Susanne Fiebig
Während ich lebe…
Doch tief im Herzen weiß ich, ich bin nicht dumm oder naiv. Das lasst euch gesagt sein!
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Während ich, Susanne Fiebig, lebe…
Während ich friedlich schlafe, im weichem Bett mit dickem Kopfkissen,
frieren draußen Menschen, auf kaltem, hartem Boden, ohne Schutz vor Gewalt, Regen oder Frost.
Während ich morgens dusche, mit sauberen, heißem Wasser und einer Portion Duschgel mit Lavendel Duft,
machen sich gerade andere Mütter auf den Weg zu einem Brunnen. Weit weg von ihrem Dorf, zu Fuß und ohne Schuhe.
Während ich mir morgens hastig eine Schale Müsli reinstopfe und noch schnell eine Banane für unterwegs greife,
stirbt gerade eine Frau, gezeichnet vom harten Leben macht sie ihren letzten Atemzug. In Europa hätte ihr ein Antibiotikum geholfen. Aber Europa ist weit weg.
Während ich meine Kinder zur Schule bringe, die Zeit zum Plaudern genieße, sie zum Abschied küsse und necke,
arbeiten andere Kinder gerade in schäbigen Fabriken um unseren Konsum zu stillen, haben keine Chance auf Bildung, nur die Chance ihr Leben zu verlieren.
Während ich auf Arbeit mit Kollegen lache, neuste Rezepte und Nachrichten austausche,
tötet gerade eine Autobombe zig Menschen, Väter, Mütter und Kinder. Das Leben vieler wird ausgelöscht. Krawumm, Staub, Chaos, Angst und Tot!
Während ich nach Feierabend durch Aldi & Co schlendere, „Was mach ich bloß zum Abendbrot?“ in meinem Kopf das Hauptproblem zu sein scheint,
bettelt gerade ein Vater um ein wenig Geld am dreckigen Straßenrand. Mit leeren Händen nach Hause gehen kann er nicht…
Während ich frisches Brot, Butter und verschiedenen Belag auf den Tisch platziere, das Auge isst ja schließlich mit,
verhungert gerade ein Kind, in den Armen seiner Mutter… beide wurden geboren um zu leiden.
Während ich mit meinen Kindern auf dem Sofa kuschel, dem Sandmann lausche und „Zähne putzen nicht vergessen“ vor mich hin sinniere,
beten gerade unzählige Menschen zu Gott, wünschen sich ein besseres Leben. Wünschen sich Frieden und Ruhe.
Während meine Kinder schlafen, gesund, satt und geküsst vom Leben,
schließen viele andere auch ihre Augen, hungrig, einsam, verzweifelt, krank, ängstlich…
Während ich erneut im Bad mit Wasser und teuren Cremes, hab auch ich schon Falten, um mich „schmeiße“,
suchen unzählige Menschen gerade Schutz vor der nächsten Nacht, im „Irgendwo“ mit dem Gedanken „Irgendwie muss es …“ Schutz vor Bomben, vor Kälte, vor Terroristen. Das Wort Heimat schmerzt im Herz.
Während ich am Abend meinen Laptop anschalte, muss meine Gedanken sortieren bevor ich dran kaputt gehe,
gehen andere Menschen daran kaputt, weil wir nicht besser auf sie aufpassen. Sie ignorieren und ihr Elend, ihren Hunger und ihren Tot tolerieren und nicht für sie gekämpft haben!
Während ich hier sitze und schreibe, links eine Zigarette, rechts Malibu,
bin ich so klein, so machtlos, so verzweifelt, möchte ganz laut schreien.
Doch tief im Herzen weiß ich, ich bin nicht dumm oder naiv. Das lasst euch gesagt sein!
Während ich hier schreibe, wünsche ich mir nur eines, oh bitte lasst uns endlich aufwachen!!! Bitte, bitte….
Es ist genug für alle da! Versprochen, ich schwöre es! Lasst uns dran glauben!
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Über die Autorin: Susanne Fiebig aus Hamburg hat drei Kinder und arbeitet in einem Catering Unternehmen. Ihr besonderer Einsatz als Mitglied der PdL gilt Hamburgs Obdachlose, für die sie regelmäßig kocht. Meist sonntags sitzt sie am PC, lässt das erlebte an revue passieren und verfasst dazu ab und zu Texte.
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Wir sind genug für alle
Während ich esse, hungern die andern.
Was esse ich? Ein BIO- Müsli, mit Getreide aus Marokko, gesät, gepflegt und geerntet für einen Hungerlohn. Über das Meer geschifft von Frachtern mit schwarzen Rauchfahnen und Ölspuren im Fahrwasser.
Während ich bade, vertrocknen die Kehlen der Kinder in der Wüste.
Wann habe ich Zeit zum Baden? Nach der Arbeit qüale ich mich durch den Stau, sehe die vielen müden Gesichter in ihren Autos, kämpfe selbst gegen die Müdigkeit, greife im Billigmarkt eilig nach Brot und Käse, mehr ahnend als wissend vom Gift in der Nahrung, kümmere mich dann um die quengelnden Kinder. Schließlich platzt meine Wut, schreit gegen die, die ich liebe.
Im Fernsehen ist die Welt heil. Kaum ein Film, der kein Happy- End hat. Das beruhigt.
Eigentlich will ich noch baden.
Doch dann schlafe ich ein vor der Glotze.
Um morgen wieder mich abzurackern für andere, die ich reich mache. Die ihr Geld- das sie mir abgezwackt haben von dem Ertrag meiner Arbeit- nach Bangladesh schaffen, wo Kinder meine Hemden nähen.
Ja, ich bin unwissend, naiv.
Nur weil mein Elend nicht so groß ist wie das Elend der anderen, bleibt es doch Elend. Meine Haut wird grau, mein Rücken krümmt sich, ich werde fett.
Und die Angst, ausgerechnet den Platz zu verlieren, an dem ich täglich ein bisschen kränker werde, den begehrten Arbeitsplatz, macht mich verrückt.
Und jetzt kommen welche, die rufen “Wach auf!”.
Dabei bin ich so froh, wenn ich manchmal ausschlafen kann.
Wahrlich, genug ist für alle da. Warum gehen wir nicht hin und nehmen uns, was wir erschaffen? An ein besseres Leben für alle zu glauben, reicht das?
Unser Glaube ist blind, weil ihm Wissen fehlt.
Schlaft, so lange ihr wollt. Bleibt zuhaus am 2. Mai, statt am 1. Mai Eure sanfte Empörung nur noch zu demonstrieren. Verweigert Euch den Ausbeutern, sie foltern Euch und die, die ihr in ihrem noch größeren Elend betrauert.
Seid ausgeschlafener als die, welche Euch zwingen, täglich für sie aufzuwachen, vorzeitig, um pünktlich antreten zu können im Hamsterrad Eurer Illusionen.
Während Ihr nur an ein gutes Leben glaubt, zählen sie nach, wieviel Reichtum sie Euch genommen haben.
Die wenigen Ausbeuter kriegen wir weggefegt.
Wir sind genug für alle- von denen.