Volkskorrespondentin
Dagmar Henn
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Dieses Bild wird eines der Bilder sein, die später in den Geschichtsbüchern abgedruckt werden. Weil es den Moment zeigt, an dem aus Protesten eine Revolution wird.
In Frankreich scheint es eine heftige Debatte über dieses Bild zu geben und in den Medien ist versucht worden, den Mann, der hier auf Knien zu sehen ist, als betrunkenen Irren darzustellen (dem von Anwesenden auf dieser Demonstration widersprochen wird). Allein diese Tatsache, dass das Bild solche Debatten auslöst, zeigt, dass die Herrschenden sehr wohl erkennen, was da zu sehen ist.
Und dennoch ist die ganze zur Schau gestellte Macht nutzlos. Das Gegenüber senkt den Blick nicht mehr!
Inzwischen liegt die Zahl der Selbstmorde bei Polizisten in Frankreich in diesem Jahr bereits bei 28. Die Organisationen der Polizisten beklagen, sie würden unter zunehmender sozialer Ausgrenzung leiden. Auf den Demonstrationen äußerst sich das in der Parole „ganz Frankreich verachtet die Polizei“, aber wenn das zur täglichen Erfahrung im Alltagsleben wird, ist der Druck bereits enorm. Dass er zu Selbstmorden führt, ist ein Zeichen dafür, dass diese Kräfte kurz davor stehen, zu brechen. Brechen heißt, dass sie sich mindestens zurückziehen, wenn nicht gar die Seite wechseln.
DAS wiederum ist das Kennzeichen einer revolutionären Situation, die reif ist. In der der abrupte Zusammenbruch der bestehenden Macht bevorsteht.
Wie lang der Zeitraum ist, bis dies geschieht, ist momentan für keinen Beteiligten absehbar. Gestern habe ich in einem (äußerst empfehlenswerten) Buch gelesen, „Fragen Sie mehr über Brecht“, Gespräche mit Hanns Eisler. Ganz am Ende des Buches redet Eisler über das Ende des 1.Weltkriegs, wie er es erlebt hat. Er war als junger Sozialist sicherheitshalber in eine Einheit ungarischer Bauern gesteckt worden, mit denen er nicht reden konnte, wurde schwer verwundet und kam unmittelbar vor Kriegsende zurück. Von einem anderen Soldaten gefragt, wie lange das wohl noch weiterginge, antwortete er, der Krieg könne noch einmal so lange dauern… einen Tag später war er zu Ende, und mit ihm die Habsburger Monarchie.
Wir sollten uns hier in Deutschland allmählich ernste Gedanken darüber machen, was es für uns hier bedeutet, wenn sich die Verhältnisse in Frankreich in Bewegung setzen. Denn dann, wenn das passiert (ob in Tagen, Wochen oder Monaten), ist zum Nachdenken keine Zeit mehr.
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Erstveröffentlichung heute oder vor wenigen Tagen in der Gruppe Volkskorrespondenz. Weiterveröffentlichung nur für Partner/innen der Gruppe Volkskorrespondenz.
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Wenn ich lese "In Frankreich scheint es eine heftige Diskussion über dieses Bild zu geben", frage ich mich, ob es nun eine Diskussion gibt oder nicht. Wenn es eine Diskussion gibt, wer führt sie, wer sind die Teilnehmer, was ist der Tenor der Diskussion, in welche Richtung verläuft sie? Fragen, die eine Antwort verlangen aber nicht bekommen. Befremdend ist der gedankliche Schluss, dass "die ganze zur Schau gestellte Macht nutzlos" ist. Wenn ich auf das Foto schaue, dann sehe ich keine zur Schau gestellte Macht, sondern eine sehr deutlich demonstrierte und gefährliche Macht der Polizei. Die Polizei ist die Organisation des Staates, die zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung des Staatswesens zuständig ist. Ihre Aufgabe erfüllt sie zweifelsfrei hervorragend für den Staat, den Macron geschaffen hat. Was ist das für ein Staat? Die Versammlung der Versammlungen der Gilets Jaunes (Gelbwesten) haben es in der Gemeinsamen Erklärung vom 7. April dargelegt:
"In den letzten fünf Monaten war die polizeiliche und gerichtliche Repression gegen die Gilets-Jaunes-Bewegung enorm. Wir hatten Tausende von Verletzten, 22 Menschen verloren Augen, 5 verloren Hände und eine Person wurde getötet. Die polizeiliche Gewalt, die verstümmelt und tötet, ist ein Akt politischer Einschüchterung. (….) Die gerichtliche Unterdrückung folgt der Polizeigewalt, um die Bewegung zu unterdrücken: 8.700 Polizeiaktionen, 2.000 Gerichtsverfahren, davon 1.500 mit sofortiger Vollstreckung, fast 40% mit Gefängnisstrafen, mehr als 400 Haftrichter. (…)
Wir fordern:
die Aufhebung der Strafen für Tausende von Gefangenen und Verurteilten der GJ-Bewegung,
die Aufhebung des Verfahrens gegen die Angeklagten,
die Verteidigung der öffentlichen Freiheiten und Grundrechte,
Wir müssen uns mit aller Kraft gegen diesen Autoritarismus wehren!"
Was die Herrschenden wirklich erkennen, ist, dass die Gilets-Jaunes-Bewegung mächtiger ist als sie es bisher angenommen hatten, dass sie eine breite Bewegung innerhalb der Bevölkerung ist, dass sie trotz polizeilicher und juristischer Härte nicht zurückzuschlagen ist, dass sie weiterhin bekämpft werden muss, um Macht des imperialistischen Staates zu sichern.
Es wird ziemich leichtfertig mit dem Wort Revolution umgegangen. Das, was zur Zeit in F mit den gelben Westen usw. passiert, ist meilenweit von einer "REvolution" entfernt. Es ist bestenfalls Maschinenstürmerei, vielleicht noch Bauernkrieg. Eine Revolution braucht ein konkretes Ziel – und das kann es gegenwärtig noch nicht geben. Allerdings – Stunk gegen die Repressionen der Obrigkeit sind schon nicht schlecht, aber leider lassen wir uns in D ja alles gefallen – die Renten wurden geklaut, die Märchensteuer in hnimmlische Höhen geschraubt – wie wäre es mit 150%??? Zur Zeit wird ein Hype mit einer CO2-Steuer gemacht, die auch nix weiter als Beutelschneiderei ist – mit Klima hat das absolut nix zu tun, aber … unsere Menschen sind so weit benebelt, dass sie denken, etwas Gutes zu tun, und wehe, jemand kommt und zerstört ihren Glauben…
Ganz Frankreich verachtet die Polizei! Ich kenne aus Demos, zum Beispiel in Hannover, die Parole: Ganz Hannover HASST die Polizei. Das ist noch stärker als 'verachten'. Nach Lenin steht Hass am Beginn des Aufstandes, der höchstwahrscheinlich in einen langwierigen Bürgerkrieg übergehen wird. Kautsky hatte das 1902 vorhergesagt und Lenin sah das schon in der russ. Revolution von 1905 bestätigt.
"…haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben mehr zu fürchten als den Tod." (Aus "Resolution", B. Brecht)
Diese Brecht-Zeile schickte mir eine gute Freundin, nachdem ich Ihr den Link zu diesem Beitrag geschickt hatte.
Wieviel Menschenverachtung in diesen Bild und dem Handeln der Staatsterroristen steckt kann einfach nicht beschrieben werden.
Revolutionäre Grüße Kalle
„Dieses Bild wird eines sein, das später in den Geschichtsbüchern abgedruckt sein wird“.
Das war auch mein Gedanke als ich vorgestern das Bild zum ersten Mal sah.