Harry Popow
Der Hase im „Glück“
Buchtipp: Werner Rügemer: „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts
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Es scheint, des Hasen „Glück“ sei besiegelt. Noch in der Ballade „Der Hase im Rausch“ – u.a. vorgetragen von dem unvergesslichen Schauspieler Eberhard Esche – erkennt Meister Lampe auch im trunkenen Zustand den hungrigen und gierigen Feind, den Löwen. Heutzutage aber weiß dieses Raubtier sich und seine Kumpanen geschickt zu tarnen, andere zu täuschen und auszutricksen. So nahezu unerkannt treiben sie, die mitunter unterwürfigen und speichelleckenden Hasen, in Scharen um die Welt und jagen sie.
Werner Rügemer, Dr. phil., geboren 1941, Publizist, hat – wie andere unzählige Autoren von kritischen Sachbüchern ebenfalls – die Schar der „Löwen“ unter die Lupe genommen. Schließlich möge so manchem Hasen der Weg zum wahren Glück gewiesen werden. Und so hat er es in seinem neuen Sachbuch „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts“ (360 Seiten) auf den Punkt gebracht, was die Welt seit der Finanzkrise von 2007 mehr und mehr erschüttert und jegliche lohnabhängigen „Hasen“ erschauern lässt.
Der „Zauber“ der Verführung: Wie sieht eine Täuschung aus? Der Autor leuchtet sehr genau hinein in den Filz der Finanzwelt. Doch bevor sich der wissbegierige und lesehungrige Leser da hinein begibt, seien vorweg typische Beispiele nicht nur der bekannten Symptome und Motive der Kapitaldiktatur aufgelistet, sondern auch die Methoden der Verflachung von Inhalten und Zusammenhängen, eben der Verblödung der im Banne der westlichen Frohlockungen devot lebenden „Hasen“, der abhängig Beschäftigten.
So haben BlackRock&Co – wir kommen später darauf zurück – hunderttausende der wichtigsten Unternehmer der Realwirtschaft im Griff, schreibt der Autor auf Seite 8. Sie entscheiden über Arbeitsplätze, Arbeits-, Wohn-, Ernährungs- und Umweltverhältnisse, über Produkte, Gewinnverteilung, Armut, Reichtum, Staatsverschuldung. Die Weltkonzerne dringen in die feinsten Poren des Alltagslebens von Milliarden Menschen ein. Sie forschen aus, krempeln um und hängen mit Geheimdiensten zusammen. Auf Seite 13: Im westlichen Kapitalismus wachse der private Gewinn, aber die Arbeits- und Lebensqualität der abhängig Beschäftigten sinke. Die Infrastruktur wie beispielsweise bezahlbare Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser, Fern- und Nahverkehr werden „vernachlässigt, abgeschrumpft, verschlechtert oder privatisiert und verteuert“. Gleichzeitig, so der Autor, wachsen die Ausgaben u.a. für Rüstung, Luxusautos, Luxuswohnungen. Fazit: Es muss vernebelt werden, wie verbrecherisch Konsumenten ausgesaugt, überwacht und vor den Karren der Gewinnmaximierung und wiederholten militärischen Expansionen gespannt werden.
Fallen wir gleich mit der Tür ins Haus: Da bezeichnen (siehe Seite 212) Leiharbeitsvermittler in den USA Arbeitssuchende als „Hasen, die gegenseitig um das nächste Arbeitshäppchen um die Wette rennen“. Zynisch werden sie als Selbständige bezeichnet, „damit der Auftraggeber ihnen keine Beiträge zur Renten-, Arbeitslosigkeits- und Krankenversicherung und keine Krankheits- und Urlaubstage bezahlen muss“. In Wahrheit sind es Tagelöhner.
Ziele und Motive: Sie sind zum Beispiel an zahlreichen Textstellen abzulesen: Die Bank stehe traditionell auf der Seite der Politik der Regierenden; wir haben das Vertrauen der Kunden, wir machen sie glücklich; „Alle Leben haben den gleichen Wert“, den Ärmsten wolle man die Chance geben, ihr Leben zu ändern; bei Amazon-Gründer Jeffrey Bezos heißt es, er wolle die Grenzen der Menschheit sprengen, er sei gegen jede Form verbindlicher Gemeinschaftlichkeit; Google/Alphabet: „Wir wollen die Welt zu einem besseren Ort machen“; Seite 175: Internetkonzerne versprechen die Verbesserung des menschlichen Lebens und der Menschheit, sie spähen dafür die Daten ihrer Kunden aus, Facebook sei ein mächtiges neues Werkzeug, „um mit den Menschen verbunden zu bleiben, die man liebt, um ihre Stimmen hörbar zu machen und um Gemeinschaften und Unternehmen zu bilden“; Seite 180: Facebook als NATO-Instrument; Facebook und Amazon möchten „die lästige Beschäftigung lebendiger, selbständig nachdenkender Menschen überwinden; Seite 197: man propagiere den „rationalen Egoismus“ der Individuen, „die sich gegen alle Vergemeinschaftungen und den Staat wehren müssen … „Sie müssen von Führern mit Führermentalität angeführt werden“; mehr Gewinn und weniger Personal, sagen Unternehmensberater; Seite 224: man propagiere die „offene Gesellschaft“ – Öffnung für westliche Finanzakteure und die NATO, verbunden mit Varianten antidemokratischer Politik.
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