Felix Feistel

Wir werden verkohlt!

Braunkohle befeuert nicht nur den Klimawandel — sie macht Menschen krank.
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Felix Feistel

Das Thema Braunkohle findet heutzutage mehr Beachtung, als es noch vor einem Jahr denkbar gewesen wäre. Zu Recht wird ihr Effekt auf den Klimawandel kritisiert, doch haben ihr Abbau sowie ihre Verbrennung auch Auswirkungen auf die Menschen selbst. Wie Braunkohle und Klimawandel mit der Gesundheit der Menschen zusammenhängen, erklärt Stephanie Sebastiampillai im Interview. Die Medizinstudentin engagiert sich bei den Kritischen MedizinerInnen Deutschland, einer bundesweit in Lokalgruppen aktiven Hochschulgruppe, die sich kritisch mit Themen der Medizin auseinandersetzt.

Felix Feistel: Wir haben uns bei einer Demonstration am Hambacher Forst kennen gelernt. Du warst dort mit einem ganz bestimmten Anliegen und in einer bestimmten Funktion. Erzähle doch einmal, in welcher Funktion und mit welchem Anliegen du auf der Kundgebung deine Rede gehalten hast.

Stephanie Sebastiampillai: Ich bin Medizinstudentin und Teil der Aktionsgruppe „Gesundes Klima“. Wir sind Menschen aus dem Gesundheitssektor, die für den Klimaschutz kämpfen, weil die Klimakrise die größte Gefahr für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert darstellt. Es geht bei der Bekämpfung von Emissionen schon lange nicht „nur“ um aussterbende Eisbären, sondern auch um eine tödliche Gefahr für die gesamte Menschheit — überall auf der Welt. Das Ausmaß, welches diese Klimakrise auf unsere Gesundheit hat, ist vielen nicht bekannt — doch die Auswirkungen davon sind schon zu spüren.

Foto: Siberia Video and Photo/Shutterstock.com

Die Themen der Aktionsgruppe Gesundes Klima der Kritischen Medizinerinnen Deutschland sind, wie der Name schon andeutet, die Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen. Bei deiner Rede hast du dich auf die Folgen von Braunkohle für die Gesundheit der Menschen konzentriert. Welche sind diese Folgen?

Braunkohle gilt schon lange als die dreckigste und gesundheitsschädlichste Energiequelle, die es gibt. Die direkten Folgen der Braunkohleverstromung sind durch die Luftverschmutzung spürbar. Bei dem Abbau und der Verbrennung von Kohle entsteht Feinstaub, der bestehende Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen, wie Schlaganfälle, Herzinfarkte, Asthma und Lungenkrebs verstärken beziehungsweise diese sogar auslösen kann. So sind mehr als ein Drittel, etwa 36 Prozent, aller Lungenkrebsdiagnosen auf die Luftverschmutzung zurückzuführen. Vor allem Kinder und alte Menschen sind davon betroffen.

Dafür muss man nicht mal neben einem Tagebau wohnen — diese Feinstäube sind noch in einem Radius von 1000 Kilometern um die Braunkohleabbaustätten nachgewiesen worden. Bereits eine kurze Exposition reicht schon aus, um eine Betroffenheit festzustellen, dauerhaftes Einatmen führt sogar zu einer deutlichen Verminderung der Lebenserwartung. Neben dem Feinstaub werden bei der Verbrennung auch Schwermetalle und Quecksilber frei und gelangen in Boden und Meere. Über unsere Nahrung reichern sie sich in unserem Körper an und führen so nachweislich zu chronischen Vergiftungen oder der Zerstörung von Gehirnzellen, vor allem bei Kindern. Das Schlimmste finde ich persönlich jedoch, dass diese ganzen Prozesse sogar Ungeborenen schaden. Die Feinstäube passieren die Plazentaschranke und sorgen unter anderem für ein vermindertes Geburtengewicht und zu einer vermehrten Häufigkeit von Asthma.
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Welche anderen Folgen hat der Klimawandel, abgesehen von der Braunkohle, auf die Gesundheit der Menschen?

Die Braunkohleverstromung setzt immense Mengen von Treibhausgasen frei und befeuert so den Klimawandel: 75 Prozent der CO2-Emissionen im europäischen Stromsektor gehen auf das Konto von Kohle, wobei sie für nur 25 Prozent des gesamten Stroms sorgt.

Wie wir im Sommer dieses Jahres gemerkt haben, sind die Extremwetterereignisse, die dadurch ausgelöst werden, auch in Deutschland zu spüren gewesen. Dürren, Hitzewellen, Stürme und Fluten führen zu verheerenden Folgen für die körperliche und mentale Gesundheit. Am Beispiel der Dürren kann man sich das gut vor Augen führen: Sie machen nicht nur der deutschen Agrarwirtschaft zu schaffen, sondern sorgen weltweit für Hungersnöte und Trinkwasserknappheit. Der Klimawandel kennt keine Grenzen und wird jeden betreffen, egal in welchem Teil der Welt, ob arm oder reich, jung oder alt.

Die Menschen aus dem globalen Süden trifft es jedoch am härtesten: Es gibt heute mehr Flüchtende aufgrund des Klimas, als wegen Kriegen und Konflikten. 99 Prozent aller Todesfälle aufgrund des Klimawandels sind in Ländern des globalen Südens verzeichnet. Denn wir Menschen aus den Industrienationen können klimatische Veränderungen besser kompensieren als diese Menschen, weil wir die Ressourcen haben, um dagegen anzukämpfen. Aber auch wir kommen an unsere Grenzen — Wasser, Nahrung und ein Dach über dem Kopf zu haben, ist für uns selbstverständlich. Doch letzten Sommer haben auch wir den Klimawandel zu spüren bekommen: Dürren haben auch deutschen Bauern stark zugesetzt, Waldbrände ausgelöst und bringen auch unsere Körper an den Rand der Belastbarkeit: 2003 forderte die große Hitzewelle 70.000 Tote in Europa, vor allem waren wieder alte Menschen und Kinder betroffen.

Außerdem nehmen Krankheiten übertragende Mücken aufgrund der steigenden Temperaturen immer mehr Regionen für sich ein. So sind zum Beispiel in den letzten Jahren in Deutschland, Portugal und Kroatien wieder erste Fälle von Dengue-Fieber verzeichnet worden. Dürre ist nur ein Aspekt von den vielen, die der Klimawandel hat, aber schon allein daran kann man gut abzeichnen, wie verheerend sich der Klimawandel auf unsere Gesundheit auswirkt.

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Was müsste getan werden, um diese Folgen zu vermeiden? Was fordert ihr als AG?

Es ist absurd, dass wir trotz des Wissens um diese negativen Folgen der Kohle auf den Menschen und die Natur weiter Braunkohle-Strom beziehen und sogar mit unseren Steuergeldern subventionieren. Jährlich werden fossile Energieträger mit 4,5 Milliarden Euro von dem deutschen Staat unterstützt — die Folgen für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und die Umwelt fordern aber noch mehr versteckte Kosten: Jährlich entstehen so 35 Milliarden Euro Kosten für das Gesundheitssystem, weitere 26 Milliarden entstehen als Umweltkosten, die die Steuerzahler zu tragen haben. Wir fordern den schnellstmöglichen, sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohle und die Einhaltung der Klimaziele aus dem Pariser Abkommen.
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Wie realistisch sind diese Forderungen?

Mehr als realistisch, denn die Zielsetzung und der Zeitrahmen sind schon großzügig und realisierbar gesetzt, andere Länder wie England und Kanada machen es vor. Die internationale Gesellschaft weiß spätestens seit den 1980iger Jahren, dass der menschengemachte Klimawandel eines der größten Gefahren für die Menschheit im 21. Jahrhundert darstellen wird, Ende der 1990iger Jahre wurde das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und nach Paris wurde die Klimaschutzpolitik groß angesagt und vorgespielt. Jetzt ist es jedoch schon so weit gekommen, dass die GroKo nicht mal mehr vorspielt, dass sie sich für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und die Unversehrtheit ihrer Umwelt einsetzt, sondern sie spielt weiter der Industrielobby zu, statt aktiv zu werden.
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Verdient ihr als Mediziner nicht auch an den Krankheiten, die der Klimawandel auslöst? Was ist also deine oder eure Motivation, euch gegen die Folgen zu wehren?

Ärztinnen und Ärzte legen das Genfer Gelöbnis ab, welches besagt, dass die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Patientinnen ihr oberstes Anliegen sein wird. Demnach ist es die Pflicht von ärztlichem und anderem medizinischem Personal, die Gefahren für die Gesundheit der Menschen aufzuzeigen und Aktionen dagegen einzufordern. Die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitssystems agiert jedoch immer weiter gegen diese Maxime — Patientinnen werden zu Kapital, das Krankenhaus zur Fabrik, aus Krankheiten werden Profite.

Als Kritische Medizinerinnen kämpfen wir gegen die Ökonomisierung und die weitere Privatisierung des Gesundheitssystems an. Unser momentanes ökonomisches System bedroht somit nicht nur indirekt durch die Befeuerung des Klimawandels unsere Gesundheit, sondern auch direkt durch die Kommerzialisierung unseres Gesundheitssystems.
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Erhaltet ihr bei eurer Arbeit auch Gegenwind, vielleicht sogar aus den Reihen von Medizinern?

Im Gegenteil: Viele Kolleginnen und Kollegen sehen durch unsere Arbeit das Ausmaß der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und sind sehr interessiert an dem Thema. Es hat sich nun auch eine Allianz für Klimawandel & Gesundheit (KLUG) in Deutschland gebildet, an deren Gründung wir beteiligt waren, sehr ähnlich zu Verbänden aus anderen Ländern wie CAPE (Canadian Association of Physicians for the Environment) oder die UK Health Alliance on Climate Change.
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Was würdest du jemandem sagen, der die Existenz eines menschengemachten Klimawandels leugnet?

Das Klima ist ein schwer messbares Phänomen, keiner kann zu 100 Prozent vorhersagen, was geschehen wird. Einige Fakten sind jedoch unbestreitbar: Das Klima der Erde war schon immer im Wandel, jedoch noch nie in einer solchen Schnelligkeit. Von allen Prognosen, die von Klimaforscherinnen in den1990iger Jahren für unsere Zeit gemacht wurden, haben sich die worst-case-Szenarien nun bewahrheitet. Wenn wir so weitermachen und uns nicht trauen, große Schritte und neue Wege zu wagen, werden wir einen der sogenannten tipping points erreichen, die unser Klima schlagartig verändern werden, wie zum Beispiel das Schmelzen der Polkappen.

Dadurch dass das Sonnenlicht durch sie nicht reflektiert wird, könnte es sehr plötzlich zu einer rapiden Erwärmung von bis zu 1 Grad Celsius führen. Um dies zu vermeiden, ist ein grundlegendes Umdenken nötig, weil konsequenter Klimaschutz alle unsere Lebensbereiche berührt: Von unserem Essen, unserem Wohnen, unserer Mobilität, unserer Arbeit, unserem Reisen bis zu der Kleidung, die wir tragen. Das macht vielen Menschen Angst, auf Dinge verzichten zu müssen, an die sie sich schon lange gewöhnt haben wie zum Beispiel das Auto. Aber wenn wir unsere Anstrengungen darauf richten, kluge Lösungen zu finden, wird nicht nur das Klima geschützt, sondern auch wir selbst und unsere Gesundheit. Wer möchte das nicht für sich und seine Kinder?


Über den Autor: Felix Feistel, Jahrgang 1992, schreibt in vielfältiger Weise über die Idiotie dieser Welt und auch gegen diese an. In einer auf Zahlen und Daten reduzierten Welt, die ihm schon immer fremd war, sucht er nach Menschlichkeit und der Bedeutung des Lebens. Er versucht, seine Kräfte und Talente für die Gestaltung einer lebenswerten Welt einzusetzen, indem er sich gegen Ungerechtigkeit und Zerstörung wendet. Trotz des überall grassierenden Wahnsinns ist er nicht bereit, den Glauben an das Gute im Menschen und sein Potenzial, den Planeten in ein Paradies zu verwandeln, aufzugeben. Er ist Mitglied der Rubikon-Jugendredaktion und schreibt für die Kolumne „Junge Federn“.
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Dieser Artikel erschien vor Kurzem auch auf www.Rubicon. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.

Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.
Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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