Redaktion RoterMorgen – 30. Mai 2022
Blättert man am heutigen 30. Mai 2022 in einer beliebigen Fernsehzeitschrift, so ist der Schwerpunkt des Tagesprogramms leicht ausgemacht. Das Erste überträgt um 20 Uhr 15 eine 120-minütige Sendung zum 70. Thronjubiläum der englischen Königin Elizabeth II. und das ZDF-INFO gar 315 Minuten, also über fünf Stunden. Und das nicht alles, die Krönung Elizabeth the Second, by the Grace of God, of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and of Her other realms and territories Queen, Head of the Commonwealth, Defender of the Faith” fand am 2. Juni 1952 in London statt. Es kommt bis dahin noch Etliches.
Vom Emotionalen her ist das alles ekelhaft, aber wir dürfen auf dieser Stufe nicht stehenbleiben. Es gibt hyperaufgeklärte Zeitgenossen, die die Meinung vertreten, es lohne sich nicht mehr, sich damit auseinanderzusetzen. Das sei doch Schnee von gestern. Leider ist dem nicht so. Auch bei dieser Thematik, bei der oft gefragt wird, wie sich ein derart feudaler Schrott im 21. Jahrhundert noch halten kann, müssen wir einen Blick zurück in die Geschichte werfen. Das Prinzip der Monarchie überhaupt ist der entmenschte Mensch. hatte Marx in einem Brief im Mai 1843 an Ruge geschrieben.1 Und damit haben wir zugleich auch unseren politischen Ausgangspunkt. Historisch müssen wir noch weiter zurückgehen, und zwar auf die Glorious Revolution von 1688/89. Das war eine aalglatte Revolution, ohne dass wie noch bei Karl I. am 30. Januar 1649 ein Königskopf fiel. Diese Revolution war Ausdruck einer politischen Geschicklichkeit der englischen Bourgeoisie, sich mit Kompromissen durch die Geschichte zu mogeln, was klassenkämpferisch negativ zu Buche schlägt. (Marx schrieb am 7.10.1858 an Engels, dass England sich den Luxus erlaube, neben einer bürgerlichen Aristokratie ein bürgerliches Proletariat zu besitzen). Wilhelm von Oranien versprach dann auch am 11. April 1689 während der Krönungszeremonie: “… to govern the people of this kingdom of England … according to the statutes in parliament agreed on, and the laws and customs of the same“. Hinter dem Parlament stand das Bürgertum. Warum also diese ununterbrochene Kontinuität einer Institution, deren Prinzip die Menschenverachtung ist? Warum dieser Kontrast zur klassischen bürgerlichen Revolution in Frankreich?
Eine interessante Bemerkung diesbezüglich finden wir in Lenins Schrift: ‘Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus‘, die er mitten im Weltkrieg im Oktober 1916 geschrieben hat: England nehme eine Ausnahmestellung ein.2 Und zwar welche? Eine privilegierte Oberschicht des englischen und nur des englischen Proletariats lebe zum Teil auf Kosten der vielen Hundert Millionen Menschen der nichtzivilisierten Völker.3 Das ist ein typisches Merkmal des Imperialismus, der ungefähr ab der Jahrhundertwende 1900 datiert, nur England nahm eine Sonderstellung ein, insofern in diesem Land schon ab zirka 1850 zwei Merkmale des Imperialismus vorhanden waren: Unermessliche Kolonien (Kolonialmonopol) und Monopolprofite infolge der Monopolstellung auf dem Weltmarkt. So ergab sich für England ein sehr günstiges Terrain für den zeitweiligen Sieg des Opportunismus in seiner Arbeiterbewegung. In einem Brief vom 12. 9. 1882 an Kautsky spricht Engels davon, dass es in England keine wirkliche Arbeiterpartei gäbe. Zehn Jahre später, im Vorwort zur zweiten Auflage seiner ‘Lage der arbeitenden Klassen in England‘ prägt Engels 1892 zum ersten Mal den Ausdruck ‘Arbeiteraristokratie‘. Das spielt eine gewichtige Rolle, warum sich der Zahn der Monarchie im verfaulten und überfressenen Maul des englischen Imperialismus so hartnäckig halten kann. Hinzu kommt, dass Imperialismus politische Reaktion auf der ganzen Linie bedeutet. Die liberal-demokratische Bourgeoisie verliert an Bedeutung, die reaktionär-monarchistisch gesinnte wird stärker, auch das befestigt die Throne. In ihrer Raubgier sind Monarchisten und Finanzkapitalisten so ziemlich seelenverwandt. 2013 schätzte die Zeitschrift Forbes, ein in diesen Sachverhalten treffsicheres Blatt, das Vermögen der Queen auf 450 Millionen US-Dollar.
In einem Brief an Sorge vom 7. Dezember 1889 beklagt sich Engels über die im englischen Proletariat eingerissene ‘respectability‘ (Ehrbarkeit) und verweist auf das Jahr 1789: Man sehe, wozu eine Revolution gut ist. Und in der Tat, die klassische Revolution in Frankreich beweist, dass die Völker ein Recht auf Bestrafung von Konterrevolutionären haben. Über das Schicksal von Ludwig XVI., der wegen ‘Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und Sicherheit des gesamten Staates‘ unter Anklage stand, wurde am 17. Januar 1793 im Nationalkonvent öffentlich und namentlich abgestimmt. Jedes Mitglied des Konvents konnte eine Bemerkung zu seiner Entscheidung abgeben. Von allen Bemerkungen muss, die des großen Jakobiners Robespierre hervorgehoben werden: ‘Da ich Mitleid mit den Unterdrückten habe, kann ich kein Mitleid mit den Unterdrückern haben‘. Vier Tage später, am 21. Januar 1793 wurde der König guillotiniert.
Wir Jakobiner des 21. Jahrhunderts müssen uns diesen Satz Robespierres, des Mannes, der in der Revolution der Unbestechliche genannt wurde, gut einprägen, wollen wir den vom englischen Kolonialismus ausgebluteten, angeblich unzivilisierten Völkern helfen, die geraubten 450 Millionen US-Dollar wieder zu bekommen. Auch wir können kein Mitleid mit deren Ausbeutern haben. ‘Ca ira‘ aus der französischen in die deutsche Sprache frei übersetzt, bedeutet ungefähr: Wir werden es schaffen. ‘Ca ira‘ – das war der Refrain eines Kampfliedes der Massen aus der französischen Revolution. Einige Zeilen seien hier übersetzt: “Ah – wir werden es schaffen, Die Aristokraten an die Laterne, Es gibt weder Adelige noch Prieser mehr:“ Jawohl, wir Jakobinerkommunisten lernen von den Klartext singenden Massen. Wir werden in der Nähe des Buckingham Palastes eine Straßenlaterne auftreiben.
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1 Karl Marx, Brief an Ruge im Mai 1843, Werke, Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960, Seite 340.
2 Lenin, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Werke, Band 23, 1960, Seite 109.
3 a.a.O.,104
4 Forbes, The Richest Royals, 11.9.2013.
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Erstveröffentlichung am 31. Mai 2021 auf »RoterMorgen«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
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