Doch die Herausgabe dieses Nachschlagewerkes stand unter einem schlechten Stern. Von der vom Verlag genannten, angeblichen Auflage von 10.000 Exemplaren wurden nur weniger als 3000 Stück ausgeliefert und das hatte einen triftigen Grund. Aber fangen wir von vorne an.
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Der Co-Autor F.-B. Habel erinnert sich
Nachdem es mit einem anderen Autor nicht geklappt hatte, und der Verlag in Kontakt mit dem Dean-Reed-Archiv Berlin (D-R-A) (damals D.-R.-Websiteteam) getreten war, schlug Andrea vom D-R-A Berlin vor, mich mal zu fragen. Die Anfrage vom Verlag, ob ich ein DR-Buch über Dean Reed schreiben würde, kam Anfang Juni 2007. Es gab noch keinen Titel oder Preis, nur der Erscheinungstermin stand fest, weil er an den Start von Leopold Grüns Film „Der rote Elvis“ Ende Juli gekoppelt werden sollte und sich der Verlag davon große Aufmerksamkeit versprach. Das Ganze war so kurzfristig, dass ich Thomas Grossman an seinem Geburtstag, dem 8. Juni anrief, und ihm sagte, ich hätte als Geburtstagsgeschenk ein Buch für ihn, das er aber erst schreiben müsse, und bot ihm die Ko-Autorenschaft an. Nachdem er das überschlafen hatte, sagte er zu. Wir haben dann wochenlang sozusagen Tag und Nacht daran gearbeitet und das nur geschafft, weil wir umfassend vom D-R-A unterstützt wurden. Am 18. August habe ich das fertige Manuskript dem Verlag übergeben. Wir haben also nur zwei Monate und zehn Tage daran gearbeitet.
Zu diesem Zeitpunkt erst wurde uns vom Verlag gesagt, wie der Titel sein sollte. Heute habe ich mich damit abgefunden, dass er „Dean Reed – die wahre Geschichte“ lautet, aber damals habe ich protestiert, weil es mir zu marktschreierisch vorkam. Doch der Verlag beharrte darauf, weil das Buch ja breite Käuferschichten ansprechen sollte. Thomas Grossman hatte von vornherein nichts gegen den Titel, so dass ich mich doch damit angefreundet habe. Aber ich favorisierte auch folgende Varianten: „DEAN REED – Cowboy, Countrystar, Companero“ oder „Wer war DEAN REED wirklich?“ Auch „Genosse Rockstar“ hielt ich für möglich. Aber diese Entscheidung lag beim Verlag.
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Eine Meinung aus der Redaktion deutsche-mugge.de
Braucht es angesichts der Veröffentlichungsflut der letzten Jahre tatsächlich schon wieder ein neues Buch über Dean Reed? Die Antwort fällt uns relativ leicht: Auf jeden Fall! Und eigentlich hoffen wir darauf, daß im Moment bereits erneut jemand an einem schreibt. So vieles ist zum Thema noch ungesagt, so vieles noch ungeklärt, so viele Sichtweisen noch nicht analysiert… Daran ändert auch der Beitrag von Frank-Burkhard Habel und seinem Mitstreiter Thomas Grossman nichts. Er fügt dem großen Mosaik lediglich ein weiteres Steinchen hinzu, nicht mehr. Und schon gar nicht weniger! Das Buch ist wichtig und es ist – soviel sei vorweggenommen – unbedingt empfehlenswert. Wir wären aber nicht wir, wenn wir nicht auch hier ein Haar in der Suppe ausgemacht hätten. Zwei, um genau zu sein. Das erste betrifft den Titel „Die wahre Geschichte“, den wir für unglücklich gewählt halten und der dem Inhalt auch nicht gerecht wird. Was keineswegs bedeuten soll, dass die Verfasser Märchen erzählen. Im Gegenteil, man merkt jeder Zeile und jedem Wort die Bemühung an, Dean Reed tatsächlich im rechten Licht erscheinen zu lassen. Trotzdem ist der Anspruch auf die absolute Wahrheit unangebracht, denn die gibt es im Falle Dean Reed nicht. Zu widersprüchlich war sein Leben ebenso wie sein Tod, zu abhängig ist beides vom Blickwinkel des Betrachters. Und jeder, der sich mit Reed beschäftigt, gelangt an den Punkt, an dem es keine Fakten mehr gibt, wo man nur noch spekulieren und interpretieren kann, ohne Sicherheit, ob die gezogenen Schlussfolgerungen zutreffen oder eben nicht.
Punkt zwei, der uns nicht so gut gefällt, ist die Kürze, mit der manche Abschnitte aus Deans Leben abgehandelt werden, die oft abrupt und übergangslos zum nächsten Teil überwechseln, obwohl man beim Lesen meint, noch längst nicht am Ende der jeweiligen Episode angelangt sein zu können. Da hätte vieles noch mehr in die Tiefe gehen dürfen.
Von diesen beiden – eher wenig relevanten – Schönheitsfehlern abgesehen, ist das Buch vollkommen in Ordnung und kann als rundum gelungen bezeichnet werden. Habel und Grossman verzichten weitestgehend auf Wertungen, sondern stellen hauptsächlich Fakten dar, die durch Aussagen und Interviews von Zeitzeugen untermalt werden. Das Konzept ist dem von Leopold Grün und seinem Film „Der rote Elvis“ nicht unähnlich und macht für ein Buch absolut Sinn. Sympathisch, dass man trotz aller vordergründig zur Schau getragenen Neutralität nicht zu übersehen vermag, dass die Autoren dem Objekt ihrer Arbeit wohlgesonnen gegenüberstehen – allerdings ohne es zu stark zu idealisieren. Dennoch haben wir beim Lesen des Vorworts schmunzeln müssen, denn da war wohl doch mehr der Wunsch Vater des Gedankens als die realen Gegebenheiten. Mehr verraten wir an dieser Stelle aber nicht, mache sich jeder sein eigenes Bild darüber.
Der Kauf des Buches lohnt auf jeden Fall, nicht zuletzt auch wegen seiner Ausstattung. Im edlen Hardcover-Einband erwarten den geneigten Interessenten unter anderem jede Menge bislang ungesehene Fotos, farbig und Schwarz-Weiß ansprechend auf stabiles Bilderdruck-Papier aufgebracht. Unbedingt erwähnenswert auch, daß das Buch beim Lesen gut in der Hand liegt und danach nicht gleich aus der Form gerät. Value for money also, wie es neudeutsch so schön heißt. Wer sich für Dean Reed interessiert, ist hier gut aufgehoben und kann bedenkenlos zugreifen. Aber Vorsicht: Ihr werdet es nicht schaffen, das Werk zwischenzeitlich beiseite zu legen, ohne es bis zum Ende gelesen zu haben! Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt, wenn ihr am nächsten Tag übermüdet zur Arbeit geht…
(kf)
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Der Verlag über das Buch:
Das Buch über das Leben von Dean Reed, den Schauspieler und Sänger. Geboren 1938 in Denver/Colorado, wurde er 1958 von Capitol Records entdeckt und bald zum Teenie-Idol in Lateinamerika, wo er sich politisch stark engagierte. Nach Ausweisung aus Argentinien kam er über die Sowjetunion und Italien 1972 in die DDR, drehte Filme, veröffentlichte Platten, trat als Sänger auf, gab Solidaritätskonzerte und engagierte sich international im Friedenskampf. Im Jahre 1986 starb er durch Freitot.
Mit einer Startauflage von nur 10.000 Exemplaren bietet dieses Buch u.a. viele unbekannte Fotos. Über 20 Jahre liegt der Tod von Dean Reed zurück – erwiesenermaßen ein Freitod, so sehr die Gerüchte um Stasitäter oder andere dunkle Gestalten am Köcheln gehalten werden. Dass sich viele aus dem überschaubaren Ländchen, das sich der Mann aus Colorado zur Heimat erkor, seiner erinnern – ob sie seine Musik, seine Filme mochten oder nicht, ein Exot war er allemal -, das also nimmt nicht wunder. Das nach wie vor große publizistische Interesse darf man gewiss darauf zurückführen, dass sich das Scheitern dieses Einzelnen in der Parallele zum Scheitern des von ihm erwählten Systems zeichnen lässt – „der Cowboy, der zwischen die Fronten des Kalten Krieges geriet“. Hollywood liebäugelt mit seinem Leben als Stoff für eine – vermutlich patriotische – Tragödie… Man wird sehen. Bücher, Dokumentarfilme, Artikel – Dean Reed und kein Ende. Und nun ein neues Buch? Mit dem Anspruch: Die wahre Geschichte zu erzählen. Enge Freunde, Kollegen und Wegbegleiter geben Auskunft.
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Lesermeinung – Wahre Wahrheit ?
Die, die selbst denken, sind sofort gewarnt, wenn sie lesen: „Die wahre Geschichte“. Aufgedrückt ist das Etikett nun auch der jüngsten Dean Darstellung. Die kann, ohne alle Häme, eine Darstellung in den Wunschfarben der DDR genannt werden. Frank-Burkhard Habel und sein Koautor Thomas Grossmann, die Chronisten der Biographie des Amerikaners in der DDR, sind mit einer guten DDR-Vergangenheit ausgestattet. Dementsprechend ist ihre „wahre Geschichte“ des traurigen Rebellen ausgefallen, der den vergeblichen Versuch machte, in der Realität der ostdeutschen Version des Sozialismus zu existieren. Das Buch ist ein Reed-Aquarell! Die schönste Geschichte der neuesten „wahren Geschichte“ ist im Vorwort. Dean Reed, die unvermeidliche Gitarre in den Händen, steht vor der „Million“, die am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz zusammengelaufen war. Wie das? Weil´s erfunden ist. Der US-Amerikaner Dean Reed (1938-1986) war, vor dem Tod der DDR, in der DDR gestorben. An der DDR? Durch die DDR? Ist das die „wahre Geschichte“? Manche sehen´s so und äußern´s so. Nicht so die Autoren des Buches „Dean Reed“ – Die wahre Geschichte“ Sie wollen gern die neutralen Chronisten sein. Mit ihrem guten Gefühl für den guten Jungen Dean bleiben sie, letztendlich, immer auf der Seite Dean Reed´s.
Darin sind sich die Reed-Publikationen jeder Art schnell einig: Der Sänger und Schauspieler war als naiver Idealist kaum zu überbieten. In ihm war ein Robin Hood: Eine Hauptrolle, die er in allen Weltteilen spielte. Denn, seinem Wesen nach war er ein durch und durch sozial Gesonnener. Als musikalisch ambitionierter Prediger von Frieden und Freundschaft tourte er durch die Kontinente. Eine beispielgebende Aktion sollte Reed nie vergessen werden. Vor dem amerikanischen Konsulat in Santiago de Chile wusch er in einem Eimer die Fahne seines Geburts- und Heimatlandes, als das den Krieg in Vietnam forcierte. Wie jedem Künstler war Dean Reed der Beifall wichtig. Ebenso wichtig war ihm sein beispielhaft menschliches Handeln. Vielleicht zeigte sich in den Handlungen des Menschen die wahrste Geschichte des Menschen. Dass der Mensch mehr und mehr Aufmerksamkeit gewinnt hat wohl auch mit der Wahrheit zu tun, dass bewegte und bewegende Menschenschicksale immer ergiebiges Material für Medien sind. Egal, wie wahr, wie erdacht die Geschichten sind. Was aber, wenn die Medien des Materials müde sind? Wenn das Wesen des Dean Reed nichts mehr hergibt? Wenn das die einzige Wahrheit der „wahren Geschichte“ sein wird?
Bernd Heimberger
04.02.2008