Siegfried None
Kempten/Immenstadt: Strafverfolgung wegen Kirchenasyl!
400 Menschen, darunter zahlreiche Pfarrer/innen und Krichenvertreter, protestierten öffentlich!
.
Ulrich Gampert, ein evangelischer Pfarrer in Immenstadt/Allgäu, hat einen Strafbefehl über 4.000 € bekommen. Sein „Verbrechen“: Er gewährt einem jungen Mann, der aus Afghanistan geflüchtet ist und abgeschoben werden soll, Kirchenasyl.
In der Sendung „quer“ des Bayerischen Rundfunks wurde darüber berichtet.
Seit dem Ende des 2. Weltkriegs 1945 ist das das erste Mal, dass wegen der Gewährung des Kirchenasyls eine Strafe verhängt wurde. Übrigens hat auch der afghanische Flüchtling einen Strafbefehl bekommen, weil er sich der Abschiebung durch das Kirchenasyl entzogen hat. Für das Kirchenasyl, so der Kommentar der Sendung, gebe es keine juristische Regelung, aber bislang habe es der Staat stillschweigend geduldet. Dem ist anscheinend nicht mehr so. Grund dafür ist die „härtere Gangart“, die der Staat nunmehr gegen Flüchtlinge und deren Helfer einzuschlagen gedenkt.
Im Juni 2018 beschloss die Innenministerkonferenz der Bundesrepublik eine Verlängerung der Frist, innerhalb der Flüchtlinge in das Erstaufnahmeland in der EU zurückgeschickt werden können, von 6 auf 18 Monate. Also sind nicht anerkannte Asylsuchende, die über ein Drittland nach Deutschland gekommen sind, gezwungen, sich 18 Monate vor dem Zugriff der Abschiebe-Behörden in Sicherheit zu bringen. Bald nach dem Beschluss der Innenminister setzte Horst Seehofer einen neuen Chef des BAMF ein: Hans-Eckhard Sommer. In der genannten Sendung wird Sommer folgendermaßen zitiert: „Ich sehe mich als Hardliner“, „Bei Abschiebungen noch besser werden.“ und „BAMF schreckt nicht vor Kirchenasyl zurück“. Die Marschrichtung des Staates ist also klar: Gegen Flüchtlinge und gegen Menschen, die ihnen helfen, in Deutschland Asyl zu bekommen.
Aber Pfarrer Gampert und die ev. Landeskirche wehren sich gegen den Strafbefehl. Sie haben Einspruch dagegen eingelegt. Am vergangenen Dienstag fand in Kempten ein Schweigemarsch von über 400 Menschen, darunter mehr als ein Dutzend Pfarrerinnen und Pfarrer, als Protest gegen die Kriminalisierung des Kirchenasyls statt.
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen, die sich für die Rechte von Geflüchteten und Asylbewerbern in der Bundesrepublik einsetzen. Man fragt sich schon: für Aufrüstung, für unnütze Bauvorhaben wie Stuttgart 21, für Ministergehälter und Abgeordnetendiäten ist immer genug Geld da, aber jeder Flüchtling, dessen Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, ist anscheinend einer zu viel, der dem deutschen Staat auf der Tasche liegt.
Wir sind nicht der Meinung, dass alle Flüchtlinge auf der Welt zu uns nach Deutschland kommen sollten – das wäre bei der Zahl von über 71 Millionen auch gar nicht möglich – und wir wollen auch nicht, dass Verbrecher wie Anis Amri, der vom Verfassungsschutz gepäppelt wurde, nicht abgeschoben werden. Wir wollen gleiche Rechte für alle, auch für Flüchtlinge!
Dieser Staat kann das nicht gewähren. Er braucht die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich, in Herrschende und Beherrschte, in Rechtlose und noch Rechtlosere, in „Underdogs“, an denen man seine Wut und seinen Frust auslassen kann, wie es Rassisten und Neonazis machen.
Witzig bemerkte der Kommentator von „quer“ am Ende des Berichts zum Vorgehen des Staats: „Da könnte einem die AfD fast leid tun. Was sollen die noch fordern?“
Die Sendung kann hier in der Videothek des BR angesehen werden:
.Erstveröffentlichung am 28. Juli 2019 in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
.
Weitere Artikel von Siegfried None
.
Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.
Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung –
Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.Auch linker Journalismus ist nicht kostenlos
und auch kleine Spenden können helfen Großes zu veröffentlichen!
Diskussion ¬