Frank Burkhard
Neues von Brecht
Auch nach dem 120. Geburtstag von Bertolt Brecht im Februar brechtet es zum Glück weiter – mit Neuem oder zu Unrecht Vergessenem.
Dazu gehört das Fernsehspiel „Die Bestie“, das im DFF zu Brechts 90. Geburtstag produziert worden war. Fernsehspiel ist ein Genre, das als ausgestorben gelten kann, wobei doch viele Alltagsthemen wie auch literarische Adaptionen von erstklassigen Künstlern einst auf die Bildschirme kamen. Umso verdienstvoller, dass sich die Reihe DDR-TV-Archiv auch dieser Produktionen annimmt.
„Die Bestie“ (1928) gilt als eine der brillantesten Kurzerzählungen Brechts. Er griff eine bekannte Anekdote von Dreharbeiten für einen sowjetischen Revolutionsfilm auf (damals noch in der Stummfilmzeit), in der der berühmte (fiktive) Schauspieler Kochalow den verhassten und menschenverachtenden Gouverneur Muratow spielt. Als die Arbeiten wegen künstlerischer Bedenken ins Stocken geraten, taucht ein abgewracktes Individuum auf, das sich anbietet, den Charakter dieses Mannes mit Details anzureichern. Das bringt neuen Schwung in die Sache und das Individuum, bei dem es sich um den unerkannten echten Muratow handelt, verschwindet auf der Straße.
Das Szenarium schrieb der im vergangenen Jahr verstorbene Brecht-Kenner Werner Hecht, und Brechts Schwiegersohn Ekkehard Schall sah darin zu Recht die Möglichkeit, eine frappierende Doppelrolle zu spielen. Er steht ausdrucksstark im Mittelpunkt des Fernsehspiels – in einem ausgezeichneten Ensemble (tatsächlich wurde die Produktion auf einem bulgarischen Fernsehfestival preisgekrönt), zu dem unter anderem Jaecki Schwarz, Martin Seifert, Wilfried Pucher und der auch als Blättchen-Autor bekannte F.-B. Habel gehörten. Inszeniert hatte das Fernsehspiel unter Mitarbeit von Margot Thyret (auf dem DVD-Cover fälschlich Marion genannt) der chilenische Emigrant Alejandro Quintana, der bis heute ein anerkannter Künstler an deutschen Bühnen ist.
Das Erscheinungsjahr 1928 der heute zu Unrecht vergessenen Brecht-Erzählung war zugleich das Uraufführungsjahr des bis heute größten internationalen Erfolgsstücks von Brecht und Kurt Weill, der „Dreigroschenoper“, am Berliner Schiffbauerdammtheater, ein Stück, das förmlich nach einer Verfilmung schrie. Doch Brechts künstlerische Vorstellungen wurden nie erreicht. (Das betrifft auch die bis heute jüngste deutsche Adaption, die Wolfgang Staudte 1963 mit Curd Jürgens, Hildegard Knef, Hilde Hildebrand und Sammy Davis jr. realisierte.)
In Co-Produktion mit Belgien hat jetzt Regisseur Joachim A. Lang gewagt, Szenen aus der „Dreigroschenoper“ mit der komplizierten Geschichte eines Films zu verknüpfen, den Brecht in der frühesten Tonfilmzeit zu seinem Stück konzipiert hatte. Lang, der durch große, vielfach ausgezeichnete TV-Essays über den Nazi-Film „Jud Süß“ und dessen Protagonisten Heinrich George großes Renommee hat, ist durch viele andere Arbeiten auch ein ausgewiesener Brecht-Kenner. Für seinen Film verwendete er durch Briefe und andere Äußerungen nachgewiesene Originalzitate von Brecht, die den Filmdialogen viel Esprit geben. Auch die Äußerungen der anderen historischen Personen (so Kurt Weill, Lotte Lenya, Helene Weigel, Seymour Nebenzahl) sollen verbürgt sein. Verwoben hat Lang das Ganze mit den bekanntesten Songs aus dem Stück in einer durchaus nicht störende Zweiteilung mit zwei Hauptdarstellern: Lars Eidinger als Brecht und Tobias Moretti als Mackie Messer. Beide nehmen sich an Ausstrahlung nichts. Hinzu kommen unter anderem die ihnen ebenbürtigen Joachim Król und Claudia Michelsen (Ehepaar Peachum), Robert Stadlober (Weill) und Christian Redl (Tiger-Brown). Grenzwertig ist Hannah Herzsprung als zarte Polly, die inzwischen eine matronenhafte Ausstrahlung hat. Gewöhnungsbedürftig sind auch die zu stark am Musical orientierten Balletteinlagen. Doch das sollte nicht davon abhalten, sich den fabelhaft ausgestatteten und auch in Maske und Kostüm glaubwürdigen Film anzusehen.
Was allerdings nicht erzählt wird, ist, dass der „Dreigroschenfilm“ 1931 doch entstand – gegen Brechts Protest. Unter G.W. Pabsts Regie mit dem Österreicher Rudolf Forster als Mackie Messer. Der Österreicher Tobias Moretti übertrumpft den!
„Die Bestie“, Fernsehspiel von 1988 auf DVD in der Reihe DDR TV-Archiv, 16,00 Euro.
„Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“, Regie Joachim A. Lang, ab 13. September in den Kinos.
Dieser Artikel erschien vor ein paar Tagen in Das Blättchen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.
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