Auslandsvolkskorrespondent Noel Nascimento aus Brasilien – 29. Okt. 2021
Der Proto Faschismus in Brasilien und Lateinamerika Redaktion Brasilien
Noel Nascimento
Schon seit längerer Zeit existieren die Wurzeln des Proto-Faschismus in Brasilien. Höchstwahrscheinlich hat es sie seit des geschichtlichen Anfangs gegeben. Es kann schwerlich vorstellbar sein, dass es unbemerkbar geblieben ist, sondern, dass dieses Vorhandensein schlicht und einfach absichtlich nicht wahrgenommen wurde.
….Brasilien, Bild: Wikipedia
Der Bäcker, der den Bettler, das Straßenkind an der Ampel ver-
achtungsvoll ansieht oder den mit einer Karre verwertbaren Mülls voller Altpapier hinter sich wie ein Maultier herzieht und dabei sagt: „Es hat keinen Zweck, nur die Todesstrafe kann all dem ein Ende bereiten.“ Es geht dabei um eine nied-
rige Mittelschicht, die diejenigen hasst die sozial gleich unter ihr stehen.
Psychologisch gesehen handelt es sich um eine Haltung die leicht zu analysieren ist, nämlich das menschliche Bedürfnis, sich besser zu fühlen als andere Mitmenschen die in einer Skala des Glückes weniger begnadet sind. „Ich habe auch keine Chancen im Leben gehabt und bin aufgrund davon kein Vagabund geworden“, ist auch ein üblicher Refrain.
Welche Hindernisse jedes menschliche Dasein während seines Lebens vorfindet, und oft gleich nach Geburt, lässt sich in einem verallgemeinernden Satz nicht erklären und um so weniger dadurch regeln. Welche Faktoren und äußere Kräfte einen Menschen daran hindern können, auf einem harten langwierigen Weg zu verharren, welcher zu irgendeinem Erfolg im Überlebenskampf führt, welche psychologischen Eigenschaften und Kräfte des Geistes notwendig sind, von dem Moment an, wenn ein Individuum die Chance(n) findet die ihm aus einem perspektivlosen Leben retten und ob er sie erkennen darf, kann nicht mit so banalen Rechtfertigungen definiert werden. hier geht es weiter »
Zu diesen Aspekten gesellen sich die Interessen einiger spezifischer liberaler Berufe, die von diesen Aussichtslosen kleineren Existenzen nichts für sich gewinnen können. In ihren Versammlungen in Luxusvereinen, wo sie eine verankerte Idee des eigenen Verdienstes kultivieren von der sie unter sich behaupten nichts verschuldet zu haben, verspotten und verachten sie die, die auf Staatshilfe angewiesen sind, denn sie selbst erhielten all ihren meist erblichen Reichtum geschenkt. Zu ihnen gesellen sich zusätzlich Großunternehmer, einige offen, andere insgeheim agierend.
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Bolsonaros Machtbasis – der Proto-Faschismus
Der Proto-Faschismus Brasiliens und Lateinamerikas der zur Regierung Bolsonaros führte, hat trotz unterschiedlicher Geschichte vieles gemeinsam mit dem Faschismus Europas und ist in einigem verwandt mit dem Nationalsozialismus. Er unterscheidet sich in der Rassentheorie, die auf dem amerikanischen Kontinent und vor allem in Lateinamerika verborgen bleibt, ähnelt sich jedoch sehr in der Idee, dass der schwächste oder weniger nützliche in der Profit-Gesellschaft entbehrlich und zu beseitigen sei. Der Neoliberalismus vertritt auch diese Idee und profitiert davon, jedoch sind ihm die schwächsten bis zuletzt noch nützlich.
Ob der Faschismus und Proto-Faschismus des Niedergangs, zum Aufbau einer humanistischen Haltung führt – wie es in Deutschland mit der „Entnazifizierung“ gedacht war – bleibt als äußerst zerbrechliche Frage. In Brasilien musste es aufkommen, weil es sich im Untergrund vermehrte, und was in der Tiefe gärt wird gewaltiger je mehr die Zeit vergeht. Einmal Gesicht gezeigt, kann man Reaktionen erwarten. Ob diese dann etwas erzielen, hängt von den Kräften im Hintergrund ab, denen es dient und nützlich ist.
Nichts ist mehr zu befürchten als der Faschismus im Mantel der Demokratie (Theodor von Adorno)
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Erstveröffentlichung am 27. Oktober 2021 auf »Info-Welt«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
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