Andreas Habicht, Málaga
Neue Regierung in Spanien
Am Freitag, den 1. Juni 2018 wurde Pedro Sánchez vom spanischen Parlament zum siebten Präsidenten der spanischen Regierung, nach dem Ende des Faschismus, gewählt, da die konservative Regierung von Mariano Rajoy in einem Misstrauensantrag unterlag.
Mariano Rajoy führte bislang fast 2 Jahre eine Minderheitsregierung an und war auf die Stimmen (bzw. Stimmenthaltungen) der sozialdemokratischen „Sozialisten“, sowie der neoliberalen „Ciudadanos“ (Bürgerforum) angewiesen. Eigentlich wurden diese Parteien als Opposition gewählt, zeigten sich letztendlich aber recht oft, insbesondere die „Ciudadanos“ als „Steigbügelhalter“ der Konservativen. Aber auch die Sozialdemokraten unterstützten die konservative Regierun, indem sie sich (meistens) der Stimmen enthielt.
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Organisation zum Begehen von Gesetzesverstössen
Da Rajoys (sogenannte) Volkspartei, die übrigens mitunter rechtspopulistische Züge aufweist, in einen Korruptionsskandal verwickelt war, der unter dem Namen „Caso Gürtel“ (Fall „Gürtel“, der Name „Gürtel“ geht auf einen Unternehmer namens Francisco Correa zurück- „Correa“ heisst auf spanisch unter anderem „Gürtel“) in Spaniens Geschichte einging, reichten die spanischen Sozialdemokraten am Feitag, 25. Mai einen Antrag auf ein Misstrauensvotum im Parlament ein.
Am Donnerstag, den 24. Mai wurde die „Volkspartei“ (Partido Popular) wegen Verstrickung in diese Korruptionsaffäre vom obersten Gerichtshof Spaniens zu einer Geldstrafe von 245.000 €uro verurteilt, wobei das Urteil derzeit noch nicht rechtskräftig ist und die Partei angekündigt hat, in Berufung zu gehen. Auch wurden hohe Haftstrafen verhängt. Die Anschuldigungen der Richter gegen die Populares waren mitunter enorm, sprachen sie sogar in Zusammenhang mit dieser Partei von einer „gebildeten Organisation zum Begehen von Gesetzesverstössen“ (1).
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Die Abstimmung
Aufgrund dieses Urteils entzogen die Sozialdemokraten, das Wahlbündnis „Unidos Podemos“ und einige kleinere, regionale Parteien, aus dem Baskenland und Katalonien, der Regierung Rajoy das Vertrauen und die Abstimmung am Vormittag des 1. Juni endete mit folgendem Ergebnis:
180 Ja- Stimmen, 169 Nein- Stimmen, sowie einer Enthaltung
Mariano Rajoy gestand seine Niederlage allerdings bereits in einer Rede vor der Abstimmung ein.
Die neoliberalen „Ciudadanos“ (Bürgerforum) waren zwar im Vorfeld der Abstimmung auch für eine Ablösung Rajos, allerdings stimmten sie im Misstrauensvotum für die Populares. Sie forderten den Rücktritt Rajoys (was dieser jedoch ablehnte) – und die Ausrufung von Neuwahlen. Dies mag den Hintergrund haben, dass diese Partei laut CIS (2) momentan ein Allzeithoch (stärkste Partei mit rund 30%) in der Wählergunst hätte.
Seit Ende des faschistischen Franco Regimes, war dies das vierte Misstrauensvotum in Spanien- allerdings wird es als das bisher Erste und Einzige in die Geschichte Spaniens eingehen, das von Erfolg gekrönt war, da die anderen Drei abgewiesen wurden.
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Sozialdemokraten möchten keinen wirklichen Wandel
Wie es jetzt in Spanien weitergeht, wage ich persönlich einmal sehr vorsichtigen Optimismus, zumal die Sozialdemokraten keine Mehrheit im Kongress haben und auf die Unterstützung der linksgerichteten Unidos Podemos und einiger kleineren, linksgerichteten Parteien angewiesen sein wird. Es bleibt natürlich zu hoffen, dass sich das Linksbündnis aus Izquierda Unida (Linke) und Podemos ausreichend in die Regierung einbringen, bzw. zumindest entsprechend Druck auf diese ausüben kann und wir in Spanien keine Neuauflage der alten sozialdemokratischen Politik erleben werden, wie sie die „Sozialisten“ in der Vergangenheit in Spanien genauso praktizierten, wie in anderen Ländern in denen Sozialdemokraten regier(t)en.
Trotzdem kündigte Sánchez bereits einen Tag vor dem Misstrauensvotum an, dass er (zumindest in weiten Teilen) die Austeritätspolitik der „Volkspartei“ beibehalten und den vom Kabinett Rajoy verabschiedeten Haushalt unverändert umsetzen möchte, was zumindest signalisiert, dass er und seine „Sozialistische Partei“, die in ihrem Slogan grossspurig behauptet „Somos la Izquierda“ (wir sind die Linke) letztendlich keinen wirklichen Wechsel wünscht. Ebenso erteilte er dem Angebot von Pablo Iglesias (Podemos), einen neuen Sozialismus im Süden Europas (3) aufzubauen, eine klare Absage.
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Notwendiger politischer Wandel
Spanien braucht dringend einen politischen Wandel, weg von der Klientel- und Austeritätspolitik, hin zu sozialer Gerechtigkeit und es bedarf auch der Korrektur einiger unrühmlicher Gesetze, die in der Ära Rajoy erlassen wurden.
Insbesondere denke ich hier an das sogenannte „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“, auch als „Ley mordaza“ (Maulkorbgesetz) das (angeblichen oder tatsächlichen) Ungehorsam gegen die Polizei unter hohe Strafen stellt, wobei die Beweislast bei Demjenigen liegt, gegen den diese Strafe ausgesprochen wurde.
Selbst bei den Vereinten Nationen in Genf sorgt dieses Gesetz für grossen Unmut. Der UN Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit kritisiert es (vorsichtig ausgedrückt) als fragwürdig- erinnert es doch eher an einen totalitären Staat mit faschistischen Strukturen, als an eine Demokratie. Die EU, auch und grade die – normalerweise (wenn es ins politische Konzept passt) sehr auf demokratische Rechte bedachte Regierung in Deutschland, hat bisher noch keinerlei Kritik an diesem Gesetz geübt- wurde es doch von einer „befreundeten“ Regierung erlassen und Spanien ist eben nicht Russland, bei dem man nicht müde wird (zugegebenermassen oftmals sogar berechtigte) Kritik zu üben. Trotzdem ist mit zweierlei Mass zu messen, mehr als unangebracht. Ausserdem steht Deutschland ja auch vor der Verschärfung der Polizeigesetze- im Freistaat Bayern wurde ein ähnliches Gesetz bereits im Mai verabschiedet. Weitere Bundesländer dürften folgen.
Quellennachweise:
(1) Junge Welt, 02. Juni 2018, https://www.jungewelt.de/artikel/333470.rajoy-hat-fertig.html
(2) CIS (Centro de Investigaciones Sociológicas) – ein Meinungsforschungsinstitut, das allerdings dem „Ministerio de la Presidencia y para las Administraciones Territoriales“ (Ministerium der Präsidentschaft und für territoriale Verwaltungen) untersteht
https://es.wikipedia.org/wiki/Centro_de_Investigaciones_Sociol%C3%B3gicas
(3) Junge Welt, 02. Juni 2018, https://www.jungewelt.de/artikel/333470.rajoy-hat-fertig.html
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Weitete Beiträge von Andreas Habicht aus Malaga
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Die spanischen "Sozialdemokraten" wollen keinen Politikwechsel vollziehen, sonst hätten sie solches schon lange im Vorfeld durch entsprechende Politik bemerkbar werden lassen. Sie waren aber Teil des Systems Rajoy und hbaben versucht, von dessen Macht kleine Scheibchen für sich abzuschneiden.
So ein Bruch mit dem Neoliberalismus wäre auch sofort erkennbar am Boykott der Politik der EU, am Widerstand gegen die Kriegspolitik der NATO, an den Versuchen der Unterdrückung der Länder Lateinamerikas (aktuell Venezuela, Nicaragua) durch die USA und die EU.
Es gibt nun zwar in Spanien einen neuen Ministerpräsidenten, aber keine neue Politik. Es ist alles beim Alten, mit neuen Gesichtern. Ein Illusionist istz, wer etwas anderes glaubt.