutzes der internationalen Handelsschifffahrt eine Militärallianz gegen den Iran aufzubauen. Maßgeblich vorangetrieben wird dieses Unterfangen von einem der größten Kriegstreiber der US-Administration, dem nationalen Sicherheitsberater John Bolton. Er möchte lieber heute als morgen einen Krieg gegen den Iran beginnen, trifft jedoch noch auf Zweifler unter anderem im US-Verteidigungsministerium.
Auch in Europa wird offen über militärische Missionen debattiert. Großbritannien stellte sich sogleich an die Seite der USA, während Frankreich eine eigene EU-Mission forderte. Die deutsche Bundesregierung gab sich bislang nicht einig, aber durchaus bereit. Während das Kanzleramt sich eine Beteiligung an einer „maritimen Schutzmission“ vorstellen kann, gab sich das SPD-geführte Außenministerium leicht defensiver und zeigte sich offen für eine „Beobachtungsmission“. In beiden Fällen würden die deutsche und europäische Marine Kriegsschiffe vor die iranische Küste bringen. Allein die Präsenz würde eine Eskalation in einen militärischen Konflikt um Längen wahrscheinlicher machen.

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Das Völkerrecht interessiert dabei mal wieder kaum. Dies wird im Falle der Kaperung der „Grace 1“ deutlich. Denn auch wenn sich Großbritannien auf das EU-Recht und die von der EU gegen Syrien erlassenen Sanktionen beruft: Dieses Recht steht nicht über dem Völkerrecht. So enthält das UNO-Seerechtsübereinkommen klare Regelungen für Meerengen wie Gibraltar und Hormus, die Schiffen eine „friedliche Durchfahrt“ bzw. eine „Transitdurchfahrt“ garantieren. Die „Grace 1“ hat keine dieser Regelungen verletzt. Auch ist nicht der Iran Adressat der EU-Sanktionen, sondern Syrien. Insofern ist die Festsetzung des iranischen Tankers völkerrechtlich schwer zu rechtfertigen.

Es ist bezeichnend, dass in der Debatte um mögliche Militäreinsätze das internationale Recht häufig völlig ignoriert wird. Der doppelte Standard ist offensichtlich. Denn während Ländern wie Russland immer wieder (und teils auch zurecht) der Bruch des Völkerrechts vorgeworfen wird, drückt man bei sich selbst und den Partnern beide Augen zu. Dieser einseitige Völkerrechtsnihilismus führt zunehmend dazu, die zweifelsohne unperfekte aber enorm wichtige internationale Ordnung inklusive ihrer multilateralen Strukturen zu erodieren.

Ebenso sind die Grundannahmen der Befürworter von Militärmissionen alles andere als handfest. So wird häufig unhinterfagt festgestellt, dass durch die iranischen Aktionen die Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormus nachhaltig behindert werde. Aber trifft das überhaupt zu? Bis zur derzeitigen Zuspitzung durch die iranische Reaktion auf die Kaperung vor Gibraltar wurden die relevanten internationalen Abkommen weitgehend eingehalten.

Man stelle sich einmal vor, zum Beispiel China oder Russland würden nun wegen der Festsetzung der „Grace 1“ eine Militärmission nach Gibraltar schicken, um diesen wichtigen Handelsweg zu „schützen“. Eine zurecht absurde Vorstellung. Warum läuten dann aber nicht die Alarmglocken, wenn selbsternannte Weltpolizisten dasselbe im Persischen Golf tun wollen? Kein Land der Welt darf sich über das Völkerrecht stellen.

Es stellt sich aber auch die Frage, wie man korrekterweise mit einer solchen Krise umgehen könnte. Nicht umsonst gibt es multilaterale Gremien, die in solchen Fällen zur Konfliktbeilegung verwendet werden sollten. An erster Stelle ist hier der UN-Sicherheitsrat zu nennen. Aber anstatt sich dort mit China und Russland einig werden zu müssen, setzen die transatlantischen Falken auf unkonsultierte Aktionen mit gigantischem Risiko zur Eskalation. Auch ein russischer Vorschlag für ein System kollektiver Sicherheit rund um den Persischen Golf ist im Westen bislang weitgehend ignoriert worden. Dabei enthält er durchaus sinnvolle Vorschläge wie die Festlegung auf multilaterale Formate und das Völkerrecht sowie das Verbot dauerhafter Truppenstationierungen.

Betrachtet man die deutsche Debatte, dann wird deutlich, dass es nicht allein um den Schutz der Interessen der deutschen Exportwirtschaft geht. Immer klingt auch mit, dass man wieder mitspielen will als Machtfaktor auf globaler Ebene. Zunehmend hört man auch Töne, die dies nicht allein im Rahmen einer „Supermacht EU“ bewerkstelligen möchten, sondern Deutschland wieder zu einem eigenen globalen Player zu machen. Wenn es wieder heißt, Deutschland müsse „Verantwortung übernehmen“, dann sollte man ganz genau hinschauen. Denn natürlich ist nichts Verkehrtes daran, Verantwortung zu übernehmen. In der Regel ist damit aber gemeint, geostrategische und unternehmerische Interessen militärisch durchzusetzen.


Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.

Über den Autor: Andrej Hunko ist Sprecher für Europapolitik der Partei DIE LINKE im Bundestag.

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