Günter Ackermann †
Chicago 1986
Zur Entstehung des internationalen Kampftages der Arbeiterklasse
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1886 – Die Arbeiter der McCormick-Werke streikten seit Februar für den 8-Stunden-Tag.
Die Gewerkschaften der USA riefen auf, am 1. Mai 1886 mit einem Generalstreik für den 8-Stunden-Tag zu kämpfen. 400.000 Arbeiter aus 11.000 Betrieben folgten dem Aufruf.
Allein in Chicago streikten 40.000 Arbeiter, sie schlossen sich ihren Kollegen der McCormick-Werke an. Schon Monate vorher kam es zu gewaltsamen Übergriffen der Polizei. Am 1. Mai 1886 hielten die McCormick-Arbeiter in der Nähe ihres Werks eine Kundgebung ab. Während der Kundgebung erschienen vor dem Tor Streikbrecher. Noch ehe es zu Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und Streikbrechern kam, erschien ein Polizeiaufgebot. Mit Revolverschüssen und Schlagstöcken gingen sie gegen die Streikenden vor. Mindestens ein Arbeiter wurde getötet, viele zum Teil schwer verletzt.
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Die Provokation vom Heymarket
Einer der Redner der Kundgebung, der Deutsch-Amerikaner August Spies, Herausgeber einer anarchistischen Arbeiterzeitung, schrieb ein Flugblatt, in dem er zur Protestkundgebung gegen den Polizeiübergriff gegen die McCormick-Arbeiter am 4. Mai 1886 auf dem Haymarket aufrief.
Der Setzer änderte den Überschriftentext eigenmächtig. Diese lautete jetzt: „Arbeiter, zu den Waffen!“ August Spies distanzierte sich von dieser Überschrift, das Flugblatt wurde geändert, jedoch waren einige hundert bereits im Umlauf (von etwa 20.000 verteilten Blättern).
Die Kundgebung verlief friedlich. Selbst der anwesende Bürgermeister von Chicago und der Chef der Einsatztruppe der Polizei bestätigten das. Als aber die letzte Rede schon fast zu Ende war, stürmte ein Polizeitrupp den Platz und forderte die Versammlungsleitung auf, die Veranstaltung sofort aufzulösen. Ihm wurde entgegnet, dies sei eine friedliche Veranstaltung. In dem Moment wurde eine Bombe in die Reihen der Polizei geworfen. Ein Polizist starb. Wie viele Tote es unter den Arbeitern gab, ist nicht bekannt. Die Polizei schoss wie wild in die Menge.
Der Verdacht, dass es sich um eine Polizeiprovokation gehandelt hat, liegt auf der Hand. Der Polizeichef von Chicago gab später zu, dass die Polizei selbst anarchistische Gruppen gegründet und unterwandert und diese mit Waffen und Bomben ausgestattet habe.
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Der Prozess
„Die Zeit wird kommen, da unser Schweigen im Grabe mächtiger sein wird als unser Reden!“ (August Spies – einer der Haymarket-Märtyrer)
Am 27. Mai 1886 begann der Prozess gegen die Funktionäre der Gewerkschaftsbewegung. Ihnen wurde nicht der Mord an den Polizisten vorgeworfen, sondern „Beihilfe zum Mord“. Alle waren in der Bewegung für den Acht-Stunden-Tag und alle waren Anarcho-Syndikalisten.
Die Geschworenen wurden nicht, wie in den USA normalerweise üblich, ausgelost, sondern vom Staatsanwalt ausgewählt – alle waren von der Schuld der Angeklagten vorweg überzeugt. Als aber immer noch Zweifel an deren Beteiligung am Attentat bestanden, erklärte der Richter den Geschworenen, es käme nicht darauf an, ob die Angeklagten am Attentat beteiligt gewesen wären, sondern es ginge einzig und allein darum, ob die Angeklagten die Anwendung tödlicher Geschosse gegen die Polizei „bei Gelegenheit, die sich in Zukunft irgendwann einmal bieten könnte, befürwortet haben.“ Sie sollten also für etwas bestraft werden, was sie möglicherweise einmal für richtig halten könnten.
Das Urteil: Sieben Angeklagte wurden zum Tode verurteilt, einer bekam 15 Jahre Freiheitsstrafe. Später begnadigte der Gouverneur drei der zum Tode verurteilten zu lebenslänglicher Haft.
Ein zum Tode Verurteilter beging wahrscheinlich Selbstmord: Er sprengte sich mit einer Sprengstoffpatrone, die er sich in den Mund steckte und mit einer Kerze zündete, in die Luft. Wie er an die Patrone kam, wurde nie geklärt.
Vier Verurteilte wurden am 11. November 1887 durch den Strang hingerichtet. An ihrer Beisetzung beteiligten sich zwischen 150.000 und einer halben Million Menschen.
Einige Jahre später, 1893, erklärte der Gouverneur, die Angeklagten seien unschuldig gewesen, der Haymarket-Prozess sei von einem voreingenommenen Richter und in einer Atmosphäre der Hysterie geführt worden. Die noch eingesperrten Verurteilten wurden freigelassen.
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Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des verstorbenen Herausgebers Günter Ackermann
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