Der syrische Angriff auf türkische Streitkräfte sei eine „Verletzung“ des russisch-türkischen Waffenstillstandsabkommens in Idlib, sagte Erdogan weiter, und er warnte davor, „dass es Konsequenzen für das Regime haben werde“.
Der türkische Präsident tadelte Moskau, den Verbündeten von Al-Assad, dafür, dass sie „ihre Verantwortung nicht wahrnehmen“. Inzwischen hat Ankara seine Aussage relativiert, um die Spannungen mit Russland nicht zu verschärfen.
„Im Moment besteht keine Notwendigkeit, einen Streit oder einen größeren Konflikt mit Russland zu beginnen. Wir haben mehrere strategische Initiativen“, sagte Erdogan und bezog sich auf die russisch-türkischen Beziehungen in verschiedenen Bereichen, von Energie über Tourismus bis hin zur Verteidigung.
Da Russland ein Verbündeter von Präsident Bashar Al-Assad ist, begibt sich Erdogan hier auf dünnem Eis, auch wenn er betont, dass die Aggression von Damaskus ausgeht. Russland und die Türkei unterstützen gegnerische Parteien in dem Konflikt, der Syrien seit 2011 heimgesucht hat. Dabei ist die Strategie der Türkei eher unklar für den Außenstehenden. Erdogan verfolgt seine expansionistische Politik mit dem Ziel einer Kontrolle der in ganz Nordsyrien und im „Mosulgebiet“ im Norden des Irak (seit 1926 an den Irak abgetreten).
Die umkämpfte Region ging nach dem 1. Weltkrieg 1918 – bis dahin Teil des Osmanischen Reiches, Kriegsverlierer auf Seiten der Mittelmächte – als Völkerbundsmandate an Frankreich (Syrien, Libanon, Latakia) und Großbritannien (Irak, Jordanien, Palästina). Nach dem „Befreiungskrieg“ gegen Griechen, Entente Truppen und den neugegründeten Staat Armenien (dessen Genozid in der Türkei bis heute leugnet wird), durch Mustafa Kemal Pascha, alias „Atatürk“ wurde die moderne Türkei begründet, die sämtliche Autonomiebewegungen der Kurden schon im Keim zu ersticken sucht. Die Erdölfelder des Mosulgebiets im Nordirak wurden 1926 den Irakern zugesprochen. Diese Beschlüsse, die das Reich der Osmanen dem Sultan Mehmed VI. Vahdettin wegnahmen und über sechs Jahrhunderte türkischer Dominanz in der Region beendeten, werden jetzt von Präsident Erdogan in Frage gestellt.
Ankara stellt sich daher gegen eine groß angelegte Offensive der syrischen Regierungstruppen in Idlib. Offiziell geht es dem „neuen Sultan“ darum, eine neue Flüchtlingswelle in die Türkei zu verhindern, in der bereits mehr als 3,6 Millionen Syrer ihr leben fristen. Diese Flüchtlinge werden von „Erdowahn“ immer wieder als Druckmittel missbraucht, um die EU zu erpressen, oder um Geld für die Flüchtlingslager aus Brüsseler Kassen zu quetschen, dass dann größerenteils in dunklen Kanälen verschwindet.
Kein „Krieg mit Russland“ ist jetzt die Devise, die Erdogan anscheinend zu beherzigen versucht. Aber wie lange kann das noch gut gehen? Syrien hat die „Rückgewinnung der Kontrolle über ganz Syrien“ zum Ziel. Das „beißt sich“ mit den Zielen der USA, der Kurden, der Rebellen (von gemäßigt bis radikal islamistisch) und schließlich auch der Türken! Wie Russland reagiert, wenn NATO-Mitglied Türkei neben den Syrern auch russische Soldaten tötet oder verletzt. Hier spielen unverantwortliche Profit-und Herrschaftsinteressen, wie die von Erdogan die Geige. Bleibt zu hoffen, dass die Menschei in aller Welt ihren Regierungen das Führen von imperialistischen Kriegen verbieten.
Changing frontlines of the Turkish offensive in Rojava, 2019 – Nate Hooper -wikimedia CC BY-SA 4.0
Erstveröffentlichung ham 16 Februar 2020 in unserer Partnerzeitung INFO-WELT.
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Anhang der Red. AmericanRebel
Hintergrundwissen:
– Afrin Newsticker – HPG veröffentlichen Bilanz zu Militäroperation am Cûdî
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