Rui Filipe Gutschmidt

Im wilden Kurdistan – Die Türkei will vorbildliches Demokratielabor vernichten und der Westen schaut weg
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Rui Filipe Gutschmidt

Es ist eine Schande und US-Amerika zeigen mal wieder die hässliche Fratze ihrer einzig auf ökonomische Ziele ausgerichteten Außenpolitik. Aber auch der Rest der westlichen Welt hat einfach weggesehen. Beim medial hochwertigem Schlag gegen al-Bagdahdi aber, der ohne die Hilfe der YPG nicht gelingen konnte, hat Donald Trump die Lorbeeren für sich beansprucht. Erdogan’s Familienclan hat derweilen Interessen, bei denen die YPG nur stört, und so kämpfen ISIS-Söldner jetzt unter türkischem Banner. Wir, die linken Kräfte müssen was tun!

Die uralte Stadt Hasankeyf am Ufer des Tigris wird bald in den Fluten des im Bau befindlichen Ilisu-Staudammes versunken sein. Dann kann die Türkei auch gezielt die Wassermengen die nach Rojava fließen kontrollieren. Bild YouTube screenshoot

Die NATO-Staaten haben die Kurden als Kanonenfutter im blutigen Häuserkampf genutzt und Erdogan hat sich in dieser Zeit zurückgelehnt und abgewartet. Doch war das längst nicht alles, was sich der gewählte Diktator der Türkei geleistet hat. In den Wirren des syrischen Kriegsgeschehens finanzierten sich verschiedene Rebellengruppen mit dem Schmuggeln von Öl und geraubten archäologischen Fundstücken der Assyrer, Hettiter, Babylonier, Perser und Griechen… Anders als die Taliban in Afghanistan, für die es galt die Götzenbilder falscher Götter zu zerstören, machten die Islamisten in Syrien und im Irak die „unheiligen Gegenstände“ zu Geld, um ihren „heiligen Krieg“ weiterführen zu können.

All diese Schätze wurden über die Türkei ins Ausland geschleust und Erdogans Sohn und wohl auch der Rest seines Familienclans, verdien(t)en sich eine goldene Nase dabei. Doch in der Türkei wurde das Thema unter den Teppich gekehrt. Bei der großen Reinigungsaktion nach dem (wohl inszeniertem) Putschversuch, wurden neben Militär, Polizei, Beamtentum in der Verwaltung, Presse, auch Richter, Staatsanwälte und das Justizsystem als solches von allen erdogankritischen Elementen „gereinigt“. Alle Beweise für illegale Machenschaften sind verschwunden und dazu gehören auch mögliche „undichte Stellen“ (Zeugen).

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Ash Carter, ehemaliger Berater der US-Regierung, äußert sich nicht zu den Geschäften, die so manchen Millionär hervorbrachten, und bezeichnet Syriens Öl- und Gasvorkommen als „zu vernachlässigenden Faktor“. Syrien hätte nur geringe Vorkommen, wenn man diese mit dem Irak oder gar dem Iran vergleicht. Es wäre für die USA einzig um das Bekämpfen der IS-Terroristen gegangen. Dabei hätten die Verbündeten am Boden mit der Luftunterstützung der Amerikaner rechnen können. Der jetzige Vertrauensbruch gegenüber den Kurden sei daher umso schlimmer, da sich niemand sicher sein könnte, dass die USA ihr Fähnchen in den Wind drehen, sobald ihnen ein Verbündeter lästig wird.

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Zum Verständnis
Die autonome Demokratische Föderation Nordsyrien – auch bekannt unter dem kurdischen Na-
men Rojava (Westkurdistan) liegt auf dem Staatsgebiet von Syrien, unmittelbar unter der Türkei.
Die Hauptstadt ist Qamischli. Während Rojava 2014 mehr oder minder nur aus den drei Gründungs-
kantonen Efrîn, Kobanê und Cizîrê bestand, wuchs es bis 2018 beträchtlich und nimmt nun den grös-
sten Teil Nordsyriens ein.

Rojava als „Westkurdistan“, wie es auf einer Website der PYD im Oktober 2013 umrissen wurde. Karte: Creative Commons/Panonian

Gängige Abkürzungen und Begriffe
Federasyona Bakurê Sûriyê – Rojava (Demokratische Föderation Nordsyrien – Rojava)
PYD: Partiya Yekitîya Demokrat (Partei der Demokratischen Union)
YPG/J: Yekîneyên Parastina Gel (Volksbefreiungseinheiten) bestehend aus YPG und YPJ
(ekîneyên Parastina Jin) der Frauenverteidigungseinheit.

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Die Kurden fühlen sich daher zurecht betrogen und das Vorgehen der türkischen Armee im 32 KM breiten Grenzstreifen im Norden Syriens, mit Städten wie Afrin und Kobane, die mit kurdischem Blut aus den Händen von ISIS befreit wurden, lässt den unabhängigen Beobachter schnell seine Neutralität vergessen. Ich kann nicht umhin, den Kurden immer wieder meine Sympathie zu bezeugen und ihnen in dem Kampf dieses Volkes, ein Demokratielabor in eine funktionelle Gesellschaft mit sozialistisch/humanistischem Grundmodell umzuwandeln beiseitezustehen – auch wenn es nur in Form von Meinungsartikeln wie diesem ist.

Kurdische Kämpfer/innen feiern einen Teilsieg. Bild: YouTube screenshot

Während Amerikaner, Russen, Franzosen und die regionalen Mächte Saudi-Arabien, Israel und der Iran wegschauen und Erdogan seinen Vernichtungsfeldzug gegen das kurdische Volk relativ ungehindert durchziehen lassen, schlagen wir, die linken Parteien, Organisationen und individuelle Personen Alarm. Die EU schaut auch weg und um mögliche Sanktionen abzuwehren, dröhnt die Drohung aus Ankara, die Türkei könnte jederzeit über 2 Millionen Flüchtlinge nach Europa schicken, die in Lagern in der Türkei ihr Leben fristen. Diese Menschen als Druckmittel zu missbrauchen ist natürlich auch unterste Schiene und eine AfD würde sicher mit „Dann schicken wir 5 Millionen Türken zurück in die Türkei“ antworten. Das ist der Nationalegoismus der Faschisten, die immer stärker werden und deren Macht darauf beruht, dass Menschen aufeinandergehetzt werden. Eine Ideologie des Hasses regiert in der Türkei und der „ach so demokratische“ Westen – allen voran die EU – müssen sich ein für alle Mal von dieser Türkei distanzieren. Die 50 Atomraketen, die die USA dort stationiert hat, sollten schnellstens abgezogen werden, doch das ist schon lange überfällig, da eine Bedrohung Russlands auch keinen Sinn macht. Eine Welt, in der (Un)Menschen wie Trump und Erdogan über das Schicksal, ja über Leben und Tod, Tausender entscheiden, ist es wichtig, nicht schweigend zuzusehen. Geht auf die Straße und sagt euren Repräsentanten im EU-Parlament, dass es Zeit wird zu handeln! 

.Erstveröffentlichung heute oder vor ein paar Tagen in unserer Partnerzeitung INFO-WELT.
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