Ernst Aust †, Roter Morgen, 10. Jg., 10. März 1976*

8. März – Internationaler Kampftag der Frauen

Die Lage der werktätigen Frau wird bei uns nach wie vor durch die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung bestimmt
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Ernst Aust
1923 – 1985

,,Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Niemand darf wegen seines Geschlechts…benachteiligt werden.“ So steht es im Artikel 2 des Grundgesetzes. Die Wirklichkeit aber sieht anders aus. Im Gegensatz zu den Verfassungsphrasen wird die Lage der werktätigen Frau bei uns  nach wie vor durch die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung bestimmt, der die werktätige Frau im Kapitalismus ausgesetzt ist.

Der 8. März ist der internationale Kampftag der Frau. Seine Geschichte reicht zurück zu jenem 8. März 1878, an dem Fabrikarbeiterinnen in Massachusetts den ersten organisierten Arbeiterinnenstreik durchführten.

Was meinen wir, wenn wir von der doppelten Ausbeutung und Unterdrückung der Frau im Kapitalismus sprechen? Damit ist gemeint, dass die werktätigen Frauen einmal ausgebeutet und unterdrückt werden, weil sie Arbeiterinnen, Teil der Arbeiterklasse sind. Darüber hinaus werden die werktätigen Frauen besonders ausgebeutet und unterdrückt, weil sie Frauen sind. So werden im Betrieb die Frauen einerseits, wie alle Arbeiter, durch die Kapitalisten ausgebeutet. Andererseits aber erhalten sie die niedrigsten Löhne, müssen sie die unqualifizierteste und eintönigste Arbeit machen. 91% der Fabrikarbeiterinnen sind ungelernte oder angelernte Arbeiterinnen, nur 6 % von ihnen sind Facharbeiterinnen. Bis 1955 wurden die Frauen im Betrieb offen als Arbeiter zweiter Klasse behandelt. Bis dahin gab es den sogenannten Frauenabschlag. Wenn ein Mann und eine Frau die gleiche Arbeit machten, bekam die Arbeiterin automatisch weniger Lohn als ihr männlicher Kollege. Dieser Frauenabschlag wurde 1955 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Dieser Frauenabschlag wurde zwar abgeschafft aber dafür wurden die Leichtlohngruppen eingeführt. Offiziell richtet sich die Einstufung in die Leichtlohngruppen natürlich nicht nach dem Geschlecht. In Wirklichkeit aber werden praktisch nur Frauen und Jugendliche in die Leichtlohngruppen eingestuft.

Clara Zetkin und Rosa Luxemburg, Vorkämpferin der Frauenrechte

Von der doppelten Ausbeutung und Unterdrückung der werktätigen Frau spricht die bürgerliche Propaganda nicht. Sie spricht allerdings manchmal von der ,,Doppelbelastung“ der werktätigen Frauen. Damit ist gemeint, dass die werktätige Frau nach Schichtende noch den Haushalt versorgen und sich um die Kinder kümmern muss. Es ist eine Tatsache, dass das Leben der meisten verheirateten werktätigen Frau so verläuft. Die bürgerliche Propaganda aber will verschleiern, dass die Ursache für dieses mühselige Leben der werktätigen Frauen im Kapitalismus liegt. Satt dessen stellt sie die Frage der ,,Doppelbelastung“ hauptsächlich als ein Problem zwischen den Eheleuten hin. Natürlich stimmt es, dass ein großer Teil der proletarischen Männer die falsche bürgerliche Auffassung vertritt, dass Fragen des Haushalts und der Kindererziehung ausschließlich die Frauen angehe. Sie kommen nach Schichtschluss nach Hause und warten darauf, dass die Frau, die ebenfalls gerade von der Arbeit kommt, das Essen auf den Tisch bringt, ohne selbst einen Handschlag zu tun. Natürlich ist es richtig, wenn die Frauen gegen die rückschrittliche Ideologie ihrer Männer kämpfen.

Plakat von 1914

Trotzdem ist diese Frage nicht in erster Linie ein Problem zwischen den Eheleuten. Der Kapitalismus hat die proletarischen Frauen als billige Arbeitskräfte in den Produktionsprozess einbezogen. Rund 30% der Werktätigen sind heute Frauen. Die Kommunisten haben stets die Ansicht vertreten, dass die gleichberechtigte Teilnahme an der Produktion und damit die Aufhebung der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Mann eine Voraussetzung für die gesellschaftliche Gleichstellung von Frau und Mann ist. Hebt die Eingliederung der Frau die kapitalistische Produktion ihre wirtschaftliche Abhängigkeit vom Mann auf? – In gewisser Hinsicht sicher auch, wenn wir sehen, dass die Kapitalisten dafür sorgen, dass die Frau dem Mann auch wirtschaftlich unterlegen bleibt, indem sie die Frau mehrheitlich nur als ,,unqualifizierte Billigsarbeitskraft“ einstellen so, dass sie meistens gegenüber dem Mann ,,Zuverdiener“ bleibt. Vor allem aber wird durch die Eingliederung der Frau in die kapitalistische Produktion die Abhängigkeit der proletarischen Familie vom Kapital erhöht. Früher hat in der Regel der Lohn des Mannes ausgereicht, um den Unterhalt der Familie zu sichern. Heute ist es für eine große und wachsende Zahl von Arbeiterfamilien zur zwingenden wirtschaftlichen Notwendigkeit geworden, dass Mann und Frau Arbeit finden, um den Unterhalt der Familie zu finanzieren. Die Eingliederung der Frau in die kapitalistische Produktion bedeutet so insgesamt eine ungeheure Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die Kapitalistenklasse. Das soll kein Argument gegen die richtige und notwendige Arbeit der Frau in der Produktion sein. Aber im Kapitalismus wird die werktätige Frau nur um des Profits der Kapitalisten Willen in die Fabriken gezwungen, ohne Rücksicht darauf, wer nun die Aufgaben des Haushalts und der Kindererziehung übernimmt, die bislang die Frau erledigt hatte. Es ist also die kapitalistische Ausbeutung, die die ,,Doppelbelastung“ der werktätigen Frau in den Zwiespalt zwischen ihrer Arbeit in der Produktion und den Aufgaben als Mutter und in der Familie bringt.

Gleichzeitig schürt die bürgerliche Propaganda unter Männern und Frauen die reaktionäre Auffassung, dass die Frau eigentlich in die Küche und zu den Kindern und nicht in die Fabrik gehört. (…)
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*Nun werden sich einige Leser/innen fragen warum ich die Redaktion American Rebel gebeten habe einen Artikel meines verstorbenen Genossen Ernst Aust, aus dem Jahre 1976, zu veröffentlichen. Das hat mehrere Gründe: Zum Einen möchte ich aufzeigen das sich an der Lage der werktätigen Frauen von 1976 bis heute kaum etwas ausschlaggebendes verändert hat. Das heißt das der Kampf für wirkliche Gleichstellung und Gleichberechtigung nicht beendet ist und weitergeführt werden muss. Zum Anderem habe ich in vielen Gesprächen mit Bürgern der DDR festgestellt, dass viele den Alltag der arbeitenden Menschen in der alten BRD nicht richtig einschätzen. Die Propaganda der Tagesschau und die Werbung in der ARD und im ZDF haben bei Vielen so einen Eindruck hinterlassen, dass sie bis heute anhält. Selbst bei Genossen und heute aktiven Kämpfern für eine bessere Gesellschaftsordnung, die aus der DDR stammen, sind oft noch Illusionen und Fehleinschätzungen über den Kampf der Genossen in der alten BRD fest verankert. Auch da ist m. E. noch viel solidarische Aufklärung nötig. Wer könnte es besser als Ernst Aust, einer der großen Marxisten-Leninisten Deutschlands? Er machte als KPD-Aktivist von der Wasserkante die revisionistische Entartung der KPdSU und der SED nicht mit und war u. a. von 1967 bis 1987 Chefredakteur der Zeitung ROTER MORGEN, der der vorstehende Artikel und andere die ich noch veröffentlichen möchte, entnommen ist.
Euer Fiete (Dank an KikiRebell für’s abschreiben aus einer meiner vergilbten Ausgaben des Roten Morgen).

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