Fiete Jensen
Erinnern heißt kämpfen!
Zum Gedenken an die Kommunistin Lilo Herrmann, die am 20. Juni 1938 in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet wurde
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Fiete Jensen
Geschützt und gefördert vom Deutschen Staat, von Justiz und Polizei, breitet sich unter dem legalen Deckmantel von AfD und anderen Naziparteien der Nazi-Ungeist wieder aus. Deutschland unter Merkel rüstet wieder auf, rangelt mit dem beherrschenden US-Imperialismus um Macht und Einfluss. Die Kriegsgefahr wächst weltweit, aber auch Deutschland legt mit Waffenhandel und Militäreinsätzen weltweit Feuer. Unser Hauptfeind steht im eigenen Land! Genau wie 1938 als Lilo Herrmann und ihre Genossen ihren Kampf gegen das deutsche Kapital und die Hitlerfaschisten führten. Heute ist es an der Zeit sich an sie zu erinnern und ihren Kampf weiter zu führen.
Es war schon nach 21 Uhr, als wir uns im Juni 1977 in einer Seitenstraße des Kieler Arbeiterviertels Gaarden trafen. Einer mit einem Eimer voll Tapetenkleister versteckt in einer Einkaufstasche, der Andere mit einer Rolle Plakate unter seinem Parker und ich der dritte Mann des Trupps, der diesen Bezirk in dieser Nacht mit Plakaten der KPD verschönern wollte. „Ilse und Bernd stehen oben – Lilo und Geogi unten an der Straße. Sie werden pfeifen, wenn jemand kommt“ raunte uns der erste Genosse zu. Ich konnte die „da unten“ gut sehen und erkennen… Die eine war meine Freundin aber sie hieß doch nicht Lilo… Irgendwann zwischen ein und zwei Uhr waren wir zu Hause, duschten und fielen erschöpft ins Bett. „Wieso Lilo“ fragte ich neugierig. ,,Das erzähle ich dir morgen, lass uns schlafen, ich muss morgen um 7 Uhr in der Fabrik sein und du um 8 Uhr beim Arbeitsamt.“
Ja, sie erzählte mir sehr viel – erzählte mir ausführlich warum sie sich den Orgnamen „Lilo“ ausgesucht hat und wer ihr Vorbild Lilo Herrmann war. Letzteres möchte ich nun auch tun um die KPD-Genossin Lilo Herrmann, die vor 80 Jahren von Nazischergen ermordet wurde, zu ehren. Und ein klein wenig denke ich dann auch mit Stolz an „meine“ kleine, stolze Lilo.
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„(…) Das größte Glück der größten Menge (…) erreicht durch Überzeugung der Massen und Schaffung einer Mehrheit für den Kommunismus. (…).
Das antworte Lilo Herrmann auf die Frage ihrer Peiniger, was sie den mit ihren politischen Kampf erreichen will. Gemeint ist die Freiheit der Werktätigen ihr Leben selber zu gestalten und sich den Ausbeutern zu entledigen. Das größte Glück für die größte Menge des Volkes war für sie der Kommunismus. Reicht nicht durch Zwang oder Abhängigkeit, sondern durch Überzeugung der Mehrheit des Volkes.
Beim recherchieren zum Leben von Lilo Herrman wurde ich auf einen aktuellen Text aufmerksam der zu ihrem Todestag am 20. Juni in der Zeitung Arbeit-Zukunft erschien:
„Am 20. Juni 1938 wurde die Kommunistin und antifaschistische Widerstandskämpferin Liselotte (Lilo) Herrmann von den Mordschergen der Nazis mit dem Fallbeil hingerichtet, im Alter von noch nicht einmal 29 Jahren. Sie wurde ermordet, obwohl sie ihren kleinen Sohn Walter zurücklassen musste. Er wurde von Lilos Eltern großgezogen.
Lilo Hermann 1934 mit ihrem Sohn Walter
Lilo Herrmann hatte der Nazibarbarei vom ersten Tag an Widerstand geleistet. Auch Fritz Rau, der Vater ihres Kindes war im Widerstand gewesen und wurde am 20. Dezember 1933 von Nazischergen im Gefängnis Berlin Moabit bestialisch totgeschlagen.
Als Kommunistin war Lilo Herrmann 1931 der KPD beigetreten. Bewusst stellte sie sich auf die Seite der Ausgebeuteten, der revolutionären Arbeiterbewegung und stritt für Sozialismus und Kommunismus!
Solange sie in Berlin Biologie studierte, beteiligte sie sich an der Organisierung des studentischen Widerstandes, kritisierte den grassierenden biologistischen Rassismus der Nazis. Sie behauptete sich gegen Nazistudenten, die immer frecher jüdische und antifaschistische Studierende und Hochschullehrer angriffen. Überliefert ist, dass sie nach dem Machtantritt der Nazis einen verschollenen „Aufruf zur Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten an der Berliner Universität“ unterschrieb. Zusammen mit 110 Berliner Studierenden wurde sie im Juli 1933 von der Uni geworfen, „wegen kommunistischer Betätigung“.
Lilo Herrmann unterstützte in Berlin weiter den illegalen Widerstand, verdiente ihren Unterhalt als Kinderpflegerin. Im September 1934 zog sie mit dem neugeborenen Kind nach Stuttgart und arbeitete im Ingenieurbüro ihres Vaters, wohnte bei den Eltern. Sie nahm auch hier am antifaschistischen Widerstand teil, unterstützte den illegalen KPD-Bezirksleiter Stefan Lovasz. Am 7. Dezember 1935 verhaftete die Gestapo sie in der Wohnung ihrer Eltern in der Hölderlinstraße 22. Vor dem Haus erinnert heute ein „Stolperstein“ daran.
Die Vorbereitungen für Hitlers Eroberungskrieg waren bereits in vollem Gange. Deshalb sahen es die antifaschistischen Widerstandskämpfer/innen als wichtige Aufgabe an, Hitlers heimliche Aufrüstung in der Welt bekannt zu machen. So beschafften sie auch entsprechende Dokumente. Bei Lilo Herrmann wurde der geheime Plan einer unterirdischen Munitionsfabrik gefunden, den ihr die KPD zur Weiterleitung ins Ausland übergeben hatte, für die Nazis ein todeswürdiger Akt des Hochverrats. Am 12. Juni 1937 verurteilte in Stuttgart der für die bewusste öffentliche Demütigung der Angeklagten berüchtigte „Volksgerichtshof“ des brüllenden Blutrichters Roland Freisler Lilo Herrmann, zusammen mit drei Mitstreitern, zum Tode.
Ein breite internationale Soli-Kampagne konnte den Mord nicht mehr verhindern. Am 20. Juni 1938, vor 80 Jahren, wurde Lilo Herrmann gemeinsam mit Stefan Lovász, Artur Göritz und Josef Steidle in Berlin Plötzensee enthauptet. Zum ersten Mal in Nazideutschland starb eine junge Mutter wegen ihres antifaschistischen Widerstands unter dem Fallbeil.
Lilo Herrmann angesichts von Folter und Todesdrohung laut einem Gestapo-Verhörprotokoll: „Wenn ich über das mir bekannte Ziel des Kommunismus befragt werde, dann kann ich dies in einem Satz ausdrücken, und der heißt: das größte Glück der größten Menge … Wenn ich weiter gefragt werde, wie ich mir den Weg zu diesem Ziel vorgestellt habe, dann antworte ich darauf: Durch Überzeugung der Massen und Schaffung einer Mehrheit für den Kommunismus.“ Ehre dem Angedenken Lilo Herrmanns und ihrer Genossen!
Lilo Herrmann Gedenkstein
im Stadtgarten der Universität Stuttgart
Die DDR hielt die Erinnerung an Lilo Herrmann jahrzehntelang wach. Heute erinnert neben dem Stuttgarter „Linken Zentrum Lilo Herrmann“, einem Ort selbstorganisierten Widerstandes, ein Gedenkstein im Stuttgarter Stadtgarten an Lilo Herrmann – nahe der Universität – aber auf städtischen Boden, nicht auf dem der Universität:
„Der ersten von den Nazis am 20. Juni 1938 hingerichteten Widerstandskämpferin Lilo Herrmann – Lilo Herrmann, Studentin der TH Stuttgart 1938 von den Nazis ermordet!“
Obwohl vor ihrem Berliner Biologiestudium Studentin der Chemie an der Stuttgarter Technischen Hochschule, weigerte sich nämlich deren Nachfolgerin, die Universität Stuttgart, ihrer mit diesem Gedenkstein zu gedenken – ein Skandal! Professor Eberhard Jäckel 1988 entlarvend: „Die Überzeugungen, für die Lilo Herrmann eintrat, können nicht die Überzeugungen von Universitäten sein“!! Was war ihre Überzeugung? Dass Hitler zum Krieg führt! Das war die Überzeugung von Lilo Herrmann. Und sie hatte alles Recht dazu! Um diesen Krieg verhindern zu helfen, setzte sie ihr Leben ein, ein kämpferisches, revolutionäres Vorbild!
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Lilo Herrmanns Vorbild ist aktueller denn je!
Geschützt und gefördert vom Deutschen Staat, von Justiz und Polizei, breitet sich unter dem legalen Deckmantel von AfD und anderen Naziparteien der Nazi-Ungeist wieder aus. Deutschland unter Merkel rüstet wieder auf, rangelt mit dem beherrschenden US-Imperialismus um Macht und Einfluss. Die Kriegsgefahr wächst weltweit, aber auch Deutschland legt mit Waffenhandel und Militäreinsätzen weltweit Feuer. Unser Hauptfeind steht im eigenen Land!
Seit sich die Widersprüche zu Trumps US-Imperialismus dramatisch zuspitzen, heißt es in Berlin immer entschiedener, man müsse das „Schicksal in die eigenen Händen nehmen“: massive Aufrüstungspläne, immer dreisterer Nationalismus, Ausländerhetze, Neonazis vergiften und verschärfen das öffentliche Klima! Massiv wird gegen Gewerkschafter/innen und Gewerkschaften gehetzt. Zu der von Kapital und Regierung gefeierten Rationalisierungsprojekt „Industrie 4.0“ gehören auch weitreichende Angriffe auf die Rechte und Tarifverträge der Gewerkschaften und der Arbeiter/innen.
Es ist Zeit, auch im Geist von Lilo Herrmann den Widerstand gegen die Kriegsgefahren und gegen Rechte und Faschisten in die eigenen Hände zu nehmen!“
Erstveröffentlichung am 20. juni 2018. Veröfentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
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Anhang
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Kundgebung zum Gedenken im Stuttgarter Stadtgarten
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Ungefähr einhundert Menschen kamen am 20. Juni 2018 zum Gedenkstein für Liselotte (Lilo) Herrmann in den Stuttgarter Stadtgarten, unmittelbar bei den Hauptgebäuden der Universität in der Kepplerstraße.
Sie gedachten der Hinrichtung der Kommunistin und antifaschistischen Widerstandskämpferin zusammen mit drei Genossen durch die deutschen Nazi-Faschisten.
Aufgerufen hatten die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), deren Sprecherin Janka Kluge durch die Kundgebung führte. Auch das linke Zentrum Lilo Herrmann war Mitveranstalter. Mit dem Motto: „Gedenken heißt Kämpfen!“ setzte das Lilo-Herrmann-Haus einen starken Akzent. Ein Vertreter des Personalrats der Stuttgarter Uni, eine Vertreterin des antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart (aabs) und des Lilo-Herrmann-Hauses hielten Gedenkreden. Sie betonten, dass Gedenken bedeuten muss, sich auch heute angesichts von Kriegsrüstung, Abbau demokratischer Rechte und aggressiver Hetze gegen Geflüchtete, auch und gerade aus den Regierungsparteien, aktiv dem Erstarken von Rechten und faschistischen Kräften entgegenzustellen. Die Hauptrede hielt eindringlich das Landesvorstandsmitglied der VVN-BDA Lothar Letsche.
Herbert Grimm sang zur Gitarre antifaschistische Lieder. Dann wurden durch zwei Vertreterinnen der Veranstalter ein roter Nelkenkranz und durch viele Anwesende zahlreiche weitere rote Nelken um den Gedenkstein niedergelegt.
Gemeinsam wurde zum Schluss das bekannte Lied „Die Moorsoldaten“ gesungen, das aus dem Nazi-KZ Börgermoor stammt.
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