Julius Jamal
Die Linke und das Regieren – Nach Goldschätzen graben?
Zum Thema Regierungsbeteiligung pro-kapitalistischen Parteien
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Linke und die Frage der Beteiligung an bürgerlichen Regierung, eine ewige Debatte so mag man meinen, einen in der man kaum noch etwas lernen kann. Doch das Buch „Nach Goldschätzen graben, Regenwürmer finden“, welches vor wenigen Monaten von Aktivistinnen und Aktivisten des linken Flügels der Linken herausgebracht wurde, offenbart die Notwendigkeit der Debatte und die Relevanz die Regierungsfrage auch historisch zu beleuchten.
„Nach Goldschätzen graben, Regenwürmer finden“ wurde herausgegeben von Mitgliedern der Strömung „Antikapitalistische Linke“, welche sich auf dem linken Flügel der Linkspartei befindet, und so wirkt es auch. Denn das Buch soll keine offene Debatte sein zwischen Regierungsbefürwortern und – Gegnern, es ist eine Ansage an die Kräfte innerhalb der Linken, die auf eine Rot-Rot-Grüne Regierung drängen. Das Buch beinhaltet auch Beiträge von prominenten Linken wie Sahra Wagenknecht oder Bernd Riexinger, die eine Rot-Rot-Grüne Regierung nicht per se ausschließen, innerhalb der Partei- bzw Fraktionsspitze aber auf dem linken Flügel zu verorten sind. Die große Mehrheit der Beiträge stammen allerdings von Autorinnen und Autoren, die Regierungen klar ablehnen, wobei ein Unterschied zwischen jenen besteht, die aus taktischen Gründen auf rote Haltelinien orientieren und jenen, die Regierungen von vornherein ablehnen wollen.
Zwischen Geschichte, internationalem Blick und deutschen Erfahrungen
Den ersten Teil des Werks stellen historische Einordnungen der Regierungsfrage im linken Kontext dar. Begonnen wird mit Rosa Luxemburg, welche sich schon im vorletzten Jahrhundert klar gegen Regierungen positionierte und deren Werke kaum an Aktualität eingebüßt haben, wie die Autoren des Beitrags zeigen. Im Anschluss folgt eine Auseinandersetzung mit Lenin und seiner Haltung zu einer Beteiligung an einer Regierung in Folge der Novemberrevolution, sowie ein Text über die Debatte innerhalb der kommunistischen Internationalen und deren Haltung zur Beteiligung an Linksregierungen. Die letzten drei Texte des historischen Blocks setzen sich mit den Erfahrungen der Regierung Mitterand, den Erfolgen des Liverpooler Stadtrats unter einer sozialistischen Mehrheit und dem Niedergang der brasilianischen Arbeiterpartei auseinander.
In dem Block „jüngere internationale Erfahrungen“ wird sich vor allem mit dem Niedergang bzw Glaubwürdigkeitsverlust linker Regierungen in den vergangenen Jahren auseinandergesetzt. Nach einem Blick auf Brasilien, folgt, wie könnte es aktuell anders sein, eine Auseinandersetzung mit der Regierungsübernahme durch SYRIZA und deren Enttäuschung ihrer eigenen Basis. Ebenfalls bezogen wird sich auf die Situation in Skandinavien, deren linke Regierung für Teile des reformistischen Flügels der Linken als Musterbeispiel gelten, was von der Autorin des Beitrags allerdings abgelehnt wird, sowie der Niedergang der italienischen Kommunisten.
Der dritte und somit vorletzte Block wirft einen Blick auf die jüngeren deutschen Erfahrungen mit Rot-Rot-Grün. Dabei wird nicht nur die einzelnen Landesregierungen und deren Bilanzen thematisiert, sondern auch auf die Frage eingegangen, ob die Haltung zu Regierung zum Grundfehler der Linkspartei gehört. Dazu schreibt Mitherausgeber Sascha Stanicic: „Der Widerspruch zwischen Befürwortung und Ablehnung von Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien bzw. im Rahmen der kapitalistischne Ordnung ist jedenfalls fundamentaler Art. Er ist Ausdruck unterschiedlicher programmatischer Vorstellungen, unterschiedlicher strategischer Konzepte, letztlich unterschiedlicher Zielsetzungen (Kapitalismus gestalten oder überwinden).“ Diesem folgen zwei Beiträge zur Einschätzung der Rot-Grünen Minderheitsregierung in NRW und eine Analyse deren Politik, sowie ein Beitrag über das linke Lager und ein Beitrag zur Situation in Thüringen, der den Grundfehler von Rot-Rot-Grün in der Haltung zur DDR sieht und den gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen überraschend wenig Raum widmet.
Den Abschluss bilden Stellungsnahmen zur Regierungsfrage von verschiedenen Mitgliedern des linken Flügels, die von Beteiligung unter bestimmten Bedingungen, über die Rolle von Bewegung bis zur klaren Ablehnung reichen. Diese Stellungnahmen stellen dabei auch den Raum dar, in dem über die Frage von Haltelinien bzw prinzipieller Ablehnung unterschieden wird. Insgesamt stellt das Buch einen wichtige historische Einordnung und gleichzeitig relevante Positionen zur aktuellen Debatte um eine mögliche linke Regierungsbeteiligung dar. Man mag nicht jedem Beitrag zustimmen oder die mehrheitliche Linie der prinzipiellen Ablehnung teilen, doch es bleibt ein wichtiges Werk zur Einschätzung von Regierungsbeteiligungen und der Frage, warum diese der linke Flügel ablehnt. „Nach Goldschätzen graben, Regenwürmer finden“ lohnt sich daher alle male für all jene, die verstehen wollen, welche Risiken eine Regierungsbeteiligung birgt.
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Erstveröffentlichung in Freiheitsliebe vom 25. März 2017, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
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Über den Autor: Ich habe 2009 die Freiheitsliebe gegründet aus dem Wunsch, einen Ort zu schaffen, wo es keine Grenzen gibt zwischen Menschen. Einen Ort an dem man sich mitteilen kann, unabhängig von Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung und Geschlecht. Freiheit bedeutet immer die Freiheit von Ausbeutung. Als Autor dieser Webseite streite ich für eine Gesellschaft, in der nicht mehr die Mehrheit der Menschen das Umsetzen muss, was nur dem Wohlstand einiger Weniger dient.
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