Krankenhaus aus der Sicht eines Patienten
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Steffen Weise
Liebe Freundinnen und Freunde – Liebe Genossinnen und Genossen!
Mitte Juni 2018 musste ich ins Krankenhaus. Es ging um eine kleine Sache mit wenigen Tagen Aufenthalt dort. Am Tag der Aufnahme habe ich zwei Begebenheiten erlebt, die ich hier gerne mitteilen möchte.
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1. Episode
Schon die Planung des Termins war schwierig. Mich rief eine Frau an, die sehr schnell sprach und mir eben den Termin und den Ort herunterratterte. Als ich sie schließlich mit Mühe unterbrechen konnte, erklärte ich ihr, dass mir das alles nichts nützt, da ich fast blind bin und mir die Angaben des Telefonats nicht aufschreiben kann. Das war ein richtiges Problem für das Krankenhaus. Es hat etwa einen Monat gedauert, bis ich endlich den Termin per Post bekam. Der Umgang mit Menschen mit Einschränkungen ist dort völlig unvorstellbar.
Zum Termin habe ich mich um 09.00 Uhr mit sehr viel Mühe, an zwei Krücken laufend, irgendwie durch lange, halbdunkle Gänge, mit Aufzügen und ich weiß nicht mehr, wo ich noch alles entlanggeschlichen bin, bis ich mit sehr viel Hilfe einiger Menschen doch noch die Station gefunden habe. Völlig unaufgeregt bat man mich im Wartezimmer Platz zu nehmen, Da saßen schon etliche Leute. Zum Zeitvertreib las ich die junge Welt und es verging so eine Stunde um die andere …
In den Raum kam ein betagter Herr; er lief mit Rollator unsicher und wacklig im Gang. Mehrere Menschen im Raum standen sofort auf, um dem Herrn einen Stuhl anzubieten und beim Setzen zu helfen. Er saß nun ziemlich regungslos da und schaute in die Luft.
Geraume Zeit später kam ein junger Mann in den Raum, der wahrscheinlich als Praktikant dort arbeitete, er war ungefähr 16 Jahre alt. Anhand eines Formulars befragte er den betagten Herrn zu diversen privaten und gesundheitlichen Themen. Es schien mir ein Unding zu sein, dass das dort mit Publikum erfolgte und der junge Mann war auch sichtlich unerfahren, was bisweilen ziemlich komisch wirkte. Der betagte Herr beantwortete brav alle Fragen … wo es weh tut, welche Pillen er nimmt, wie der Stuhlgang ist und ob es beim Urin lassen weh tut.
Schließlich kam die Frage, wer sein nächster Angehöriger ist bzw. wer zu benachrichtigen sei. Der Mann sagte: „Niemand.“ Der Praktikant hat ungläubig nachgefragt: „Wie jetzt?“ Der Mann bekräftigte, dass er niemand mehr habe. Was ist das für eine einsame, antisoziale Gesellschaft, in der ein hochbetagter Mann niemanden mehr hat.
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Pixabay CC0 Public Domain
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2. Episode
In dem Warteraum saß ich bis es Mittag war und eine der dortigen Krankenschwestern fragte mich, ob ich auch etwas essen möchte. Das Essen war ziemlich ok und hat mir gut getan. Anschließend ging das Warten weiter. Schließlich erfuhr ich, dass ich zu einer Ultraschalluntersuchung muss und man fragte mich, ob ich im Rollstuhl gefahren werden möchte, was die deutlich favorisierte Variante gewesen wäre, der ich mich aber nicht untergeordnet habe – ich wollte selbst laufen, auch wenn es sehr weit war. Eine Krankenschwester brachte mich schließlich auf eine Station für Dialyse-Patienten. Es gab dort viele Zimmer, die überwiegend offen standen und ich habe dann mitbekommen, dass aus dem ganzen Krankenhaus Patienten zur Dialyse dorthin gebracht und später wieder abgeholt wurden.
Die Krankenschwestern hatten gut zu tun dort, waren aber nicht überlastet. Alle Schwestern hatten den Namen des Klinikkonzerns auf dem Kittel stehen, also die Darstellung nach außen funktioniert ganz gut Dort saß ich wieder ein bis zwei Stunden, ungefähr auf halber Länge vom Gang. In der Zeit wurden viele Patienten in Krankenbetten gebracht und abgeholt. Die Schwestern auf der Dialyse-Station sind mit den Patientinnen und Patienten sehr freundlich und fürsorglich umgegangen. Es gab keinen Stress und alle wurden mit „Sie“ angeredet, was nach meiner Erfahrung nicht selbstverständlich ist.
Schließlich wurde wieder ein Bett mit einer Frau gebracht, deren Alter ich schlecht einschätzen konnte. Ihr Haar war zerzaust und es schien mir so, als wenn sie sehr ungepflegt ausgesehen hätte. Sie wurde in das Zimmer gebracht, neben dessen Tür ich im Gang saß, dadurch habe ich ziemlich genau mitbekommen, was sich zutrug, auch wenn ich es nicht sehen konnte. Die Frau wurde im Krankenbett ins Zimmer geschoben, dann dauerte es nur wenige Momente, da lief eine Krankenschwester laut schreiend aus dem Zimmer: „Die hat ja noch einen Löffel zwischen den Rippen“. Es kamen mehrere Schwestern hinzu, die kranke Frau war offenbar stark verschmutzt in einem völlig desaströs „verkeimten“ Bett. Es soll auch Besteck mit dabei gewesen sein. Ich habe dann mitbekommen, dass die Schwestern der Frau geholfen haben, sich gründlich zu waschen und haben ihr das ganze Bett frisch gemacht, einschließlich frischem Kissen und frischer Decke.
Die Schwestern dort haben sich sehr viel Mühe gegeben, es der Frau etwas angenehmer zu machen und sie hat später sogar auch gelacht, wie ich gehört habe. Sie hat halt sehr großes Glück gehabt, dass sie zur Dialyse dorthin gebracht wurde.
Wieviel Patientinnen und Patienten kommen so zur Dialyse, die solches Glück nicht haben? Es ist ein Skandal, dass es so etwas überhaupt noch gibt in einem der reichsten Länder der Welt! Den Krankenschwestern, die diesen Schmutz weggemacht und die kranke Frau wieder zum Lachen gebracht haben, gebührt hohe Anerkennung.
Die Pflegeberufe, egal ob im Krankenhaus oder in Heimen pp., sollten deutlich aufgewertet werden, nicht nur durch höheres Entgelt, auch durch gesellschaftliche Wertschätzung und vor allem durch deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen.
Mit solidarischen Grüßen
Steffen
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