Christine Buchholz
Arme gegeneinander ausspielen, ist nicht links
Christine Buchholz
Oskar Lafontaine hat am Montagabend in München an einer Veranstaltung mit Thilo Sarrazin und dem ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler teilgenommen. Bei der Veranstaltung ging es um die Promotion des neuen Buchs des Rassisten Sarrazin. Doch mit Thilo Sarrazin setzt man sich nicht auf eine Bühne! Er hetzt in seinen Büchern gegen Geflüchtete und Muslime, bringt Intelligenz in Verbindung mit Herkunft und schreckte nicht davor zurück von einem „Juden-Gen“ zu schreiben.
Sarrazin hat in Deutschland antimuslimischen Rassismus salonfähig gemacht. Mit seinen Büchern „Deutschland schafft sich ab“ und „Feindliche Übernahme“ hat er den Hass auf Muslime und Geflüchtete popularisiert, einen pseudowissenschaftlichen Anstrich gegeben und so legitimiert.
Jetzt will er sein neues Buch über Einwanderung promoten. Lafontaine hat sich bereitwillig in Sarrazins erklärten Plan einbinden lassen, seine Hetzthesen zur Migration in die „Mitte der Gesellschaft zu tragen“.
Aber auch die Aussagen von Lafontaine, mit denen er zitiert wird, sind zurückzuweisen. So erklärt er, dass ein geflüchtetes Kind 5.000 Euro im Monat koste und man dies niemals einer armen Rentnerin oder Rentner erklären könne.
Auch wenn die Zahl von 5.000 insgesamt etwas hochgegriffen ist, is entscheidend, wofür das Geld ausgegeben wird: Eingerechnet sind dabei die Kosten für soziale Fürsorge, betreutes Wohnen, der Zugang zu Bildung und die Möglichkeiten der Aufarbeitung von Traumata – also all das, was junge Menschen brauchen, um sich eine Perspektive zu schaffen. Wer diesen Beitrag ablehnt, muss entweder die Situation der Geflüchteten verschlechtern oder die Löhne der Beschäftigten in diesem Sektor senken, beides kann keine linke Antwort sein.
Menschenrechtliche Fragen sind nicht in Kostenfragen umzuwandeln. Was würde das etwa für den Umgang mit Alten, Kranken oder Menschen mit Behinderung bedeuten, wenn man ihnen beziehungsweise der Gesellschaft die Kosten vorhält, die sie „verursachen“. 2003 argumentierte der damalige Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Missfelder, ähnlich wie Oskar Lafontaine. Missfelder machte damals Rentnerinnen und Rentner für zu hohe Kosten verantwortlich: „Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.“ Eine solche Argumentation spaltet und lenkt von den Ursachen der Probleme ab, unabhängig davon, auf wen sie angewendet wird.
hier geht es weiter »
Oskar Lafontaine dürfte dies bewusst sein, doch er spielt bewusst das Schicksal von Flüchtlingen, die auch vor den Folgen deutscher Kriegsbeteiligungen, Waffenexporten und Umweltzerstörungen flüchten, gegen das Schicksal armer Menschen in Deutschland aus.
Das ist nichts Neues. Es ist eine erprobte Strategie, um Stimmung zu schüren, allerdings keine linke Strategie, sondern eine rechte.
Die Aufgabe eines Linken wäre es gewesen zu fordern, dass die Renten steigen und dass das Geld dafür da geholt wird, wo es liegt: bei den Superreichen. Wer die Kosten für die Betreuung eines traumatisierten Kindes und somit indirekt die Aufnahme des Kindes in Deutschland als das Problem darstellt, lenkt von den eigentlichen Problemen ab und bestärkt die Erzählung der Rassisten, die Geflüchtete für die soziale Notlage von Menschen verantwortlich machen.
Eine vergleichbare Methodik wird auch angewendet, wenn es um Streiks für höhere Löhne geht oder als Mittel, um Belegschaften zu spalten, wie 1973 bei Ford in Köln, als insbesondere die BILD gegen den Streik hetzte und nach der Niederschlagung des mehrheitlich von türkischstämmigen Arbeitern geführten Streiks titelte: „Das sind keine Gäste mehr.“ Für Linke muss klar sein, dass eine solche Politik das Kapital entlastet, während es Rassismus und Vorurteile schürt und damit soziale Kämpfe schwächt.
Dass Lafontaine inzwischen aber solche Ansätze mitunterstützt, ist dabei nicht verwunderlich, sondern eine logische Folge seiner eigenen antimigrantischen Positionen. Der Spiegel schrieb am 3. September 1990: „Als erster Spitzenpolitiker hat wieder der saarländische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine die schwelende Fremdenfurcht aufgegriffen. Um den Asylantenstrom aufzuhalten, plädierte er … für eine Änderung des Grundrechts auf Asyl.“ 2005 erklärte er: „Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen.“ Seit dem Jahr 2016 setzt er wieder verstärkt auf solche Thesen, so sagte er in einem Interview: „Wer illegal über die Grenze gekommen ist, der sollte ein Angebot bekommen, freiwillig zurückzugehen. Wenn er dieses Angebot nicht annimmt, bleibt nur die Abschiebung.“ Lafontaine stellt sich damit immer wieder gegen die Grundsätze einer internationalistischen und antirassistischen Politik und setzt stattdessen auf Standortnationalismus und das Ausspielen der Schwächsten gegeneinander.
Statt Sarrazins Thesen zu verstärken, müssen Linke sowohl die Rechte von Geflüchteten verteidigen, als auch die sozialen Interessen aller Rentnerinnen und Rentner, der Erwerbstätigen und der Erwerbslosen. Und sie müssen immer wieder klar machen, dass die wirklich teuren Flüchtlinge, die Steuerflüchtlinge sind. Die von ihnen verursachten Kosten überstiegen im Jahr 2016 übrigens die Kosten für alle Geflüchteten um mehr als das Zehnfache.
Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.
.
Für den Inhalt dieses Artikels ist der Autor bzw. die Autorin verantwortlich.
Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.
|
Auch linker Journalismus ist nicht kostenlos
und auch kleine Spenden können helfen Großes zu veröffentlichen! |
Albert-Schweizer-Migration statt Koch-Brüder-Migration
Eine Diskussionsveranstaltung in München mit Peter Gauweiler und Thilo Sarrazin hat zu einiger Aufregung geführt, wobei sich viele Kritiker im Ton vergreifen und wieder einmal zeigen, dass sie nicht in der Lage sind, eine faire Sach-Diskussion zu führen.
Hier mein zusammengefasster Diskussionsbeitrag:
Grundsatz jeder linker Politik ist es, den Ärmsten zu helfen. Dass das zurzeit nicht geschieht, ist offensichtlich. Immer noch sterben Millionen Menschen an Hunger und Krankheiten. Da die Milliarden nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, muss man sich entscheiden, wo und wem man hilft. Wer, wie manche „Linke“, einwendet, man dürfe die Ärmsten nicht gegeneinander „ausspielen“, kann noch nicht einmal an der Haushaltsberatung einer Gemeinde teilnehmen, da muss man sich nämlich beispielsweise entscheiden, ob man das Geld für Obdachlose, die Einrichtung einer Kita in einem sozialen Brennpunkt oder den sozialen Wohnungsbau ausgibt. Aber wie bei der Abschiebung verweigern auch hier viele eine ehrliche Diskussion. In Wahlprogrammen spricht man sich gegen jede Form der Abschiebung aus, sobald man an der Landesregierung beteiligt ist, schiebt man ab und versucht, dieses unglaubwürdige Vorgehen mit Verweis auf Bundesgesetze zu entschuldigen.
Die Ärmsten haben Nachteile durch die heutige Zuwanderung – in den Herkunftsländern durch die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte, wie Ärzte und Krankenschwestern, und in den Aufnahmeländern durch den entstehenden Lohndruck im Niedriglohnbereich und die steigenden Mieten für preisgünstige Wohnungen.
Mit den bereitgestellten Mitteln für Flucht und Migration sollten wir den Ärmsten und möglichst vielen Menschen helfen. Ich halte es für sozial gerechter, den Schwerpunkt der Hilfe in den Lagern in den Krisenregionen und in den ärmeren Ländern zu setzen, weil man dort die Lebensbedingungen von Millionen Menschen verbessern kann. Beispielsweise wird jetzt damit gerechnet, dass in diesem Jahr im Zuge der Corona-Krise durch ausbleibende Medikamente und Lebensmittel allein in Afrika zusätzlich 400.000 Menschen an Malaria und HIV sowie eine halbe Million mehr an Tuberkulose sterben. Warum hilft denen jetzt keiner? Wenn man den Ärmsten helfen will, sollte man sich für das Modell Albert Schweitzers einsetzen, nach dem gut ausgebildete Menschen aus den Industrieländern in die ärmeren Länder gehen, um dort zu helfen, und gegen die „Koch-Brüder-Migration“ (Die konservativen Industriellen Charles und David Koch finanzierten in den USA die „Republikaner“ ). Dazu sagt Bernie Sanders: „Das ist ein Vorschlag der Koch-Brüder. Was die Rechte in diesem Land liebt, ist doch eine Politik der offenen Grenzen. Bring jede Menge Leute, die für zwei oder drei Dollar die Stunde arbeiten“.
Man kann anderer Meinung sein. Aber Schaum vorm Mund ersetzt keine sachbezogene Diskussion.
Horst Speck bringt es auf den Punkt. Die Superreichen freuen sich über Zuwanderung wegen des Druckes den die auf die einfachen Menschen in Deutschland ausüben und so der Anteil dessen was der arbeitende Teil der Bevölkerung am Gesamteinkommen erhält klein gehalten werden kann. Wenn Europa zusammen legt und mit dem Geld in den Herkunftsländern Hilfe zur Selbsthilfe leisten würde wäre das für alle Beteiligten einfachen Menschen besser. Es ist der Gipfel der Frechheit wenn die Presse Oskar Lafontaine unterstellt er sei unsozial. Das Gegenteil ist der Fall. Er lag auch historisch politisch immer richtig.