F.-B. Habel
Abrafaxe trauern
Zum Tod der Zeichnerin Lona Rietschel
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Als die Abrafaxe vor knapp 20 Jahren im 500. Mosaik-Heft ihren Vorgängern, den Digedags, zum ersten und bisher einzigen Mal begegneten, wurde im Team die Frage gestellt, wer die Veteranen zeichnen solle, die Wahl fiel natürlich auf Lona Rietschel. Jetzt sind die Abrafaxe, seit über 40 Jahren Helden von jungen und alten Lesern des Comic-Magazins Mosaik, zu Waisen geworden. Ihr »Vater« Lothar Dräger ging im vergangenen Jahr von uns, nun hat auch die »Mutter« der drei Gnome ihre Augen für immer geschlossen. Mit 84 Jahren erlag sie am Dienstag einer Krebserkrankung.
Seit 1960 gehörten Rietschel und Dräger zum Mosaik-Kollektiv, der Truppe von Machern der Monatszeitschrift, die noch im Verlag Junge Welt erschien. Dräger war der Autor, der sich als rechte Hand von Digedags-Erfinder Hannes Hegen Geschichten um die Zeitreisenden ausdachte; Rietschel, die ursprünglich Modezeichnerin hatte werden wollen, dann aber doch an einer Zeichentrickschule lernte, entwickelte sich zu der Zeichnerin, deren Schwung vielen Lesern am besten gefiel, auch wenn ihr Name damals noch nicht bekannt war. »Es gab da in jedem Mosaik so einige Seiten, die man sich besonders gerne anschaute, weil einfach alles stimmte – von vorne bis hinten … ›Der gute Zeichner‹ alias Lona war wieder am Werk gewesen. Lonas Strich war eben ein besonderer, stets schwungvoll und mit Leichtigkeit und selbst bei Bösewichten liebevoll«, heißt es im Nachruf der Mosaik-Redaktion. Rietschel wurde zunächst Spezialistin für Ritter Runkel, den Reisegefährten der Digedags.
Hannes Hegens von vielen Geheimnissen umranktes Ausscheiden beim Mosaik im Jahr 1975 war für Rietschel, die ein gutes Verhältnis zu diesem Chef gehabt hatte, ein traumatisches Erlebnis. Es war wohl eine kleine Befriedigung für beide, dass sie Hegen, der sich jahrzehntelang verweigert hatte, am Ende seines Lebens aufsuchte und beide ihren Frieden miteinander machten. Dass allerdings vor zwei Jahren ein Filmessay nahelegte, die Mitarbeiter seien Hegen in den Rücken gefallen, empörte Rietschel.
Nach seinem Weggang musste ein Ersatz für die Digedags gefunden werden. Das bewährte Konzept eines Trios, das durch Welt und Jahrhunderte reist, dort den Alltag erlebt und auch auf historische Personen trifft, sollte beibehalten werden. Dräger dachte sich die Abrafaxe aus und von den grafischen Entwürfen der Zeichnerinnen und Zeichner fand der von Rietschel am meisten Anklang. So wurden die beiden zu den »Eltern« der Abrafaxe. Dräger arbeitete bis 1990 für das Heft, Rietschel bis 1999 als künstlerische Leiterin, danach zeichnete sie immer wieder Titelbilder für Sonderausgaben. Auf Fantreffen in Berlin, Apolda und anderswo schuf sie kleine Zeichnungen und signierte ihr 2013 erschienenes Buch »Bilder meines Lebens«. Im gleichen Jahr wurde Rietschel auf dem Comic-Festival in München mit dem »Peng!«-Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, eine Ehrung, die vor ihr die westdeutschen Kollegen Rolf Kauka und Hansrudi Wäscher erhalten hatten.
Lona Rietschel, die 1933 im heute polnischen Rzepin geboren wurde, hat auch anderweitig Spuren in der Öffentlichkeit hinterlassen. Gemeinsam mit ihrem vor fünf Jahren verstorbenen Mann, dem Grafiker Kurt Rietschel, gestaltete sie Werke für den Berliner Tierpark. Ein großes, witziges Wandbild von ihr in der Betriebskantine hat tatsächlich alle Umstrukturierungen überlebt.
Abrax, Brabax und Califax sind bei den acht Zeichnern, die im Mosaik-Verlag Steinchen für Steinchen in Berlin-Westend heute an den Heften und Büchern arbeiten, in guten Händen. An Rietschels unprätentiösem, akkuratem Stil haben sich alle orientiert, und Redaktionsleiter Jörg Reuter, Rietschels Schwiegersohn, sorgt für Kontinuität bei den drei kleinen Kerlen.
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Erstveröffentlichung: Junge Welt, 21.12.2017, mit freundlicher Genehmigung des Autorss.
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Oh, schwerer Schlag! Sie hat Zeichen gesetzt. Die Mosaik-Serie aber auch. Ich war ganz baff, als ich – mehr aus Gaudi – mit Kurden gesprochen hatte, ein Volk, für das ich aus mehreren Gründen einige Sympathie entiwckelt habe, und dabei Hassan, den Alten vom Berge erwähnt hatte, der bei den Digedags mit ihrem Ritter Runkel vorkam. Und tatsächlich – der Name war denen Begriff! Dank an die Autoren! Es hatte sich damals eine recht rege Diskussion entwickeln können. Und bicherlich war das auch einer der Grundsteine für meine Kurden-Sympathie.