Thomas Grossman
Für die Underdogs
Das 11. Dean-Reed-Treffen fand vom 15. bis 17. September in Berlin statt
„Die weiße Stirn zerpellt. / Von einer Kugel Eisen. / So stieß man sie aus der Welt. / Der Tod will nichts heißen. / Der Fluss nahm sie gütig auf. / Sie lag im Eis gefangen.“ Diesen Vers über Rosa Luxemburg rezitierte Nico Diener von der linken Onlinezeitung „American Rebel“ am Vorabend des 11. Dean-Reed-Treffens Mitte September in Berlin. Und zwar genau an der Stelle im Berliner Tiergarten, wo reaktionäre Soldaten und Offiziere die von ihnen am 15. Januar 1919 ermordete Revolutionärin in den Landwehrkanal geworfen hatten und wo sich heute ein kleines Denkmal befindet. Eine Handvoll Gäste des Dean-Reed-Treffens waren gekommen, um Rosa Luxemburg zu gedenken. Auch in den letzten Jahren waren bereits Revolutionäre und Arbeiterführer – wie Ernst Thälmann – am Vorabend des Dean-Reed-Treffens geehrt worden. Nico Diener von „American Rebel“ verdeutlichte die Lebensstationen der Luxemburg.
Weiter erklärte er, dass es seit dem letzten Treffen im vorigen Jahr, bei der Onlinezeitung „American Rebel“, viel Neues gibt (*).
Dean Reed, amerikanischer Musiker, Entertainer und Schauspieler – der lange in der DDR lebte – ist nun seit mehr als dreißig Jahren tot. Ist es gerechtfertigt, ihn noch immer zu ehren? Eine Frage des in Berlin lebenden USA-Publizisten Victor Grossman beim Dean-Reed-Treffen im Berliner Kino Babylon. Und er nannte in seiner Rede Gründe, warum die Erinnerung an Reed heute noch höchst relevant bleibt. Vor allem war da Reeds Internationalismus – er nahm Anteil an den Leiden und Kämpfen der „underdogs“ in aller Welt, ob in Argentinien, Chile, Vietnam oder im Nahen Osten. Nicht selbstverständlich für einen „Cowboy-Typen“, der aus dem rückständigen USA-Staat Colorado kam.
Dann war da Deans „magnetische Begeisterung“, seine Warmherzigkeit, Lebendigkeit und Ausstrahlung. Dean stand auch für Prinzipien, die heute genauso vonnöten sind wie damals.
Er war, so Victor Grossman, in seiner Laudatio auf Deen Reed, ein Romantiker und auch ein Showman. Manche Kenntnisse, Gewohnheiten und Züge aus Hollywood streifte er nie ab, setzte sie aber stets für die „gute Sache“ ein. So wusch er 1970 vor dem USA-Konsulat in Santiago de Chile das USA-Sternenbanner – aus Protest gegen den Vietnam-Krieg. Zu Reeds Show-Business gehörte die Suche nach medienwirksamen Einfällen, die auf amerikanisch Gimmicks heißen. Gimmicks, so Grossman, sind auch heute nötig, um den Nebel der Medien zu durchbrechen. Können Linke sie nicht heute ebenfalls ideenreich verwenden?
Die in Berlin lebende kubani- sche Sängerin Twin Aguas del Rio sang aus-drucksvoll „Plegaria a un labrador“ vom chilenischen Liedermacher Victor Jara, der auf den Tag genau vor 44 Jahren von Pinochet-Faschisten ermordet wurde. In dem Lied heißt es: „Bauer, erhebe dich /…/ Befreie uns von denen, die uns unterdrücken“. Twin Aguas del Rio erinnerte daran, dass Dean Reed anfangs der 1960er Jahre ein gefeierter Rock & Roll-Star in Südamerika war, sich dann aber dort – angesichts der bitteren Armut vieler – politisiert hat und später das chilenische Linksbündnis Unidad Popular von Salvador Allende unterstützte.
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„Man müsste nur die Wahrheit drucken – Man müsste aufhör´n, sich zu ducken“ heißt ein gerade fertiggestelltes Buch von „American Rebel“, der unterstützt durch das „Dean-Reed-Archiv Berlin“ und vom Verein „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 e.V. (KFSR)“, das Dean-Reed-Treffen, zu dem leider nur etwa 40 Gäste gekommen waren, veranstaltet hat. Nico Diener von „American Rebel“ stellte das Buch vor, an dem sich dreißig linke Autoren mit Gedichten, Liedern und Texten beteiligt haben. Einige wie Elisabeth Monsig, Jürgen Eger, Fiete Jensen, Ilga Röder, malcom.z und Klaus Meier waren anwesend und trugen ihre Beiträge vor (**).
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Da war der Publizist malcom.z, der sich selbst als ein „DDR-Widerstandskämpfer, Hinter- und Untergründler, Verteidiger des Volkes und des DDR-Patriotismus, Ergründer und Schreiber der Wahrheit gegen die Lügen des Anschluss-Regimes“ bezeichnet und der seine Bücher – darunter eins über den Liedermacher Kurt Demmler, eins über Stalin („Der Stählerne“) und „Was du noch nie über NSU wissen wolltest“ – während der Veranstaltung zum Verkauf bot. Er brachte seine klugen Texte zur Gitarre zu Gehör. Darunter „Man müßte…“ aus dem Jahre 2010, in dem es heißt: „Man müßte nur die Wahrheit drucken, / man müßte aufhör’n sich zu ducken / und es ist Krieg. / Man müßte eigne Meinung wagen / und das Wort Widerstand laut sagen, / und es ist Krieg. / Doch man macht gerade seinen Job. / Man greift sich höchstens an den Kopp. / bucht schnell mal günstig einen Tripp. / kleidet sich und gibt sich hipp / freut sich des Lebens / und hofft, es sei nicht vergebens.“ Und in einem ebenfalls überaus gelungenen Song von 2015: „Der Geldgott schuf die Proleten / die schuf…teten für Geld / die anderen häuften Moneten / die einen bauten die Welt / die anderen lebten im Luxus / die einen in Hunger und Not / die einen träumten von einer Welt / in Freiheit, entgegen dem Morgenrot /.“
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Und da war auch die 93jährige Elisabeth Monsig, deren Vater, KPD-Mitglied, 1933 von Faschisten ermordet wurde. Sie selbst trat 1945 in die KPD ein und übersiedelte 1954 mit ihren beiden Kindern von Westdeutschland in die DDR. In den letzten Jahren verfasste sie, heute DKP-Mitglied, eine Reihe von Gedichten und Texten. Da sie nicht mehr lesen kann, trug sie ihre Verse frei vor. So etwa diesen: “Ich möchte nicht mehr zwanzig sein, da tobte noch der Krieg / doch wenn ich jetzt erst 70 wär, das wäre mir schon lieb / Hat Autofahren Spaß gemacht / und auch das Demonstrieren / gegen Krieg und Armut überall gemeinsam protestieren. / Wenn ich auch nur schlecht laufen kann und nicht mehr Auto fahren, mit meinem Kopf bin ich dabei, so wie seit vielen Jahren“.
Der freiberufliche Grafi- ker und Schriftsetzer mit dem Künstlernamen „Zersetzer“ schuf ein Porträt von Dean Reed, das Nico Diener vom Dean-Reed-Archiv Berlin, symbolisch überreichte. Seit 2011 stellt er solche „Ikonen zum Anfassen“ her und hat bereits Grafiken von 100 Persönlichkeiten – seine persönlichen Helden – gefertigt. Darunter z.B. Joe Strummer, Mercedes Sosa, Bobby Seale, Augusto César Sandino, Mumia Abu Jamal, Olga Benario, Bertolt Brecht, Angela Davis, Max Hoelz, Bob Marley oder Rudi Dutschke. Nun also auch Dean Reed, auf den er vor einigen Jahren gestoßen ist und den er als eine Person mitten im Kalten Krieg begreift. Dass Reed in den „Osten“ ging sieht der „Zersetzer“ symbolisch. Dean Reed, so erklärte er, war eine widersprüchliche Persönlichkeit: „Davon gehe ich aus, dass Menschen Widersprüche in sich tragen.“
„Es war wohl 1973“, erzählte der Berliner Dichtersänger Frank Viehweg, “als mich meine Eltern aus dem Bett und vor den Fernseher holten, um mir einen Sänger zu zeigen, der mir gefallen könnte. Dean Reed sang: ‚Wir sagen ja!‘ Und meine Eltern hatten sich nicht getäuscht“. Dean Reed, so Viehweg, war im guten Sinne ein Träumer, ein Utopist und hatte es am Ende schwer, mit seinem allmählich verblassenden Ruhm umzugehen.
In seinem zweistündigen Konzert sang Viehweg zur Gitarre (zumeist eigene) Lieder aus verschiedenen Jahrzehnten. Bereits nach seinem Abitur hatte er erste Gedichte veröffentlicht. 1981 wurde er wegen eines Liedes und eines Gedichts aus der SED und der FDJ ausgeschlossen, bekam aber zwei Jahre später den Reinhard-Weisbach-Preis des DDR-Jugendverbandes. Bis heute hat er elf CDs und elf Bücher – vor allem mit Liedtexten – veröffentlicht. Im „Babylon“ sang er nachdenkliche und romantische Lieder, dialektische Gegensätze liebend, oft auf die DDR rückblickend und aufzeigend, was seitdem mit uns allen passiert ist. So sang er „Nicht meine Zeit“ von 2014, wohl eines seiner besten Lieder, in dem es heißt: „Was zählt, ist einzig das, was sich verkauft./ Der Maßstab aller Dinge ist der Preis. / Wer sich nicht wehren kann, wird schon getauft. / Und wer sich wehrt, den schubst man aus dem Gleis.“ Oder das ebenfalls essentielle „Nicht mehr als“ von 2002, mit dem Vers: „Nein, ich habe nicht mehr als ein paar Worte / Gegen alle Kriege und für dich / Und ob ich sie schreibe oder sage / Oder auf den Markt der Eitelkeiten trage / Ändert nicht die Welt und nicht mal mich.“ Doch im Refrain heißt es optimistischer: „Und doch hoffe ich, dass mein Lied dich vor allen Gefahren beschützt und dich mutiger macht.“
Video: Ute Bella Donner
Auch vier neue Lieder sang er, die noch in diesem Jahr in dem Lyrik-Band „Wege der Liebe“ erscheinen sollen. Inspiriert von Alexandra Kollontai – russische Revolutionärin, Diplomatin und Schriftstellerin (vom der der Grafiker „Zersetzer“ auch eine „Ikone zum Anfassen“ gefertigt hat).
Für den „Oranienburger Generalanzeiger“ setzt Viehweg „sich und seine Liebe ins Verhältnis zur Welt und ihren Nöten. So richten sich seine Visionen und Utopien sowohl aufs Ganze als auch aufs Allerpersönlichste – ein moderner Minnesänger mit eigenem Ton, der innig und feinsinnig von der Liebe in all ihren Tönen und Zwischentönen zu singen und zu sagen weiß.“
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* Die Redaktion hat sich um um drei Onlineportale erweitert, die sich jeweils mit ganz bestimmten Themengruppen befassen: www.Hartz-IV-Nachrichten.de mit der Verelendung der Bevölkerung und den Erniedrigungen durch die Hartz.IV-Gesetzgebung, www.Einheit-ML.de mit dem Problem der Uneinigkeit der Marxisten-Leninisten in Deutschland und www.ElCantor.de mit der Förderung von Musik für Frieden, Gerechtigkeit und das Recht auf ein Leben ohne Ausbeutung.
** Man müsste nur die Wahrheit drucken – Man müsste aufhör’n, sich zu ducken: American Rebel (Herausgeber), BoD BOOKS on DEMAND, 2017, 148 Seiten
Bestellung: AmericanRebel@gmx.net, Preis 8,99 € incl. Versandkosten.
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Anmerkung/Anhang der Redaktion:
> Und was man sonst noch so sah <<<
Kleine Fotoreportage von Ingo Müller
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