F.-B. Habel

Und dann, und dann

»Tropischer Virus« (Sektion Generation)

F.-B. Habel

Die Sektionen der Berlinale – auch das ein Ansatzpunkt der Kritiker – sind nicht immer scharf voneinander abgegrenzt. So laufen in der Sektion Generation, dem früheren Kinderfilmfest, seit 14 Jahren auch Filme für (junge) Erwachsene. Ein solcher ist etwa »Virus Tropical«, der mit den Mitteln des Zeichentricks die Biographie einer jungen Frau aus Ecuador erzählt. Power Paola ist der Künstlername der Comicautorin Paola Gaviria (Jahrgang 1977), nach deren Graphic Novel der Film in Kolumbien entstand. Sie nennt sich auch Tropischer Virus. Als ihre Mutter mit ihr schwanger war, erkannte der Arzt das nicht, sondern diagnostizierte diese Krankheit.

Foto: Timbo Estudio / Santiago Caicedo, Powerpaola

Paolas Vater ist ein ehemaliger Priester, der sich dafür entschieden hat, neben Gott auch Paolas Mutter zu lieben. Man sieht, wie die beiden Paola »bauen«. Wie das Mädchen heranwächst, wird mit viel Selbstironie erzählt. In der Familie erweist sie sich als kleine Rebellin. Man sieht sie beim Verlieben und Trennen, Zeichnen, Lernen, Reisen. Sie begegnet Männern, denen Kriminalität nicht fremd ist, alles in Schwarzweiß, nur selten leicht getönt. Das Ganze ist ein interessantes Tagebuch, hat aber kaum dramatische Momente. Nebenbei werden Porträts sich emanzipierender Frauen skizziert, denn der Alltag der Mutter und der beiden älteren Schwestern Paolas spielt natürlich hinein. Der Debütfilm des Regisseurs Santiago Caicedo fand dank des Erfolgs des Comicalbums in Lateinamerika ein großes Publikum. Eine wichtige Rolle kommt auch der Musik zu – in passenden Situationen erklingen lateinamerikanische Rhythmen und die typische Panflöte.

Mehrere Szenen spielen vor einer großen Bücherwand, die auf Autoren verweist, von denen Paola beeinflusst ist. Sigmund Freud steht da nicht weit von Walt Disney. Letzterer zählt offenkundig zu Paolas Vorbildern. Mehrfach trägt sie Micky-Maus-T-Shirts. Ihr Zeichenstil ist nicht so gefällig wie der von Disney, wohl aber die Erzählweise. Die chronologisch nach der Devise »Und dann, und dann, und dann …« erzählte Lebensgeschichte verrät wenig von der stürmischen Historie Lateinamerikas in jenen Jahren. Ausgerechnet der Besuch Papst Johannes Paul II. ist eine Ausnahme: Paola hat ihm ein Bild gezeichnet, das sie ihm unbedingt überreichen will. Eigenen Charme gewinnt der Film durch die naive Offenheit, mit der Paolas Leben und Gefühlswelt erzählt werden.

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Aus Junge Welt vom 19. Februar 2018, mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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