Rui Filipe Gutschmidt
Immer mehr Brasilianer und Venezolaner fliehen vor politischer Instabilität nach Portugal
Immer radikaler werden die politischen Positionen in Südamerika und auch die Wirtschaft leidet unter der Entwicklung hin zu bürgerkriegsähnlichen Bedingungen. Portugal ist eines der Ziele für Brasiliens Auswanderer und auch aus Venezuela kommen seit Jahren immer mehr Rückwanderer in ihre alte Heimat Portugal.
Seit dem die Portugiesen im Jahr 1500 Brasiliens Küsten entdeckten, siedelten sie in dem Land, dass sie nach einer Holzart (Pau Brasil) benannten. Die Zuwanderung in die Kolonie setzte sich über die Jahrhunderte weiter fort und wurde durch Menschen (einschließlich Sklaven) aus aller Welt ergänzt. Mit Venezuelas Ölboom und zunehmender Armut auf Portugals Inselarchipelen Madeira und Azoren, wurde der nördliche Nachbar Brasiliens ebenfalls zum Ziel vieler Inselportugiesen. Diese haben unzählige Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte und andere Sparten im Einzelhandel Venezuelas aufgebaut und bilden somit einen wichtigen Teil der Gesellschaft.
Seit einigen Jahrzehnten hat sich die Tendenz aber umgekehrt und mit verschiedenen Krisen sieht man vor allem junge Menschen, die auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen nach Europa kommen. Wer portugiesischer Abstammung ist oder als Brasilianer in ein Land will, in dem die gleiche Sprache gesprochen wird, der kommt selbstverständlich nach Portugal.
Derzeit nimmt diese Rückwanderung ungeahnte Ausmaße an. Die Krise in Venezuela hat schon Tausende „zurück auf die Insel“ kommen lassen. Aber die Migranten kommen auch vom „Kontinent“ und somit sindauch Rückwanderer aus Venezuela in meiner Nähe. Sie zeichnen ein Bild von Chaos und Gewalt, aber auch von einem gespaltenem Land. Je nach politischer Einstellung wird die Regierung von Nicolas Maduro oder die Opposition, die im Auftrag der USA handelt und Sanktionen gegen das eigene Volk unterstützt.
Von den 400.000 Portugiesen und Portugalstämmigen in Venezuela sind schon mehrere Tausend zurückgekehrt, aber bei Ausbruch eines Bürgerkrieges werden noch viele mehr erwartet. Dabei sind die ärmeren unter ihnen den Weg vieler anderer Venezuelaner in die Nachbarländer in Südamerika gegangen. Unter ihnen ging, aus sprachlichen Gründen, auch eine beachtliche Menge nach Brasilien.
Bolsonaro/Haddad – Brasilien in einem Propagandakrieg der Extremisten
Der Rechtsextreme Jair Bolsonaro bekam am 7. Oktober 46 Prozent gegen 29 Prozent des Kandidaten der PT, Fernando Haddad. Der Kandidat, der sich gegen den Extremismus beider Seiten gestellt hat, Ciro Gomes, bekam nur 12 Prozent der Stimmen. Der Wahlkampf, mit der Verurteilung und Inhaftierung wegen Korruption und Machtmissbrauch des eigentlichen Kandidaten der Arbeiterpartei (PT), Ex-Präsident Lula da Silva und einer Messerattacke auf den Kandidaten der Rechtsextremen PSL, spitzte sich der Wahlkampf zu und der Extremismus der beiden Seiten führte immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstösse.
Es geht ein tiefer Riss durch die Gesellschaft und nach dem zweiten Wahlgang sind weitere Gewalttaten ein höchstwahrscheinliches Szenario. Beide Seiten warnen ja auch jeweils vor einem Sieg der anderen Seite, schüren dadurch die Angst und als Konsequenz daraus die Gewaltbereitschaft. Das bringt immer mehr Brasilianer dazu das Land zu verlassen.
Seit Jahrzehnten schon kommen Brasilianer auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen nach Portugal. Aber das ist nicht der einzige Grund für die Zunahme der Migration nach Portugal. Die Kriminalität, nicht mit Europa vergleichbare Gewalt, bei der ein Menschenleben nichts Wert ist und man für ein paar Cruzados tötet, brachte viele Menschen dazu ihre Heimat zu verlassen. Korruption und eine enorme Ungleichheit zwischen arm und reich sorgen für eine Subkultur der Gewalt in den Favelas. Die Banden beherrschen „ihr Territorium“ und sind dort auch „Polizei, Staatsanwalt und (Scharf)Richter“ in einem.
Die politische Instabilität der letzten Wichen und Monate, eine drohende Auseinandersetzung auf der Straße nach der Wahl und – je nach politischer Gesinnung – eine rechts- oder linksextreme Regierung, treiben weitere Brasilianer ins Ausland. In Portugal leben derzeit 85.000 registrierte Brasilianer. Doch viele sind noch illegal im Land und noch weitere sind portugiesische Heimkehrer und werden deshalb nicht von den Statistiken erfasst.
Wenn sich, wie es leider zu befürchten steht, die Lage in Brasilien und Venezuela zuspitzt, wird ein großer Flüchtlingsstrom nach Portugal, Spanien und auch in andere Länder losbrechen. Schlimmer noch wird es, wenn es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, einem offenem Bürgerkrieg, einem Krieg oder eine OAS beziehungsweise einer US-Intervention kommt. In diesem Fall rechnen Experten für eine Ein- oder besser gesagt Rückwanderung kommen, wie sie Portugal seit Ende der Kolonialkriege in Afrika und der entsprechenden Unabhängigkeit Angolas, Mosambik, Guinea Bissau, der Kapverden und von São Tomé e Principe nicht mehr erlebt hat. Daher sollte Europa Druck machen, um extremistische Ausartungen und die Machtspiele der USA zu unterbinden! Wir halten unsere Leser so gut wir können auf dem laufenden und erklären die Hintergründe der Geschehnisse, wie sie sich aus unserer Sicht darstellen.
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Dieser Artikel erschien auch auf unserer Partnerseite INFO-WELT
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