Fiete Jensen

Der Wahlzirkus ist eröffnet

Ist es sinnvoll sich an den bürgerlichen Wahlen zu beteiligen?
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Fiete Jensen

Fiete Jensen

„Parlamente sind Schwatzbuden“ (Lenin) und „Würden Wahlen etwas verändern – wären sie verboten“ (Volksweisheit) sind zwei Aussagen die mich als Marxist-Leninist seit meinem Eintritt ins Berufsleben begleitet haben. Aber, wenn das so einfach wäre, würden doch nicht von Jahr zu Jahr linke Parteien zur Wahl antreten. Allen voran die sozialdemokratische Partei »Die Linke« mit ihren Tausenden fleißigen Genossen und ihren Abgeordneten im Bundestag und in den Landtagen, die oftmals ganz andere Wege gehen als das Parteivolk es wünscht. Die »DKP«, die sich als marxistische Kleinpartei gerade in einer schweren Krise befindet. Die »MLPD« die weder Kosten noch Mühe scheut, um über die Möglichkeit der Wahlbeteiligung auf sich aufmerksam zu machen und zu guter Letzt die sogenannte »KPD« von der man außer der Wahlbeteiligung sonst kaum etwas hört.

In allen dieser Parteien findet man ehrliche und aufrechte Marxisten, wäre es ihnen die Unterstützung, also die Wählerstimme,  zu verweigern nicht ein Verrat an den eigen Zielen? Ich habe dazu seit vielen Jahren eine klare Haltung und wollte sie gerade zu Papier bringen, als ich am Montag auf einen Artikel in der Onlinezeitung »Arbeit Zukunft« stieß der genau das aussagt, was ich schreiben wollte. Deshalb gebe ich ihn mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber im Anschluss wieder.
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Kämpfen! Sich Organisieren! Wählen?

Viele Menschen stellen sich die Frage, ob und wem sie bei den Bundestagswahlen im September ihre Stimme geben sollen. Sie sind unsicher, ob sie den Parteien und Kandidaten vertrauen können. Zu Recht!
Denn tatsächlich gibt es vor den Wahlen immer eine Menge Versprechungen und tolle Programme, aber alle wissen, dass davon nach den Wahlen nichts übrig bleibt. Meist geschieht sogar das Gegenteil! Statt Frieden gibt es mehr Krieg; statt Steuersenkungen gibt es -erhöhungen usw.

Wahlplakat der SPD, 2017

Gerade hat die SPD die soziale Frage „entdeckt“, nachdem sie in vielen, vielen Regierungsjahren kräftig daran gearbeitet hat, Billiglöhne, massive Ausweitung von Leiharbeit und anderen unsicheren Arbeitsverhältnissen, Senkung der Renten, Einsparen bei Bildung und Kultur zu ermöglichen.
Klar! Die Abgeordneten sind nicht ihrem Wähler sondern nur gegenüber ihrem „Gewissen“ verantwortlich. Das befindet sich aber zumeist in deren Geldbörse! Faktisch hat das Kapital sich in unserer „Demokratie“ zahllose Möglichkeiten geschaffen, auf den Staat Einfluss zu nehmen. Das wurde wie im Bilderbuch beim Dieselskandal deutlich, wo der Staat willfähriger Diener der großen Konzerne war und ist.
Das Kapital kann Ministern, Abgeordneten, hohen Beamten lukrative Beraterverträge, Aufträge, Honorare, Nebenjobs verschaffen. Und nach ihrem Ausscheiden aus Parlament und Staatsapparat finden viele von ihnen einen gut dotierten Posten bei großen Konzernen.
Schon Friedrich Engels hat dazu gesagt:
„…die demokratische Republik weiß offiziell nichts mehr von Besitzunterschieden. In ihr übt der Reichtum seine Macht indirekt, aber um so sichrer aus. Einerseits in der Form der direkten Beamtenkorruption,… andrerseits in der Form der Allianz von Regierung und Börse, die sich um so leichter vollzieht, je mehr die Staatsschulden steigen und je mehr Aktiengesellschaften nicht nur den Transport, sondern auch die Produktion selbst in ihren Händen konzentrieren und wiederum in der Börse ihren Mittelpunkt finden… Und endlich herrscht die besitzende Klasse direkt mittelst des allgemeinen Stimmrechts. Solange die unterdrückte Klasse, also in unserm Fall das Proletariat, noch nicht reif ist zu seiner Selbstbefreiung, solange wird sie, der Mehrzahl nach, die bestehende Gesellschaftsordnung als die einzig mögliche erkennen und politisch der Schwanz der Kapitalistenklasse, ihr äußerster linker Flügel sein. In dem Maß aber, worin sie ihrer Selbstemanzipation entgegenreift, in dem Maß konstituiert sie sich als eigne Partei, wählt ihre eignen Vertreter, nicht die der Kapitalisten. Das allgemeine Stimmrecht ist so der Gradmesser der Reife der Arbeiterklasse. Mehr kann und wird es nie sein im heutigen Staat; aber das genügt auch.“
(Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, MEW Bd. 21, S.167f)

Kämpfen und sich organisieren!
Es ist also klar: Wer seine Hoffnungen an Wahlen knüpft, der wird enttäuscht werden!
Wer etwas erreichen will, der muss sich schon selber aktiv um seine Interessen kümmern, d.h. kämpfen! Das Kapital schenkt nichts. Es vertritt knallhart seine Interessen! Nur wenn sich die Arbeiterklasse, wie Engels sagt, selbst emanzipiert und als eigene Partei konstituiert, kann sie vorankommen.
Jeder Schritt im Betrieb gegen Arbeitsverdichtung, Entlassungen, Ausgliederungen, für Übernahme von Leiharbeitern hat mehr Aussicht auf Erfolg als jede Hoffnung, die man an eine Wahl knüpft. Denn hier kann man mit Kolleg/innen gemeinsam etwas selbst bewegen. Auch dann kann man verlieren, wenn man nicht stark genug ist, Fehler macht, organisatorische Schwächen hat. Man hat jedoch eine Chance. Wenn man verliert, kann man daraus lernen und es das nächste Mal besser machen.
Engels unterstreicht, dass die Arbeiterklasse „sich als eigne Partei“ organisieren muss. Allein ist man schwach. Organisiert kann man sich an die Befreiung vom Kapital machen. Jeder Eintritt in die „Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ ist ein Schritt zur Konstituierung einer solchen „eigne(n) Partei“! Selbst die bewusste Organisierung in einer Gewerkschaft ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber gerade heute gilt hier dasselbe: Auch in den Gewerkschaften müssen die kämpferischen Kolleg/innen, wie überall in der Gesellschaft, aktiv sein und um die Durchsetzung ihrer Interessen gegen die Co-Management-Vorstände und ihren Apparat kämpfen.

Wählen?
Einige Linke ziehen daraus, dass man mit Wahlen nicht die Machtverhältnisse verändern kann, die Schlussfolgerung, dass man dann am besten nicht wählen geht.
Das klingt logisch. Es gibt durchaus Situationen, wo Wahlboykott sinnvoll ist. Allerdings haben beispielsweise die Bolschewiki selbst unter den Bedingungen der zaristischen Diktatur immer wieder Kandidaten zur Wahl der Duma aufgestellt. Und diese wurden gewählt und nutzten ihre Position als Abgeordnete der Duma.
Engels sagt dazu: „…in dem Maß konstituiert sie sich als eigne Partei, wählt ihre eignen Vertreter, nicht die der Kapitalisten.“
Karl Marx forderte:
„dass überall neben den bürgerlichen … Kandidaten Arbei­ter­kandidaten aufgestellt werden,… deren Wahl mit allen mög­lichen Mitteln zu betreiben ist. Selbst da, wo gar keine Aus­sicht zu ihrer Durchführung vor­handen ist, müssen die Ar­bei­ter ihre eigenen Kandidaten auf­stellen, um ihre Selb­stän­dig­keit zu be­wahren, ihre Kräfte zu zählen, ihre revolutionäre Stel­lung und Partei­stand­punkte vor die Öffentlichkeit zu bringen.“ (Karl Marx: Ansprache der Zentralbehörde an den Bund, März 1850)
Das ist eindeutig. Das Grundprinzip ist also nicht der Wahlboykott, der ist die Ausnahme in besonderen Situationen. Das Grundprinzip ist der Kampf um „eigne Vertreter“ und die Wahrung der „Selb­stän­dig­keit“.
Wer über die eigene Schwäche klagt und deshalb einen Wahlboykott will, der ignoriert die Feststellungen von Engels und Marx, dass man für die Herausbildung einer eigenen Partei der Arbeiterklasse kämpfen muss. Der müsste umgehend die Konsequenz ziehen und die revolutionäre Organisation stärken.
Wie wichtig „eigne Vertreter“ sind, kann man bereits heute bei einzelnen Bundestagsabgeordneten sehen. Wenn beispielsweise Sevim Dagdelen oder andere die Aufrüstungs- und Kriegspolitik der Bundesregierung im Parlament, in den Medien anprangern, dann hat das oftmals mehr Wirkung in der Öffentlichkeit als jedes Flugblatt. Es wäre dumm, auf solche Positionen zu verzichten.
Und es ist durchaus wichtig, ob solche Kandidaten 1000, 10.000 oder 20.000 mehr Stimmen als andere Kandidaten erhalten, die nach Pöstchen schielen.

Wahlplakat der DKP, 2017

Wir empfehlen daher, in jedem Wahlkreis die Kandidaten der Linken, der MLPD und der DKP genau anzuschauen. Gibt es Kandidaten, die man vielleicht auch mit Abstrichen als „eigne Vertreter“ der Arbeiterklasse ansehen kann, dann sollte man diese offen unterstützen und sich mit allen zur Verfügung stehenden Kräften dafür einsetzen, dass diese möglichst viele Stimmen erhalten. So kann unter den derzeit schwierigen Bedingungen wenigstens in geringem Umfang deutlich werden, dass klassenkämpferische Kräfte als Kandidaten Erfolg haben und Menschen hinter ihnen stehen können.
Selbstverständlich können wir in keinem Fall Kandidaten empfehlen, die auf Pöstchen schielen und dieses System akzeptieren. In Karlsruhe haben beispielsweise Genossen darauf hingewiesen, dass
dort Verantwortliche der Linkspartei in der MIKA, der Mieterinitiative Karlsruhe Genossenschaft e.G., die ein soziales Wohnprojekt für ein Zusammenleben von Behinderten, Alleinstehenden, alten Menschen und Familien betreibt, einen der letzten Behinderten, einen Blinden, mit falschen Anschuldigungen gemobbt und auf die Straße gesetzt haben. Er lebte dann über ein Jahr als Obdachloser.
Solche Personen sind selbstverständlich nicht wählbar.
Wer möchte, dass Abgeordnete wie Sevim Dagdelen und andere im Parlament sitzen, sollte allerdings auch seine Zweitstimme ihrer Partei geben, solange es keine eigenständige Kandidatur der revolutionären Organisation der Arbeiterklasse gibt.
Wählen kann etwas bringen, wenn fortschrittliche Vertreter der Interessen der Arbeiterklasse im Parlament deren Positionen vertreten können. Tausendmal wichtiger aber ist es, endlich mit aller Kraft dafür einzutreten, dass die Arbeiterklasse „sich als eigne Partei“ konstituiert.
Daher:
Kämpfen und sich organisieren!
Die Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei aufbauen und stärken!

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