Rolf Verleger
Besetztes Land
Vor 100 Jahren versprach Großbritannien den Juden das Land der Palästinenser
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Denn am 2. November 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, verkündete die britische Regierung nach monatelangen Beratungen und öffentlichen Kontroversen: „Die Regierung Seiner Majestät betrachtet die Einrichtung eines nationalen Heims in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen und wird ihre besten Bestrebungen einsetzen, um das Erreichen dieses Ziels zu ermöglichen.“
Dies ist die Hauptaussage der Balfour-Deklaration, benannt nach dem damaligen Außenminister Arthur James Balfour (1848-1930).
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Großbritanniens Motive für die Balfour-Deklaration
Die Motive waren vielschichtig; wichtig waren wohl diese: 1. Abwehr von Flüchtlingen, 2. Englands imperiale Politik, 3. Abwehr des Bolschewismus und 4. der anglikanische Zionismus.
- Abwehr von Flüchtlingen: Nachdem seit 1880 über 100.000 jüdische Flüchtlinge aus dem Zarenreich in Großbritannien angekommen waren, formierte sich 1902 die nationalistische British Brothers’ League („England for the English!“). Sie erreichte 1905 ein restriktives Einwanderungsgesetz und bereits 1903, dass die britische Regierung Herzls zionistischer Bewegung mit dem sogenannten „Uganda-Plan“ einen Landstrich in Kenia als jüdische Heimstätte anbot, um die Flüchtlinge umzulenken. Das lehnte die zionistische Bewegung nach anfänglichen Erwägungen letztlich ab. Es blieb den Juden aus dem Zarenreich als Auswanderungsziel Amerika, besonders die USA: Etwa zwei Millionen europäische Juden, die meisten aus dem Zarenreich, wanderten zwischen 1880 und 1914 dorthin aus. Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Auswanderung, und Großbritannien musste daher befürchten, wieder Ziel einer Flüchtlingswelle aus dem revolutionären, in Bürgerkrieg und Pogrome verstrickten Russischen Reich zu werden.
- Imperiale Politik: Der Reichtum Großbritanniens hing an seinen Kolonien, besonders am riesigen Indien. Der Handelsweg nach Indien führte durch das Mittelmeer über die britischen Stationen Gibraltar, Malta und Zypern sowie durch den Sueskanal. Ägypten war bereits britische Halbkolonie, und es war wichtig für Großbritannien, auch das östliche Hinterland des Kanals abzusichern: Palästina, das zum Osmanischen Reich gehörte. Die Zerschlagung dieses Reichs war ein Hauptziel für Großbritannien im Ersten Weltkrieg. In Absprache mit Frankreich – 1916 durch das Sykes-Picot-Abkommen – wurde dieses Ziel nach Kriegsende durch den Völkerbund besiegelt.
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Abwehr des Bolschewismus: Winston Churchill schrieb 1920 in einem Zeitschriftenbeitrag: Die Juden hätten der Welt das Beste gegeben – das Christentum – und gäben ihr nun das Schlechteste – den Bolschewismus: alle führenden Sozialisten, besonders in Russland, seien jüdisch, außer Lenin. Man müsse diese Gefahr bekämpfen, indem man im Judentum die Neigung zum Sozialismus durch einen gesunden Nationalismus ersetze – den Zionismus. Churchill stand mit dieser Meinung unter den englischen konservativen Politikern nicht allein. (Dass kurze Zeit später, nach Lenins Tod, der Georgier Stalin seine Alleinherrschaft dadurch sichern würde, dass er alle anderen Führungspersonen, Juden wie Nichtjuden, umbrachte und dadurch eindeutig klar wurde, dass der Bolschewismus keine jüdische Macht war, konnten diese englischen Politiker nicht vorausahnen.)
- Anglikanischer Zionismus: In der reformierten anglikanischen Kirche war die „evangelikale“ Idee weit verbreitet, dass sich Juden zum Christentum bekennen würden, wenn sie alle in „ihr“ Land zurückgekehrt seien, und dass dann Jesus Christus wiederkehren würde (s. dazu Shlomo Sand in Die Erfindung des Landes Israel). David Lloyd George, Premierminister 1916-1922 und treibende Kraft der Balfour-Deklaration, war als gläubiger Evangelikaler aufgewachsen.
Gemäß der Deklaration ließ sich Großbritannien 1922 nach Ende des Ersten Weltkriegs ein Mandat des Völkerbunds für dieses Gebiet des Osmanischen Reichs geben, das das heutige Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen umfasst, zum Aufbau der Jüdischen Heimstätte. Dies war im weiteren Verlauf ausschlaggebend für die Gründung des Staates Israel 1948 auf einem Teilgebiet dieses Mandats.
Anmerkung des Autors: Danke an Nirit Sommerfeld und Götz Schindler für Anmerkungen zum Text. Er findet sich in leicht veränderter Form auch auf dem Blog des Bündnisses zur Beendigung der israelischen Besatzung.
© Rolf Verleger, es wurden keine Änderungen am Text vorgenommen.
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