Marcel Joppa
Jedes zweite Krankenhaus schließen? Scharfe Kritik an Bertelsmann-Studie
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: Rund jedes zweite Krankenhaus in Deutschland sollte schließen, die verbliebenen können dann als „Spezialkliniken“ ausgebaut werden. Vor allem bei Ärzteverbänden stößt diese Forderung auf massive Kritik. Die Mediziner warnen: Ein Kahlschlag würde vor allem den ländlichen Raum treffen.
Vielen Patienten ist eine medizinische Versorgung in direkter Umgebung wichtig. Die Bertelsmann-Stiftung hat mit ihrer aktuellen Studie allerdings eine ganz andere Empfehlung: 600 statt 1750 Krankenhäuser in Deutschland würden völlig ausreichen. Diese könnten dann zu Spezialkliniken mit aufgestocktem Fachpersonal ausgebaut werden. Die Stiftung hatte eine Modellberechnung durchgeführt. Sie soll zeigen, dass viele Krankenhäuser zu klein seien und oftmals nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung verfügten, um lebensbedrohliche Notfälle angemessen zu behandeln.
Köln und Leverkusen als Vorbild?
Die Bertelsmann-Stiftung fordert deshalb: Man dürfe sich nicht an einer schnellen Erreichbarkeit orientieren, sondern an Qualitätskriterien. Das seien Punkte wie eine gesicherte Notfallversorgung, eine Facharztbereitschaft rund um die Uhr, ausreichend Erfahrung und Routine des medizinischen Personals sowie eine angemessene technische Ausstattung. Die Stiftung hat Köln, Leverkusen und Umgebung als Modellregion untersucht. Die Simulation zeige, dass die Region mit 14 statt den aktuell 38 Akutkrankenhäusern eine bessere Versorgung bieten könne, ohne dass Patienten im Durchschnitt viel längere Fahrzeiten in Kauf nehmen müssten.
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Kliniken einfach „plattmachen“?
Ärzte und Krankenhäuser üben nun massive Kritik an Bertelsmann. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft spricht laut ARD von einer „absolut unbelegten“ Einschätzung. Wer vorschlage, von den bestehenden Akutkrankenhäusern „1000 platt zu machen“ und die verbleibenden 600 Kliniken zu Großkliniken auszubauen, propagiere die Zerstörung von sozialer Infrastruktur „in einem geradezu abenteuerlichen Ausmaß“ so die DKG. Solche Vorschläge seien das exakte Gegenteil dessen, was die Kommission als „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ für die ländlichen Räume gefordert habe.
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„Mehr als befremdlich“…
Die Krankenhausgesellschaft widerspricht der Einschätzung der Studie, wonach durch eine Bündelung von Kliniken, Personal und medizinischen Geräten eine qualitativ bessere Versorgung erreicht werden könne. Außerdem handele es sich bei einem Großteil der Versorgung in den Krankenhäusern um medizinische Grundversorgung wie Geburten oder altersbedingte Krankheitsbilder der Inneren Medizin. Diese Behandlungen sollten möglichst familien- und wohnortnah vorgenommen werden können. Auch die Bundesärztekammer unterstützt diese Aussage und nennt die Empfehlung der Bertelsmann-Studie „mehr als befremdlich“. Was in Ballungsgebieten vielleicht noch umsetzbar sei, könne im ländlichen Raum verheerend aussehen.
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Immerhin Top 10…
Eine Reaktion seitens der Bundesregierung zu der Bertelsmann-Studie gibt es noch nicht. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums kommentierte lediglich, man habe die Studie „zur Kenntnis genommen“, für die Krankenhausplanung seien aber die einzelnen Bundesländer zuständig. Im internationalen Vergleich habe Deutschland aber grundsätzlich überdurchschnittlich viele Krankenhäuser. Ein Blick auf die Zahlen bestätigt: Pro 1000 Einwohner hat Deutschland durchschnittlich 8,2 Krankenhausbetten, im internationalen Länderranking belegt die Bundesrepublik damit Platz 9, vor Österreich auf Platz 10 (7,6 Betten). Angeführt wurde die Liste zuletzt von Monaco mit 13,8 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner, die Russische Föderation belegte mit 9,7 Betten Platz 6. Zu bedenken ist jedoch, dass die Betten-Statistik über die Qualität der Behandlung keine Auskunft gibt.
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Erstveröffenlichung vor Kurzem auf SPUTNIK Deutschland. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
Bild und Bildunterschrift wurden teilweise oder ganz von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.
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