Volkskorrespondent Heinz Michael Vilsmeier – 9. Januar 2022
Wird es der extremen Rechten gelingen, mithilfe der Pandemie ihre braune Schmuddelecke zu verlassen?
In Reaktion auf meine letzten Beiträge werde ich gefragt, ob da nicht etwas durcheinandergehe … Es ginge nicht darum, mit Faschisten zu reden, sondern mit „den Mitläufern“, die oft kurz davor stünden, „mitlaufen zu wollen“. Und wenn man mit solchen nicht mehr spreche, stärke man die Rechten. – Der Unterschied sei wichtig.
Ich sehe das anders. Was würden denn die Bedächtigen den „Mitläufern“ erzählen wollen, was diese nicht schon wüssten? – Alle Fakten liegen auf dem Tisch!
Die „Mitläufer“ bei den sog. Corona-Spaziergängen sind keine Kinder, denen man noch irgendetwas erklären müsste, was sie nicht ohnehin schon wüssten. Was verleitet diejenigen, die meinen, die Mitläufer müssten aufgeklärt werden zu der Annahme, Sie selbst seien intellektuell überlegen oder wüssten mehr? M. E. schwingt da eine gefährliche Überheblichkeit mit, die zu einer grundlegenden Fehleinschätzung führt.
Meine These ist: Auch „Mitläufer“ sind mündige Bürger, die bewusste Entscheidungen treffen. – Wenn sie sich entschließen, mit Reichsbürgern und Neonazis „spazieren“ zu gehen, dann wissen sie, was sie tun. – Viele der sog. Mitläufer waren schon bei den Pegida-Aufmärschen dabei. Sie stellen jene 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung, die einen anderen Staat wollen, einen, der eben nicht demokratisch verfasst ist. Jede westliche Gesellschaft hat einen antidemokratischen Bevölkerungsanteil, damit müssen wir wohl oder übel leben.
Selbstverständlich wollen Faschisten den gesellschaftlichen Diskurs mitbeeinflussen. Um dies zu erreichen, versuchen sie möglichst viele Themen ideologisch mit ihren faschistoiden Narrativen und Verschwörungserzählungen zu besetzen. Das lässt sich seit vielen Jahren beobachten, egal ob in der Friedenspolitik, in der Europapolitik, in der Ökologie, im Tierschutz, in der Landwirtschaft, in der Asyl- und Migrationspolitik – immer mit kleinen Schritten aber wachsendem Erfolg. Doch nun haben sie ein Thema gefunden, das die Existenz aller unmittelbar berührt, weil die Pandemie eben eine existenzielle Bedrohung aller ist. Die mit der pandemischen Bedrohung verbundenen Ängste öffnen dem demagogischen Populismus der Rechten Tür und Tor – auch weil die Bundesregierung in der Vergangenheit einiges verbockt hat. (Spahn war der falsche Mann in der Funktion des Gesundheitsministers.)
Wie dem auch sei, die Rechten haben Witterung aufgenommen und sie sind entschlossen, Covid-19 als historische Chance zu nutzen, endlich aus ihrer braunen Schmuddelecke herauszukriechen. Dazu nutzen sie alle Mittel, um sich mit dem demokratisch verfassten Staat anzulegen. – Ich hoffe sehr, dessen Organe werden sich überwiegend als Demokraten erweisen und endlich entschlossen dagegenhalten. – Obgleich: Sicher bin ich nicht, dass sie das tun werden, denn Polizei, Bundespolizei und andere Sicherheitskräfte sind seit Jahren Sammelbecken antidemokratischer Kräfte und keineswegs adäquate Abbilder der Zivilgesellschaft. (Das Versagen der Politik ist vor allem in diesem Bereich notorisch.)
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Das kann ich so nicht nachvollziehen. Das mag ja lokal sehr unterschiedlich sein, aber z.B. hier im Südwesten schaffen es die Faschisten nicht, sich an die Coronaproteste anzuhängen, geschweige denn sie zu dominieren.(die BT-Wahlergebnisse zeigen ja nicht gerade auf einen Erfolg dieser Strategie der AfD hin) Bei der Unterstützung der Regierungspolitik, und damit auch der Verschlechterung unserer Kampfbedingungen, durch viele Linke entsteht für mich der Eindruck hier soll ein Burgfrieden zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse im Kampf gegen Corona geschmiedet werden. Jeder dieser Burgfrieden ging und geht stets zu Lasten der Arbeiterklasse. (Ich brauche hier ja wohl nicht auf die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums während der Pandemie hinzuweisen) Notstandsgesetze im Kapitalismus dienen nicht der Arbeiterklasse, sondern stets der Bourgeoisie, um besser für den unausweichlichen Kampf zwischen ihr und der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten gewappnet zu sein. Nicht zuletzt darf niemals aus dem Auge verloren werden, der Faschismus ist ein Kind und Werkzeug der Kapitalismus zur Unterdrückung der Arbeiterklasse für den Fall der revolutionären Situation – nicht Menschen, die für ihre Grundrechte auf die Straße gehen, holen den Faschismus aus der Schmuddelecke, sondern der Kapitalismus, stets dann, wenn er ihn mal wieder braucht.
Grundsätzlich ist eine der wesentlichen Punkte bei jeder Therapie, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.
Aus meinem persönlichen Umfeld kann ich sagen, dass ich damit Erfolg hatte. Es ist mir gelungen nahezu alle Personen dieser Szene wieder zu entreißen. Jeder der das versucht sei jedoch gewarnt, es braucht enormen Einsatz, Geduld und massenhaft Frustrationstoleranz. Einfach wird das nicht.
Naja, dass die Covidioten den Rechten bewusst hinterherlaufen, macht ihre dämlichen Argumente nicht besser! Ich denke, da muss keine Überheblichkeit im Spiel sein, wenn man bei deren Argumenten und Informationsquellen die Nase rümpft! Ganz im Gegenteil, die grenzenlose Überheblichkeit sehe ich eher auf der andren Seite, die grundsätzlich jedes vernünftige Argument ins lächerliche zieht und den vernünftigen Teil der Bevölkerung nach allen Regeln der Kunst verhöhnt! Ich stimme in fast allem mit dir überein, aber beim Punkt Überheblichkeit sehe ich das ein klein wenig anders!
Man sollte "Spaziergänger" stets mit einem fröhlichen "Helau" und "Narrhallamarsch" begrüßen und "Kamelle" einfordern. Aber bitte nicht "Wolle mer se reinlasse?" fragen.