Rainer Kranz

Der „neue“ K(r)ampf mit medizinischem Cannabis

Wenn Geld wichtiger ist als das Wohl der Patienten
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Rainer Kranz

Seit März 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland legal. Was anfangs von Patienten als großer Sieg gefeiert wurde erweist sich nun mehr und mehr als ein Desaster für die Betroffenen. Warum das so ist und aus welchen Gründen das Gesetz bisher für die Betroffenen keine spürbare Besserung der Lage bringt will ich versuchen in diesem Artikel zu erklären.

Zunächst einmal ist es wichtig zwischen einer Legalisierung von Cannabis als Medizin und einer Legalisierung von Cannabis für Alle klar zu unterscheiden. Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen nehmen, reagieren auf die Pflanze ganz anders als die breite Masse der Bevölkerung. Der Körper verfällt dabei nicht in einen „Rauschzustand“ sondern das in der Pflanze enthaltene THC und CDB sorgt für eine deutliche Linderung der Krankheitssymptome. Chronische Schmerzpatienten verspüren z.B. deutlich weniger Schmerzen und sind in der Lage wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, was ohne Cannabis aufgrund der andauernden Schmerzattacken praktisch nicht möglich ist.

Cannabis, Foto: Pixabay

Auch wer seine Schmerzen mit vom Arzt verschriebenen Opioide und Opiaten bekämpft kann nicht ohne weiteres am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, da diese Mittel zwar die Schmerzen nehmen den Patienten aber gleichzeitig in einen apathischen Rauschzustand versetzen der Interaktionen mit anderen Menschen fast unmöglich macht. Dazu kommen noch die Nebenwirkungen dieser Pharmaerzeugnisse. Bei längerer Einnahme werden Nieren, Leber und Herz stark belastet. Zusätzlich stellt sich bei längerer Einnahme eine Abhängigkeit ein, deren Symptome bei Absetzung solcher Medikamente durchaus einem Heroinentzug entsprechen.

All dies ist bei medizinischem Cannabis nicht gegeben. Sicher ist medizinisches Cannabis kein Allheilmittel, bei individueller „Einstellung“ auf Tagesdosen und unter Berücksichtigung der verschiedenen medizinischen Cannabissorten verspricht es aber für viele Patienten eine deutliche Besserung der Lebensqualität.

Wenn man nun dies alles weiß und berücksichtigt, warum ist dann das Gesetz zur Legalisierung solch ein Desaster?
Dazu muss man zunächst auf die Umstände schauen, unter denen dieses Gesetz zustande kam. Der Grund für die Legalisierung war eben nicht eine starke Lobby der betroffenen Patienten, auch nicht der „gesunde Menschenverstand“ von Politikern für die das Wohl der Patienten im Mittelpunkt steht, auch wenn das gerne so „verkauft“ wird.

Es war im Gegenteil so, dass es den Herrschaften der CDU/CSU gegen den Strich ging, dass Privatleute in Ausnahmefällen eine Anbaugenehmigung für medizinisches Cannabis zum Zweck der Eigentherapie erhielten.  So wurde noch vor den letzten Wahlen auf die Schnelle ein vollkommen unausgegorenes Gesetz durchgeboxt um zu verhindern, dass Betroffene ihre Symptome ohne Ärzte und Pharmaindustrie behandeln.
Was sind denn nun genau die Probleme bei diesem Gesetz?
Fangen wir bei den Problemen mit den Ärzten an.

Die wenigsten Ärzte sind nach wie vor bereit, überhaupt eine Verschreibung von medizinischem Cannabis nachzudenken. Zum einen ist da die Pharmalobby, die Druck auf die Ärzte ausübt, damit diese weiterhin deren Produkte verschreiben.
Dann ist da noch die Angst, die Praxen könnten zum Treffpunkt von Leuten werden, die medizinisches Cannabis verschrieben bekommen wollen um sich daran zu berauschen und so andere Patienten abschrecken könnten.

Und dann ist da auch noch die Unwissenheit vieler Ärzte. Weder wissen sie genau, wie welche Sorte von medizinischen Cannabis auf den Patienten wie wirkt, noch gibt es bisher genügend Studien zu diesem Thema. Sicher gibt es einige 1.000 Studien dazu, diese sind jedoch nur an kleinen Patientenkreisen durchgeführt worden, einfach weil medizinisches Cannabis lange verboten und ein Tabuthema war. So schließen viele Ärzte deshalb eine allgemein gültige Therapie aufgrund solcher Studien einfach aus. Und zu guter Letzt ist es eben aufgrund fehlender Studien und Richtlinien eine langwierige und arbeitsintensive Angelegenheit einen Patienten individuell auf die benötigte Tagesdosis einzustellen. Auch der mit der Vergabe verbundene Verwaltungsaufwand für den Arzt ist sehr groß. Mit Pharmamitteln, deren Wirkung gut erforscht und erprobt ist lassen sich Patienten schneller „abhandeln“ und eine größere Zahl von Patienten bedeutet nun mal höheres Einkommen für den jeweiligen Arzt.

Wenn sich Ärzte trotzdem die Mühe machen und zu dem Schluss kommen, dass medizinisches Cannabis für einen Patienten geeignet ist, kommt die nächste Hürde: Die Krankenkassen. Diese entscheiden nach gut dünken und aufgrund des zur Verfügung stehenden Budgets ob sie medizinisches Cannabis bezahlen. So wurden in 2017 z.B. von der Barma in Hamburg 77% der Anträge auf Kostenübernahme genehmigt während es bei der Barma in Thüringen lediglich 37% waren. Wie gesagt stehen bei diesen Genehmigungen wohl weniger das Wohl der Patienten im Mittelpunkt als vielmehr die Angst vor zu hohen Kosten für die jeweiligen Krankenkassen.  Ein weiterer Kostenfaktor ist der in der gesetzlichen Arzneimittelverordnung festgelegte Preis, der die Kosten für die Krankenkassen unnötig in die Höhe treibt. So kosteten 5 g medizinisches Cannabis für Patienten mit Ausnahmegenehmigung vor der Legalisierung je nach Sorte zwischen 55 und 80 € während der nun festgelegte Preis für die verschiedenen Sorten bei rund 120 € liegt.

Als wären dies alles noch nicht genug Hürden für die Betroffenen Patienten kommt nun nach erfolgreicher Genehmigung durch die Kasse die Suche nach einer Apotheke, die sich bereit erklärt medizinisches Cannabis auf Vorrat zu halten. Diese gestaltet sich oft mehr als schwierig. Keine Apotheke ist verpflichtet dazu überhaupt medizinisches Cannabis auf Vorrat zu halten oder auch nur auszugeben. Viele Apotheker schrecken davor zurück, sei es aus Angst vor Einbrüchen und Überfällen durch Drogensüchtige, sei es aus Angst bei „normalen“ Patienten in Verruf zu kommen, wenn sich herumspricht, dass sie „Drogen“ ausgeben.

Wenn nun Patienten tatsächlich alle diese Hürden gemeistert haben kommt noch ein weiteres Problem auf sie zu: Viele Sorten von medizinischem Cannabis sind nicht in ausreichender Menge verfügbar.  So passiert es z.B., dass eine Apotheke im Juni letztes Jahres eine Bestellung aufgab und diese erst vor wenigen Wochen ausgeliefert wurde. Warum das so ist werde ich im 2ten Teil dieser Artikelserie näher beleuchten.

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Erstveröffentlichung am 18.01.2018 in INFO-WELT, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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