Susanne Fiebig
Frau Merkel bekommt Besuch
Meine Gedanken zum „G 20 Gipfel“
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Susanne Fiebig
„Ich kann mit vielem umgehen, hab kein Problem damit Fehler zuzugeben oder einsichtig meine Meinung zu überdenken. Aber womit ich gar nicht umgehen kann ist wenn man mich ungerecht behandelt!“
Dieser Text ist für all jene, die Menschen wie mich als dumm und radikal verurteilen.
1. Frage:
Warum gibt es überhaupt Kritik an G20? Warum gehen einige Menschen auf die Straße, anstatt die Politiker mal in Ruhe machen zu lassen?
Nun, die grundlegende Kritik an der „Gruppe der 20“ entzündet sich daran, dass sie als Entscheider über die Weltpolitik auftritt, obwohl ihr die Legitimation dazu fehlt. Denn die G20 steht außerhalb der multilateralen Ordnung, insbesondere außerhalb der Vereinten Nationen. Bei global wichtigen Entscheidungen sollten aber die Interessen aller 194 Länder der Welt berücksichtigt werden, nicht nur die der 20 reichsten Staaten!
Ich bin in einem der 20 reichsten Länder geboren. Muss ich deshalb die Augen verschließen und still sein, wenn über Finanzen und Wirtschaft der anderen 174 Länder entschieden wird? – Nein das muss ich nicht!
Deshalb organisieren Teile der Zivilgesellschaft das Treffen „Gipfel für globale Solidarität“, auf dem alternative Positionen zur G20 unter breiter Beteiligung diskutiert werden sollen. Andere wiederum versuchen, die politische Arbeit der G20 durch einen kritischen Dialog zu begleiten und zu beeinflussen. Sie haben sich zur Civil20 (C20) zusammengeschlossen und hoffen, in Hamburg Gehör zu finden. Die verschiedenen Haltungen eint das gemeinsame Ziel, die wachtumsorientierten Weltwirtschaftsstrategien in Richtung einer sozial-ökologischen Transformation zu verändern. Doch die G20 verfolgt bisher andere Ziele, wie ein Blick auf die Geschichte zeigt.
Muss ich es akzeptieren und schweigen, wenn viele der G20-Länder systematisch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit unterdrücken? Dazu gehören vor allem China, Saudi-Arabien, Russland und die Türkei. Aber selbst in „etablierten Demokratien“ schrumpft der Raum für Kritik enorm.
Wir leben angeblich in einem Land mit Demokratie und Meinungsfreiheit. G20 bedeutet auch, für diese Grundsätze zu kämpfen!
2. Frage:
Warum haben Frau Merkel und Herr Scholz beschlossen den G20 in einer Großstadt wie Hamburg abzuhalten?
Wenn wir auf die vergangenen Gipfel, in fast ähnlichen demokratisch geführten Gesellschaften/Länder, zurück schauen, dann gibt es auf meine Frage nur eine Antwort! Man will uns die Grenzen der Demokratie und Meinungsfreiheit aufzeigen. Bevor wir zu stark werden, zu viel Kritik an der Regierung ausüben können. Solidarität und Mitgefühl mit schwächeren Menschen ist nicht gut für’s Geschäft. Unsere Ressourcen sind auf gebraucht, also dürfen Länder, die noch genug haben nicht zu mächtig und stark werden. Das erschwert die Ausbeutung enorm.
Schauen wir einmal zurück zu den vergangenen Gipfeln:
Protest gegen das Verbot von Protest-Camps in Hamburg
Der G8-Gipfel in der italienischen Stadt Genua zum Beispiel wurde von schweren Auseinandersetzungen zwischen der italienischen Polizei und Globalisierungskritiker/-innen, bei denen ein Mann mit dem Namen Carlo Giuliani von einem Polizisten erschossen wurde und hunderte Personen verletzt wurden, überschattet. Besondere Aufmerksamkeit erregte der Einsatz von Folter und Misshandlungen seitens der italienischen Sicherheitskräfte. Die juristische Aufarbeitung dauert bis heute an. Und schon beim G8-Gipfel in Évian-les-Bains 2003, wurden zur Absicherung des Gipfels 5.000 Soldaten in der Schweiz eingesetzt. Dazu 20.000 Sicherheitskräfte in Frankreich und nochmal 10.000 in der Schweiz. Auch 1.050 deutsche Beamte waren in der Schweiz im Einsatz. Während des Gipfels kam es zu Protesten in Genf, Lausanne und im französischen Annemasse mit Tausenden von Teilnehmern. Dabei kam es in allen drei Städten zu sogenannten Ausschreitungen. Wo Menschenrechte nicht existieren, ist es dagegen ruhig. Wie bei dem G8-Gipfel 2006 nahe der russischen Stadt Sankt Petersburg. Dieses Gipfeltreffen fand fast ohne nennenswerte Protestaktionen statt. Denn der Gegengipfel von Globalisierungskritikern wurde in einem abgelegenen Stadion von einem Ring von Sicherheitskräften isoliert. Und schon im Vorfeld hatten Aktivisten Besuch von der Polizei erhalten, Hunderte von ihnen wurden vorsorglich in Gewahrsam genommen. Ist das die Lösung? Alle weg sperren, die nicht schweigen und zu viel denken? Doch aller spätestens seit 2007 müsste doch klar sein, dass große Teile der Bevölkerung nicht mit dem einverstanden sind was da passiert. Weder mit den Kosten und dem Luxus der Teilnehmer, noch mit dem was auf dem Themenplan der Gipfel steht. Am Tag des G8 Gipfelbeginns in Heiligendamm 2007 gelang es mehreren tausend Demonstranten, trotz des Demonstrationsverbots, bis in die Nähe des Absperrzauns zu gelangen und sämtliche Zufahrtswege zu blockieren. Eine noch nie dagewesene Anzahl von Zusammenschlüssen und Bündnisse beteiligten sich an Protestaktionen. Ich schreibe jetzt nur mal die auf, deren Namen jeder kennen sollte. Attac, Misereor, Brot für die Welt, Evangelischer Entwicklungsdienst, IG Metall, INKOTA-netzwerk, ver.di, terre des hommes, Oxfam, Caritas Internationalis, das Bischöfliche Hilfswerk Misereor. Also nix mit autonome und linksradikale Demonstranten!
Auch faschistische Diktatoren werden auf dem G20 reden dürfen.
Damals wurden zur Unterstützung des massiven Polizeieinsatzes im Rahmen der Amtshilfe die Bundeswehr zur Überwachung des Luftraumes und weitläufigen Absicherung des Seegebietes rings um das Tagungshotel angefordert. Außerdem leistete die Bundeswehr logistische und sanitätsdienstliche Hilfe. Da die Bundeswehr aber auch zur Überwachung der Demonstranten eingesetzt wurde, kam es zur Kontroverse um die Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes. Ähnlich wie bei den Einsatz der Polizei vorgestern in Hamburg. Nach Dokumenten, die von Edward Snowden an die britische Zeitung The Guardian weitergegeben wurden, hat der britische Nachrichten- und Sicherheitsdienst beim G20-Treffen 2009 in London systematisch Politiker anderer Staaten ausspioniert und abgehört und plant dies für zukünftige G20- und G7-Treffen. So wurden unter anderem Mobilfunkverbindungen, E-Mails und Computer ausspioniert, mittels Keyloggern Daten teilweise auch nach dem G20-Gipfel noch weiter gewonnen und an britische Politiker weitergegeben. Die Teilnehmer wurden zu diesem Zweck unter anderem in kostenlose Internetcafés gelockt. Und auch 2010, während des Gipfels in Toronto, kam es zu Demonstrationen, an deren Rande es auch zu Ausschreitungen kam. Die Polizei ging hart gegen die Demonstranten vor und verhaftete 1105 Menschen, die überwiegend nichts mit den Ausschreitungen zu tun hatten! Es gab die größte Massenverhaftung in der kanadischen Geschichte.
Also Frau Merkel, warum ein G20 mitten in Hamburg? Warum Millionen Euro verschwenden?
Die G20-Staaten machen zwei Drittel der Weltbevölkerung aus und erwirtschaften 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. Obendrein, auch wenn die G20-Verhandlungen auf der höchsten politischen Ebene stattfinden, sind die Beschlüsse der Staaten rechtlich nicht bindend! Also worum geht es wirklich? Wozu das ganze Tam Tam, wenn am Ende nichts bei raus kommt, was auch nur annähernd mit dem konform ist, was die Menschen fordern? Oder geht es darum, all jene die mehr wollen, als das es 20 Ländern gut geht, für kriminell zu erklären? Ihren Mut und ihre Hoffnung zu ersticken und sie zum Schweigen zu bringen?
Ich wünsche Hamburg viel Kraft. Ich hoffe, das weder Zivilisten noch Polizisten zu Schaden kommen. Aber ich wünsche mir auch das Hamburg eine noch nie dagewesene Welle erfasst….
Eure linksradikale, ständig übers Ziel hinaus schießende, naive und was weiß ich noch, Susi …
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Über die Autorin: Susanne Fiebig geboren 1980, wohnt in Hamburg, hat drei Kinder und arbeitet für ein Catering Untern-ehmen. Seit 2014 kocht sie zu Hause ehrenamtlich für Obdachlose und setzt sich auf vielerlei Weise für die Ärmsten der Ärmsten ein. Ihre regelmäßigen Veröffentlichungen in der Onlinezeitung American Rebel zeugen von tiefer solidarischer Anteilnahme und Wissen. Sie ist Mitglied der Partei »Diel Linke«.
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