Nico Diener

Wie und warum starb der Asylbewerber Oury Jalloh in einer Gefängniszelle in Dessau?

Staatsanwaltschaft und Bundesministerium der Justiz mauern
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Nico Diener

„Der Fall Oury Jalloh lässt mich nicht in Ruhe“, schreibt die Berliner Journalistin Susan Bonath in einem Facebookpost. Und weiter: „Nach allem, was die Akten hergeben, ist ein Selbstmord ausgeschlossen und Polizeibeamte haben den gefesselten Gefangenen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Polizeirevier verbrannt. Ich bin ratlos. Die folgenden Anfragen und die Antworten zeigen sehr deutlich, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein von Landes- und Bundesinstitutionen gedecktes Verbrechen des Staatsapparats handelt. Ich erspare mir weitere Worte, lest unten selbst.“

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Was geschah (Anmerkung der Redaktion):

Oury Jalloh, ein 37 jähriger Asylbewerber aus Kanala in Sierra Leone verbrannte in einer Gefängniszelle im

Oury Jalloh 2. Juni 1968 bis 7. Januar 2005

Keller des Dienstgebäudes Wolfgangstraße 25 des Polizeireviers in Dessau (Sachsen-Anhalt). Der in diesem Zusammenhang wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagte Dienstgruppenleiter des Polizeireviers und ein wegen fahrlässiger Tötung angeklagter Polizeibeamter, wurden am 8. Dezember 2008 vom Landgericht Dessau-Roßlau freigesprochen. Am 7. Januar 2010 wurde der Freispruch für den Dienstgruppenleiter vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Der Freispruch für den zweiten Polizisten war inzwischen rechtskräftig geworden. Am 12. Januar 2011 begann vor dem Landgericht Magdeburg die neue Hauptverhandlung. Am 13. Dezember 2012 wurde der Dienstgruppenleiter wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen in Höhe von 90 Euro (10.800 Euro) verurteilt.
Aufgrund eines im November 2013 auf private Initiative angefertigten Gutachtens, das die These der Selbstverbrennung durch Oury Jalloh in Frage stellt, hat die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau im April 2014 ein neues Ermittlungsverfahren zur Klärung der Todesursache eingeleitet.
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„Meine Anfrage an die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau, die zugleich dem Bundes- und Landesjustizministerium übermittelt wurde. Ersteres hatte ich um Stellungnahme gebeten.

An die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau, 15. Februar 2017
Ruststraße 5, 06844 Dessau – Roßlau
z. H. des Pressesprechers und Verfahrensführers StA Olaf Braun, dem BMJV und der Bundesanwaltschaft zur Information und mit der Bitte an Justizminister Heiko Maas um Stellungnahme zum geschilderten Sachverhalt

Verschleppung des Verfahrens zum Feuertod von Oury Jalloh

Sehr geehrter Herr Braun,

Ende 2013 informierte OStA Bittmann nach der Vorstellung eines privat finanzierten Gutachtens in Berlin, dass es ganz plötzlich nun doch dringenden Ermittlungsbedarf im Fall Oury Jalloh gebe. Anfang 2014 teilte ihre Behörde der Öffentlichkeit mit, sie habe ein Ermittlungsverfahren wegen Mordverdachts zum Nachteil Oury Jallohs eingeleitet.

Außerdem habe die StAW den Brandschutt (nach neuneinhalb Jahren) auf Brandbeschleuniger untersuchen lassen. Die Experten hätten nichts gefunden. Ihre Behörde suggerierte der Öffentlichkeit, dass damit die Verwendung von Brandbeschleuniger ausgeschlossen werden könne. Das ist nach Ansicht aller von mir befragten Experten falsch. In den drei Jahren darauf waren Sie kaum tätig.

Das LKA BaWü fand 2014 zusätzlich zur Feststellung der Gerichtsgutachterin Jana Schmechtig aus 2012, wonach im sehr mutmaßlich manipulierten Feuerzeugrest keine Textilspuren aus der Zelle (Matratze, Kleidung),dafür aber Fremdfasern eingeschmolzen waren, noch zwei Tierhaare sowie unbeschädigte Faserbröckchen auf verkohlten Fasern. Hinzu kommt ein Vorgutachten der Rechtsmedizin Würzburg aus 2015, das nach m.K. nicht weiter verfolgt wurde, obwohl es heikel ist. So legt es nahe, dass der wahrscheinliche Tathergang Drittverschulden voraussetzt.

Zudem wurde festgestellt, dass die Vernehmung des Zeugen Dirk N. (dass diese erfolgte, wurde mir seitens Ihrer Behörde schriftlich mitgeteilt) nicht in die Ermittlungsakten aufgenommen wurde. Der Zeuge hat einen bestimmten, mir bekannten Beamten beschuldigt.

Im August 2016 informierten Sie die Presse sehr unerwartet über einen Brandversuch in Dippoldiswalde/Schmiedeberg (Sachsen). Wie Sie wissen, war ich dabei. Deshalb und weil ich mich eingehend mit dem Fall befasst habe, kann ich sagen, dass der Versuchsaufbau dillentantischer nicht hätte sein können, dass die Umstände in vielen Parametern nichts mit dem Tatort zu tun hatten, und vor allen Dingen: Sie sind mir noch eine Antwort schuldig, wo denn dieses angebliche „Institut für Brand und Löschforschung“ registriert ist. Denn im Handelsregister ist diese private Unternehmung nicht eingetragen.

Und die Krönung ist, dass Sie am 18. August in Dippoldiswalde/Schmiedeberg gemeinsam mit den Gutachtern Herrn Kurt Zollinger und Herrn Thorsten Prein (der einen denkbar schlechten Ruf in Bergisch Gladbach hat), erklärten, in sechs bis acht Wochen würden Versuchsergebnisse vorliegen.

Tatsächlich liegen diese bis heute nicht vor. Und tatsächlich beantworten Sie mir meine Fragen zu einem öffentlichen (!!!) Brandversuch nicht oder ausweichend. Tatsächlich gaben Sie mir andere bzw. weit knappere Auskünfte im Dezember als der Mitteldeutschen Zeitung. Tatsächlich blockten Sie auch gegenüber der Freien Presse ab, wie diese am 6. Januar berichtete.

Nun kann man sagen, so eine genaue und umfassende Versuchsauswertung könne Zeit beanspruchen, auch wenn sämtliche von mir befragten Drittexperten der Meinung waren, dass selbst sechs bis acht Wochen angesichts von Ermittlungen wegen Mordverdachts untragbar lange seien.

Aber man kann nicht vermuten, dass die Auswertungen aus Gründen der Genauigkeit oder des Zeitaufwandes sechs (!!!) Monate dauern. Man muss sogar vermuten, dass es sich hier um eine Verfahrensverschleppung handelt. Wenn sich mir als Journalistin und Bürgerin ein solcher Verdacht aufdrängt, und zwar im Zuge von Ermittlungen, in denen es um nichts weniger, als den Verdacht geht, dass Polizisten einen gefesselten Menschen angezündet und getötet haben könnten, wäre es geradezu meine Pflicht, Anzeige gegen Sie und Ihre Behörde wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt zu stellen.

Darum, Herr Braun, verlange ich nun endlich gemäß des Informationsfreiheitsgesetzes und des Pressegesetzes LSA vernünftige Auskünfte von Ihnen, mindestens zu dem von Ihrer Behörde selbst öffentlich durchgeführten Brandversuch, der das Land Sachsen-Anhalt gemäß einer Antwort der Landesregierung immerhin 170.000 Euro kostet.

1. Wo ist das Institut für Brand- und Löschforschung (IBLF) Schmiedeberg registriert?

2. Aus welchen Gründen liegen nach sechs Monaten immer noch keine Ergebnisse des Versuchs vor?

3. Aus welchen Gründen zieht die StAW Dessau-Roßlau das Verfahren so in die Länge?

4. Aus welchen Gründen informiert die StAW die Anwältinnen der Opferfamilie auf Nachfragen ebenfalls nicht oder unzureichend?

5. Wann wird die StAW der Herkunft des Feuerzeugrests, das ganz offensichlich nicht in der Zelle verbrannt ist, nachgehen?

6. Wann wird die StAW endlich rechtsmedininische Erkenntnisse (fehlendes CO und Noradrenalin, Auffindesituation, die nicht zur öffentlich postullierten These vom Tod durch inhalativen Hitzeschock durch über die Flammen Beugen passt) in ihre Ermittlungen und Gutachten einbeziehen?
Diese Fragen zu beantworten, dürfte nicht Wochen dauern. Ich verweise noch einmal auf den Umstand, dass Sie diesen Brandversuch selbst öffentlich gegenüber der Presse vorführen ließen. Die Sachverhalte, die diesen betreffen, unterliegen also nicht der Geheimhaltung in einem laufenden Ermittlungsverfahren. Explizit erinnere ich daran, dass nicht geklärt ist, ob Polizeibeamte an einem Tötungsdelikt beteiligt waren oder nicht. Es gibt genügend Indizien dafür, die zugleich explizit gegen einen Selbstmord sprechen, das wissen Sie, Herr Braun. Allein aus diesen Gründen hat die Allgemeinheit ein Recht auf tatsächliche Aufklärungsarbeit.

Mit freundlichen Grüßen
Susann Bonath
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Antworten
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1. Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau (vorgeschickte Hilfssprecherin):

Sehr geehrte Frau Bonath,

Ihre Anfrage ist mir zuständigkeitshalber zugeleitet wurden. Wie ich Ihnen bereits am 31.01.2017 mitgeteilt habe, werden wir zu gegebener Zeit der Öffentlichkeit Ergebnisse präsentieren. Derzeit gibt es nichts mitzuteilen, insbesondere kein Datum einer solchen zu erwartenden Mitteilung.

Mit freundlichen Grüßen
Pieper Leiter der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Dessau – Roßlau

 

2. Bundesjustizministerium:

Sehr geehrte Frau Bonath,

vielen Dank für Ihre Anfrage an Herrn Bundesminister Heiko Maas. Ich bitte jedoch um Verständnis, dass der Minister und auch das Ministerium sich nicht zu konkreten Ermittlungs- oder Strafverfahren, die in den Bundesländern geführt werden, äußern können. Das gebieten die föderale Struktur der Bundesrepublik wie auch der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Gewaltenteilung.

Mit freundlichen Grüßen
Juliane Baer-Henney Pressesprecherin Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz“

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Weitere Informationen: Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.
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