Sie nennen es Demokratie aber es ist keine!
Freiheit für die politischen Gefangenen!

Kommuniqué der PCE (ml)   
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Die von Carmel Lamela, Richterin an der „Audiencia National“ (etwa: Nationaler Staatsgerichtshof – d. Übers.), beschlossene Anordnung, die Vorsitzenden von „Omnium Cultural“(1) und der „ANC“(2), Jordi Cuixart und Jordi Sanchez zu verhaften, ist ein weiterer, besonders gravierender Schritt in der Konfrontation zwischen dem monarchistischen spanischen Staat und den katalanischen Institutionen.

Der oberste Gerichtshof in Madrid wirft den Katalanen Jordi Sánchez und Jordi Cuixart laut Medienberichten „aufrührerisches Verhalten“ vor.

Nach der Unabhängig- keitserklärung vom 10. Oktober, die im gleichen Zug vom katalanischen Parlament ausgesetzt worden war, gab es eine ununterbrochene Reihe von Provokationen durch das pro-spanische Lager. Die Regierung und ihre Komplizen fordern einen bedingungslosen Rückzug der katalanischen Institutionen, was eine Provokation gegen das katalanische Volk darstellt, das legitimer Weise sein Recht einfordert, über die eigene Zukunft selbst zu entscheiden.

Die Regierung und die sie stützenden politischen Kräfte sind sich der politischen Konsequenzen dieser Entscheidung voll bewusst. Tatsächlich üben einige ihrer führenden Politiker (insbesondere die Führer von „Ciudadanos“ und der Wortführer des katalanischen Partido Popular PP[Regierungspartei – d. Übers.]) Druck aus, noch weiter zu gehen und verlangen die sofortige Anwendung des Verfassungsartikels 155 3 oder auch das Verbot von Wahlprogrammen, die für die Unabhängigkeit Kataloniens eintreten.

Straßennamen in Madrid – die Creme de la Creme des spanischen Faschismus (Foto: KFSR)

All das in einem Staat, der noch die Namen einiger der schlimmsten Verbrecher des europäischen Faschismus als Straßennamen beibehält und in dem noch Tausende von Opfern des Franco-faschistischen Terrors in Massengräbern liegen. Dieser Staat hat einen riesigen Schleier des Schweigens über all die Fälle von Staatsterrorismus oder Korruption gebreitet, bei denen sich die Gerichtsverfahren ewig hinziehen und in ungemein kleinlichen rechtlichen Formalien untergehen, während genau derselbe Staat die eiserne Faust des Gesetzes – seines Gesetzes –jeden spüren lässt, der es wagt, die „verfassungsmäßige Ordnung“ in Frage zu stellen. Die herrschende Clique verlangt von den radikalisierten Teilen der katalanischen Bourgeoisie die bedingungs- und alternativlose Unterwerfung, ein Ziel, mit dem sie jedwede Tür zu einer Verhandlungslösung zuschlägt. Der Koordinator des PP, Martinez Maillo, erwog die Inhaftierung der nationalistischen Führer als Teil der „institutionellen Normalität“; auch Rajoy, Rivera und Sanchez4 bestehen stur darauf, dass als Vorbedingung jeder Verhandlung die katalanische Regierung die „demokratische Gesetzlichkeit“ und die Verfassung von 1978 respektieren müsse.

Es ist Realität, dass dieselben politischen Vertreter der nationalen Oligarchie, welche die unteren Klassen einer ständigen Verschlechterung ihrer Lebensgrundlagen unterwirft, die Gesetze und diese monarchistische Verfassung von 1978, die alt und beschränkt ist, nach ihrem Belieben verändert haben  –  unter Missachtung der Meinung der Mehrheit der werktätigen Massen. Im heutigen Spanien sind sie es, die die Gesetze diktieren und die Grenzen der Demokratie festlegen.

Wir stehen nicht vor einem Konflikt zwischen einem Staat, der die Demokratie verteidigt und einer nach Unabhängigkeit strebenden Minderheit, welche diese missachtet. Nein, wir stellen gerade anhand der Tatschen fest, dass die Demokratie, die Rajoy und seine Verbündeten im Mund führen, in Wirklichkeit eine Klassendiktatur ist, deren Gesetze von einer Politikerkaste diktiert werden, auf dem Rücken der Mehrheit.

Gibt es dafür einen besseren Beweis als die Tatsache, dass Festnahme und Haft der Vertreter von Omnium und ANC durch die Richterin der „Audiencia National“ angeordnet wurde, eines Gerichts, das das Franko-faschistische „Tribunal für öffentliche Ordnung“ beerbt hat? Es genügt festzustellen, dass die Errichtung der „Audiencia National“ am 4. Januar 1977 zur selben Zeit erfolgte wie die Auflösung des „Tribunals für öffentliche Ordnung“, dieses Repressionsorgans des Franko-Faschismus, dessen einzige Rechtfertigung es war, den Bestand der „organischen Demokratie“ des Mörders Franco zu garantieren, und das Zigtausende von Kämpfern gegen Franco und für die Demokratie brutal unterdrückte.

Genug der Lügen! Was wir dieser Tage erleben, zeigt  –  wir betonen es immer wieder  –  die wahre Natur dieses Regimes von 1978, das auf immer gleiche Art antwortet, wenn seine Normen in Frage gestellt werden; Normen, durchgesetzt von einer Kaste von Politprofiteuren.

Diese Kaste, die die soziale Bewegung mit dem Artikel 315 5 des Strafgesetzbuches bekämpft und mehr als 300 Gewerkschafter vor Gericht geschleppt hat, weil sie ihr Streikrecht ausgeübt haben, reagiert genauso auf die Empörung der Bürger über die brutalen Haushaltskürzungen Ministerpräsident Rajoys, nämlich mit der Anwendung des Knebel-Gesetzes, eines echten Ausnahmegesetzes, das die freie Ausübung des demokratischen Rechts der Meinungs-, Informations- und Demonstrationsfreiheit beschneidet.

„Sie nennen es Demokratie, aber es ist keine!“ schrie es im Februar 2003 zum ersten Mal aus tausenden Kehlen, um dem Protest gegen den Golfkrieg Ausdruck zu verleihen, der vom Ganoven Aznar6 gemeinsam mit Blair und Bush genauso „demokratisch“ beschlossen worden war. Die gleiche Parole riefen Hunderttausende während der Wellen des Protestes gegen die Haushaltskürzungen der Regierung Rajoy.

Wir leben de facto in einem Ausnahmezustand, mit dem die herrschende Clique die Proteste eines Volkes zum Schweigen bringen will, das an den Entscheidungen beteiligt sein will, die es betreffen. Heute stehen nicht nur die Rechte des katalanischen Volkes auf dem Spiel: Nein, die Regierung und ihre Komplizen sind dabei, mit der gleichen üblichen Straflosigkeit den elementarsten demokratischen Rechten aller Gewalt anzutun.

Unter diesen Umständen erneuert unsere Partei ihren Appell an alle linken und demokratischen Kräfte, sich zum Kampf für die Demokratie und für den Sturz des korrupten, demokratiefeindlichen Regimes von 1978 zu einer gemeinsamen Kraft zusammen zu schließen. Wir bringen zugleich unsere Unterstützung für den Aufruf der Junta Estatal Republicana7 zum Ausdruck, eine gemeinsame Kampagne zu starten, die es ermöglicht, den Weg zu einer Föderativen Republik in Spanien zu ebnen. Wir rufen auf, den kommenden 6. Dezember als allgemeinen Appell zu gestalten, als Ausdruck und Katalysator für die Forderung, mit dem monarchischen System zu brechen.

Freiheit für Jordi Cuixart und Jordi Sanchez! 

Genug der Lügen! Sie nennen es Demokratie, aber es ist keine! 

Madrid, den 17. Oktober 2017,
Exekutivkomitee der Kommunistischen Partei Spaniens (Marxisten-Leninisten)
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Anmerkungen zum Text:

  1. Omnium cultural: Verband, der die katalanische Sprache und Kultur fördert.
  2. Assemblée Nationale Catalane: 2012 mit dem Ziel der politischen Unabhängigkeit gegründete Organisation. Sie spielte eine maßgebliche Rolle bei der Organisation von Demonstrationen für die Unabhängigkeit und gegen die seit dem Tag der Abstimmung für die Unabhängigkeit stattfindende Repression.
  3. Der Artikel 155 sieht für die spanische Regierung die Möglichkeit vor, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um „ein autonomes Gemeinwesen zu verpflichten, seine verfassungsmäßigen Pflichten zu erfüllen“. Der Ministerpräsident kann die Kontrolle über die betreffende Region, über seine politischen und staatlichen Organe übernehmen. Er kann dann Regierungsmitglieder suspendieren und ersetzen, die Befehlsgewalt über die örtliche Polizei übernehmen, die dann unter dem Befehl des Innenministers steht. Er kann das Regionalparlament auflösen oder auch den öffentlichen Dienst übernehmen.
  4. Rahoy: spanischer Ministerpräsident und Führer des Partido Popular (PP), Rivera: Vorsitzender der Partei Ciudadanos, Sanchez: Generalsekretär der PSOE (Sozialdemokratische Partei).
  5. Artikel 315-3 des Strafgesetzbuchs ist ein Überbleibsel des faschistischen Strafrechts unter Franco. Er trifft bis heute Menschen, „die als Gruppe oder Individuum, aber im Einverständnis mit anderen, andere Personen zwingt, einen Streik zu beginnen oder fortzusetzen“. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Maßnahme, die jeden Streikenden oder Gewerkschafter, der zum Streik aufruft, mit Verfolgung bedroht.
  6. Aznar: Ehemaliger Vorsitzender des Partido Popular (PP) und spanischer Ministerpräsident von 1996 bis 2004.
  7. Junta Estatal Republicana: Republikanische, nationale Vereinigung, bestehend aus (bzw. unterstützt von) zahlreichen linken und republikanischen Parteien, darunter der PCEml.

(Übersetzung aus dem Französischen)

Erstveröffentlichung in deutscher Sprache am 25. Okt. 2017 in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.

Hinweis: Nach der hier von der der PCE(ml) verbreiteten Erklärung ist die Entwicklung des Konflikts schon weitergegangen. Am Samstag, 21. Oktober, hat der im Text  mehrfach kritisierte spanische Ministerpräsident Rajoy den Prozess der Beseitigung der Autonomie Kataloniens nach Artikel 155 der monarchistischen spanischen Verfassung bereits eingeleitet und so die Eskalationsschraube weiter gedreht!

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