Redaktion RoterMorgen
Querdenker und Coronaleugner maschierten durch Stuttgart
Am vergangenen Samstag demonstrierten in Stuttgart bis zu 15.000 Menschen, unter dem Motto „Querdenken“, von verschiedenen Sammelpunkten aus zum Cannstatter Wasen. Natürlich, wie immer, ohne Mund-Nasenschutz und ohne die Abstandsvorschriften einzuhalten. Dafür bekamen sie „freies Geleit“ und die Gegendemonstranten den Knüppel!
Ebenso war es nicht verwunderlich, das die Demo von den s. g. „Querdenkern“ angemeldet waren und sich darunter eine große Zahl von Angehörigen rechter Organisationen wie Reichsbürger, AfD und ein sogenannter „Heimatschutz“ befanden, die die aggressive Stimmung kräftig anheizten. Tausende von Bürgern, die sich über die „Corona-Politik“ der Bundesregierung kritisierten, hatten wieder einmal kein Skrupel, sich den rechten faschistischen Hetzorganisationen unterzuordnen und mit ihnen Seite an Seite zu marschieren. Aus den Reihen der „organisierten Querdenker“ gab es erneut gewalttätige Übergriffe gegen Medienvertreter/innen und erneut zeigte sich, dass diese Bewegung die Meinungs-, Presse- und Medien-Freiheit massiv mit Füßen tritt. So gab es wieder gewaltsame Übergriffe gegen Journalisten/innen wie wir sie schon von der Demo in Kassel kennen!
Tausende »Querdenker« und ihre Sympathisanten ziehen unter Polizeischutz durch Stutgarts Straßen. Bild: Jacobi
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Heimatschutz und Deutschlandlied
Dazu passt nahtlos, dass die politische Ausrichtung der Großdemonstration sich immer offener nach rechts bis rechtsradikal entwickelt. Kritisierten wir vor einem Jahr, dass Nazis mitmarschieren, mitorganisieren und als Ordner dienen, so bietet diese Bewegung heute ein unübersehbar rechtes, reaktionäres und nationalistisches Erscheinungsbild. Heimat ist ein politischer Kernbegriff, eine Kampfparole der Rechten und offenen Faschisten: Der sogenannte „Thüringer Heimatschutz“ (THS) zum Beispiel war einer der Wegbereiter der NSU-Terroristen. Die sog. „Heimattreue Jugend“ gab sich so offensichtlich faschistisch, dass sogar der damalige Innenminister Schäuble sie 2009 verbot. Auch deren Funktionäre verübten mit Freude tätliche Angriffe auf Journalisten.
„Heimatschutz statt Mundschutz“ diese Parole dokomentiert eindeutig den rechts-faschistischen Charakter der Demonstration. Bild: Arbeit Zukunft
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Große Deutschlandfahnen, wohin man blickte, das Absingen des Deutschlandliedes und die verlogene Verkürzung der, im Grundgesetz zugestandenen, Grundrechte bestimmt die Stimmung der Teilnehmenden.
„Die Presse- und Meinungsfreiheit anzugreifen, war stets ein Kennzeichen rechter und faschistoider Bewegungen. Der Ober-Querdenker Michael Ballweg unterstellt Journalist/innen, die nicht das schreiben, was er sich denkt, die ihre kritische Sicht und Meinung frei äußern, dass sie Zensur ausüben würden. Die Querdenker vertuschen, dass das Zensurverbot nur für Staatsorgane gilt (Art. 1(3) GG) während der Presse der Schutz vor staatlicher Zensur zugestanden wird. Längst ist der Angriff auf die Medien kein theoretisches Problem. Durch Demonstranten, die – wie in Stuttgart nachgewiesen – Steine auf Medienschaffende werfen oder einem Journalisten während der Demo ins Gesicht schlagen, findet die Feindschaft gegenüber kritischen Medien längst praktische Vollstrecker.“, so Arbeit Zukunft online vom 6. April 2021.
Abschlußkundgebung, Bild: Arbeit Zukunft
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Was unternahm die Stadt Stuttgart?
„Die Latte für ein Versammlungsverbot hängt sehr hoch„, heuchelt der zuständige Stuttgarter Ordnungs- und Sicherheitsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler) im Interview mit der Stuttgarter Zeitung vom 1. April 2021. Angeblich könne die Landeshauptstadt „rechtlich nichts gegen diese Versammlung unternehmen und habe nur die Möglichkeit, über Auflagen zu arbeiten.“ Sollten diese aber, – so Maier, an gleicher Stelle – nicht beachtet werden, werde die Versammlung aufgelöst. Die Praxis beweist das Gegenteil, so das man diese Aussage nur als verlogen bezeichnen kann. Maier hätte jede Menge Nichtbeachtung der Auflagen gesehen und konnte daraufhin zur Tat schreiten. Tat er aber nicht! hier geht es weiter »
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Polizei schuldlos und schiebt alles auf die Stadt
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg, Ralf Kusterer, hat die Vorwürfe zurückgewiesen, (wieso rechtfertigt sich eigentlich immer die „PolizeiGEWERKSCHAFT“ statt der Polizeisprecher?) die Polizei habe bei den „Querdenken“-Demonstrationen mit den Veranstaltern sympathisiert. Auch aus den Reihen der Beamten habe es angeblich Kritik an der Veranstaltung gegeben. Die Polizei, habe „unter diesen Bedingungen sogar einen sehr guten Job in Stuttgart gemacht“, behauptete Kusterer.
Hört hier ein Interview, das der SWR mit führte.
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Maskentragende Demonstarnten nicht erwünscht
Genossen von Arbeit Zukunft, die bei dem rechten Spektakel anwesend waren, berichteten weiter: „Demo-Ordner, die die städtischen Auflagen, Masken zu tragen und Mindestabstände zu wahren, durchzusetzen hätten, waren selbst flächendeckend ohne Masken unterwegs. Maskentragende Menschen wurden aus der Demo heraus angepöbelt, sie „verhielten sich wie Sklaven“.
»Spiegel-online« schrieb: „Auf die Frage, ob Menschen auf dem Weg zur zentralen Kundgebung in Stuttgart-Bad Cannstatt Masken trugen, antwortete der Stuttgarter Polizeisprecher Stefan Keilbach: ‚Ich sehe hier 20 Leute mit Masken, und das sind Polizisten‘.“
Die Versammlungsbehörde war die Stadt Stuttgart und damit ein gewisser Herr Maier für die Auflösung der Demo zuständig. Der tat aber nichts, sondern ließ die Querdenker in allen Handlungen gewähren. Er erteilte keine entsprechende Anweisung an die Polizei, die stattdessen über ihre Mega-Lautsprecher die Demonstranten auf der Cannstatter Straße mit freundlichen Hinweisen beschallte, doch bitte Abstand zu halten und Masken zu tragen, während 300 Meter weiter ein Waiblinger Journalist ins Gesicht geschlagen wurde.
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„Sündenbock die Presse“
Bei der Demo in Stuttgart sind nach Angaben des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) mehrere Journalisten/-innen angegriffen worden. Der SWR beispielsweise berichtete online, dass ein ARD-Fernsehteam auf dem Cannstatter Wasen bedrängt worden sei und ein Live-Schaltgespräch zum Sender Tagesschau24 unterbrochen werden musste. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall erklärte, wieder einmal hätten die Querdenker keine Hemmungen gehabt, Berichterstatter als Ziel ihrer Wut anzugreifen. „Wütend macht mich die offensichtliche Untätigkeit der Polizeibeamten, die nichts für den Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen unternehmen.“ Der Verband wolle wissen, warum Journalisten nicht ausreichend geschützt werden. „Was muss eigentlich noch passieren, bis die Sicherheitskräfte erkennen, dass Journalisten nicht ausreichend geschützt werden. „Was muss eigentlich noch passieren, bis die Sicherheitskräfte erkennen, dass Journalistinnen und Journalisten in Deutschland nicht mehr frei berichten können?“ fragte überall.
Ergänzend in Auszügen ein Bericht der Genosssen/innen von Arbeit Zukunft über die Behinderung der Gegendemonstranten.
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Links geht immer!
Stuttgarter Antifaschist/innen stellten sich der Querdenken-Demo frühzeitig auf der Hauptstätter Straße nahe dem Hauptstartpunkt Marienplatz mit Fahrrädern in den Weg, legten teilweise ihre Fahrräder auf die Straße und blockierten den Demoweg. Sie unternahmen etwas gegen Auflagenmissachtung und gegen rechte Hetze, wo Stadt und Polizei allem freien Lauf ließen! Sie trugen Masken, hielten sich an die Regeln, nur nicht an die deutsche Regel, radikale Rechte frei gewähren zu lassen. Die Polizei ging gegen sie gewaltsam vor und räumte die Blockade.
Stuttgart 3. April 2021. Polizei versperrt den gegendemonstranten den Weg und schützt so die Querdenkerdemo. Bild: CS – Quelle: »Olegspic«
„Die (gemeint sind die Gegendemonstranten Anm. d. Red.) standen teilweise vermummt“ (Maskengebot?) „mit Fahrrädern oder saßen auf der Bundesstraße 14 und sind auch jetzt noch vor Ort„, sagte ein Polizeisprecher. (…) „Die Polizei werde sie zur Not wegtragen müssen, die Straße müsse freigeräumt werden.“ (Zitat Spiegel-Online).
…Ach?! Die Straße „muss freigeräumt werden“? Für wen? Für die Querdenker, obwohl alle von der Behörde genannten Auflagen von Anfang an gebrochen wurden, obwohl der von Bürgermeister Maier genannte Fall für die Auflösung der Querdenker-Demo längst eingetreten war? Entlarvender geht es kaum. Diese Querdenker-Sause erfreute sich offensichtlich bester Förderung! Ein Leser Kommentar auf „Spiegel-Online“ zur unfasslichen Untätigkeit der Polizei gegenüber den Querdenkern bringt es ironisch auf den Punkt: „Die Polizei konnte ja nichts tun, die mussten doch die Antifa abräumen!“ (…).
Stuttgart 3. April 2021. Die Stasse wird freigeräumt. Anicht von Querdenkern, sondern von Gegendemonstranten und ihren Fahrrädern. Bild: CS – Quelle: »Olegspic«
Was tun wir Linken?
Die rechte Querdenkerbewegung ist ein sozialer Fakt, den wir nicht übergehen können. Was Linke, Antifaschist/innen, Kommunist/innen zur Krise bislang an Kritik und Initiative vorzubringen wussten und wissen, reicht nicht! Unter den Demonstranten, die sich den Querdenkern angeschlossen haben, sind zahlreiche Arbeiter/innen, Angestellte und viele der durch Merkels katastrophales Krisenmanagement vom Ruin bedroht oder bereits ruinierte Kleingewerbetreibende sind. Auch Bauern schienen dabei gewesen zu sein, denn ein riesiger Ackerschlepper mit Anhänger fuhr auf der Demo mit. Am Heck des Wagens war ein Transparent, das aufrief, es den gewaltsamen Übergriffen in Kassel gleichzutun: „Kassel wacht auf!“ Wir müssen uns klar machen: Es marschieren 15.000 Leute problemlos mit ausgewiesenen Rechten und anderen Anlässen und an anderen Orten waren es noch mehr!
…Wir linken müssen die soziale Basis erfassen und ansprechen. Das geschieht offensichtlich nicht oder nicht genug. Eine solche Bewegung ist ein sozialer Fakt, den wir nicht übergehen können. Unsere Botschaften, Gegendemonstrationen, die Berichterstattung in RoterMorgen und vielen anderen linken Blogs und Zeitungen erreicht diese Menschen eindeutig nicht! Die Bewegung wir zunehmend aggressiver und das nicht nur gegen die herrschende Klasse und ihre Büttel in den Parlamenten, sondern auch gegen uns, die ja durchaus Verständnis für die Ursachen der Proteste haben, aber den Weg und die Zielsetzung auch mit Blick auf die deutsche Geschichte verurteilen.
…Die auf Querdenker-Demos skandierte Parole „Freiheit, – keine Diktatur!“ ist angesichts der völligen Freiheit dieser zunehmend aggressiven Bewegung reine, gezielte Demagogie! Da offensichtlich der Staat ihnen völlige Freiheit lässt, kann eigentlich nur die „Diktatur“ derjenigen gemeint sein, die immer noch gegen die Querdenker auftreten. Solche Typen wie Michael Ballweg mit ihrer offensichtlichen Forderung haben es aber leicht, das herauszuposaunen, was bei Kommunisten zu Verbotsanträgen und ständiger polizeilicher Repression führt: Eine auf revolutionär getrimmte Rhetorik („Merkel in den Knast!“) und aufständische Sprüche von großer Bühne in die Menge zu rufen. Speziell der clevere Herr Ballweg gibt sich dabei immer freundlich, immer ruhig, immer lächelnd, friedlich, liebevoll (echt!) etc.
Und noch einmal ein Zitat und Aufruf aus »Arbeit Zukunft« weils den Nagel auf den Kopf trifft:
„Diese Rechten bedienen geschickt die täglich anwachsende soziale Wut angesichts der sich zuspitzenden Krise – nicht etwa bzw. nicht nur wegen Covid19 – nein, wegen der sich immer weiter zuspitzenden Krisen des Kapitals und des Kapitalismus. Mit ihrer Hetze gegen Merkel und Co, bei der ja durchaus zutreffende Missstände benannt werden, mit der Verteufelung eines „symbolischen Großkapitalisten“ wie Bill Gates (dem real ja gar nichts getan wird!), wobei auch altbekannte, berüchtigte judenfeindliche Stereotypen bedient werden (Judensterne mit Aufschrift „“Impfgegner“ waren wieder zu sehen!), werden Kritik und die Wut über den realen Kapitalismus abgelenkt und unwirksam gemacht. Weg mit der Kritik an der sozialen Verwüstung durch den Kapitalismus, an seinen Verbrechen gegenüber den arbeitenden Menschen gegenüber den kolonisierten Ländern gegenüber der Umwelt. „Wir stehen hier wegen allem, was Scheiße läuft“, sagt ein Arbeiter, begleitet von seiner Familie, am Samstag auf dem Wasen. Das fasst es wohl gut zusammen!
…Hier braucht es lebendige Aufklärungsarbeit: Warum sind wir gegen Schwarz-Rot-Gold, gegen Nationalismus und Reaktion? Was hat das alles mit Rassismus und Faschismus zu tun? Warum werden nicht statt eines zum „Gott-sei-bei-uns“ stilisierten Gates der ganze Kapitalismus, das ganze Kapital, die ganze Klasse der Daimler-, VW-, Porsche-, BMW-, Stahl-und-Eisen- Bosse, Deutsche-Bank-Vorstände, Börsenspekulanten, kurz warum wird nicht das ganz reale Kapital angegriffen, warum sind wir gegen Gates-Hetze, obwohl wir für dessen Enteignung wie für die Enteignung des gesamten Großkapitals sind!
Vorschlag:
So wie sich die Dinge entwickeln, entwickeln sie sich gerade für die Linke in der Gesellschaft in zugespitzter und gefährlicher Weise. Gegen Rechts helfen der Linken, den Antifaschisten/-innen, vor allem aber den Kommunisten/-innen nur Einheit und gemeinsame Aktion, gemeinsame Mobilisierung! Wo finden wir das?
„Machen wir halt mal am Tag X mal ’ne Aktion!'“ – bis dahin macht jeder wie er will, jeder anders, bis dahin wird in nur zu bekannter Weise gegen Aktions-Partner/innen gestänkert und intrigiert, – so kann es nichts werden. Das sind Gepflogenheiten, die eines Tages tödlich sind – politisch tödlich wie auch im Wortsinne. Guantanamo-Käfige gibt es nicht nur auf Kuba!
…Dazu muss miteinander gesprochen und diskutiert, müssen praktisch durchführbare Lösungen gefunden und beschlossen werden. Wir brauchen gegen Rechts ein einigermaßen geeintes Auftreten, gemeinsame Aktionen.
Die Ostermärsche 2021 waren wichtig!
Auf diesem Weg gibt es durchaus Fortschritte. Das soll hier nicht übergangen werden. Das Auftreten der Linken beim Ostermarsch z. B. in Stuttgart – nahezu zur gleichen Zeit – war gut und richtig. Viele Kräfte standen gemeinsam gegen Krieg, Militarisierung – und gegen Rechts! Vor allem wurde der deutsche Imperialismus direkt angegriffen. (…)
Hier zeigt sich, dass die Querdenker zwar heuchlerisch „Frieden“ skandieren, aber diesen wichtigen Kampf für Frieden boykottieren – genauso wie sie den Kampf gegen das eigene Kapital gegen den deutschen Imperialismus scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Am Ostersamstag gab es mit dem Ostermarsch direkt die positive Alternative! Die Querdenker halten davon nichts! (…).
In Stuttgart könnte das Krisenbündnis die Sache in die Hand nehmen, aber ohne Ausschlüsse, ohne jede Vorbedingung außer: antifaschistische Grundlage, Wille zu Gemeinsamkeit und Einheit. Verbindungen in die Gewerkschaften hinein müssten genutzt werden, um auch hier möglichst breite Unterstützung zu mobilisieren.
…Ohne sichtbare Gegenkraft läuft die Rechte uns noch mehr als bisher schon den Rang ab!
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„Ohne sichtbare Gegenkraft läuft die Rechte uns noch mehr als bisher schon den Rang ab!“ Lasst uns diese Botschaft ernst nehmen. RoterMorgen wird alle gemeinsamen Aktivitäten unterstützen und seine ganze Kraft und Möglichkeiten einem einheitlichen Handeln widmen.
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Deshalb fordern wir:
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Erstveröffentlichung am 8. April 2021 in »ROTER MORGEN.eu.«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber.
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