Andreas Habicht, Málaga
Warum wir nicht in einer Demokratie leben.
Zugegeben, der Titel hört sich schon provokant, bzw. nach einer Verschwörungstheorie an… Allerdings ist der Neoliberalismus eines der totalitärsten Gesellschaftssysteme überhaupt. Er lässt die Menschen im Glauben sie würden in einer Demokratie leben. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Gesellschaftssystem das „über Leichen geht“, von dem sehr viele nicht einmal wissen, dass es überhaupt existiert.
Wir bekommen bei jeder sich bietenden Gelegenheit erzählt, dass wir in einer Demokratie leben würden. Für den “unbedarften Normalbürger”, scheint dies auch tatsächlich so zu sein, werden wir nicht regelmäßig dazu aufgefordert, unsere “Volksvertreter” zu wählen oder uns auch auf andere Weise in das “demokratische Geschehen” einzubringen.
Neoliberalismus und Demokratie – ein Widerspruch
Allerdings, die Leute, die wirklich die Macht in den Staaten ausüben, können wir nicht wählen und die demokratisch gewählten Politiker, sind allemal nichts anderes, als Erfüllungsgehilfen, die eben momentan notwendig sind, um die Macht des Kapitals und der Konzerne zu sichern und vor allen Dingen dem Ganzen dann auch einen “demokratischen Anstrich” zu geben.
Wir alle sehen es tagtäglich- grade in den vergangenen 30 Jahren, nachdem sich in den Ländern des real existierenden Sozialismus, die Konterrevolution durchgesetzt hat, wird ein beispielloser Sozialabbau betrieben. Dies kann nur geschehen, da sich das neoliberale Gesellschaftssystem heute mit keinem anderen System mehr messen muss, wie es bis 1989 üblich war. Seinerzeit sah sich vor allen Dingen Westdeutschland tatsächlich noch gezwungen, soziale Errungenschaften, die bereits in der DDR eingeführt waren, auch in der (alten) Bundesrepublik umzusetzen. Natürlich wurde das dann so verkauft, dass eben die Bundesrepublik der Sozialstaat schlechthin sei und meistens fand es auch keine Erwähnung, dass es im “zweiten Deutschen Staat” (wie man in Westdeutschland die DDR gerne bezeichnete) bereits Wirklichkeit war, was man uns “Wessis” dann als sozialen Fortschritt anpries.
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Die “Wende” schaffte günstige Bedingungen für den Neoliberalismus
Mit der sogenannten Wende, änderte sich dieses System der Sicherheit vom einen auf den anderen Tag. Zuerst wurde die Bevölkerung der DDR enteignet und sie standen vom einen zum anderen Tag, praktisch vor dem “Nichts”. Was gestern noch galt, war am nächsten Tag bereits überholt- man erzählte den Menschen von der Ineffektivität der sozialistischen Wirtschaft und dass sie praktisch in den zurückliegenden 40 Jahren nur sinnlose Arbeiten erledigt hätten.
Im Westen musste man wohl sehr viel geschickter vorgehen, sollte doch das Gesellschaftssystem hier, zumindest nach außen hin, nicht angetastet werden.
Umgehend nach der Konterrevolution, machte man sich an die Arbeit und forcierte ein Wirtschaftssystem, das sehr rücksichtslos gegen die “kleinen Leute” vorging und bis heute vorgeht. Es wurden massenweise Arbeitsplätze vernichtet, soziale Errungenschaften Schritt für Schritt, rückgängig gemacht. Betriebe, die bisher unter staatlicher Regie geführt wurden, befanden sich im Ausverkauf – nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch im Westen (ich erinnere bei dieser Gelegenheit insbesondere an die Zerschlagung der drei Postunternehmen, Post, Postbank und Telekom, allerdings waren auch andere Unternehmen, die der “öffentlichen Daseinsvorsorge” dienen von Privatisierungen betroffen und man privatisierte Dinge, für die eigentlich der Staat eine Garantie zur Aufrechterhaltung dieser Dienste übernimmt).
Alleine schon diese vorgenannten Punkte, stellen eine Demokratie zumindest in Frage, werden hier doch Dinge zur Gewinnoptimierung freigegeben, auf die wir eigentlich alle ein Anrecht haben. Bei Bahn und Post mag man hier noch Vieles “zähneknirschend” hinnehmen können, allerdings wie sieht es aus, wenn lebensnotwendige Dinge, wie das Trinkwasser privatisiert werden, um einigen Wenigen die Möglichkeit zu bieten, aus Grundbedürfnissen ein grosses Geschäft zu machen?
Das neoliberale Gesellschaftssystem steht voll und ganz im Widerspruch zu dem, was man uns ständig erzählt, es hat also mit einer Demokratie nicht wirklich etwas zu tun- ich gehe sogar soweit und behaupte, dass die Demokratie und wirklich kritisches Denken für dieses – inzwischen nahezu weltweit an der Macht befindliche – System hinderlich ist.
Natürlich möchten uns die Mächtigen im Glauben lassen, dass wir in einer Demokratie leben und inszenieren in regelmäßigen Abständen Wahlen zu den verschiedensten Parlamenten. Das Verlogene daran ist allerdings, dass mit Nichten daran gedacht ist, die Bürger tatsächlich an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Die einzige Aufgabe dieser Wahlen ist, den Machthabern eine “demokratische” Legitimation zu geben. Diejenigen, die tatsächlich die Macht besitzen, sind nicht, wie es eigentlich den Anschein hat, die Politiker, sondern ausschließlich Diejenigen, die die Wirtschaft (also Konzerne und Großkapital) kontrollieren. Bei der Auswahl der sogenannten Volksvertreter wird natürlich peinlichst darauf geachtet, dass sie für die Mächtigen nützlich sind (Lobbyismus). Natürlich gibt es durchaus auch Kandidaten, die ihre Politik wirklich auf die Interessen der Menschen ausrichten. Allerdings wird durch die sogenannten Qualitätsmedien, die nahezu ausnahmslos durch die Bourgeoisie kontrolliert werden, schon dafür gesorgt, dass diese nicht zuviel Einfluss gewinnen- allenfalls ist man bereit, diese Politiker/Innen in einer kleinen und überschaubaren Opposition zu dulden, bzw. wenn man sie schon an einer Regierung beteiligen muss, dass dafür gesorgt wird, dass sie eher “unwichtige” Posten bekommen.
Erreichen Parteien, die dem neoliberalen System gefährlich werden können, doch eine regierungsfähige Mehrheit (was seltenst vorkommt) und gehen sie daran ihre Versprechungen in die Tat umzusetzen, dann gibt es einen “Plan B”, der, bis jetzt, immer dann zum Einsatz kam, wenn man sich dieser Regierungen, möglichst schnell, entledigen wollte. Wir müssen und nur einmal in der Geschichte umschauen- eines der besten Beispiele dafür war der Sturz der sozialistischen Regierung Salvador Allendes in Chile und “live” können wir derzeit in Venezuela erleben, wie eine nach den Vorgaben der selbst ernannten Demokraten, an die Macht gekommene Regierung destabilisiert wird. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, jedenfalls zählt zu der Entmachtung einer nicht genehmen Regierung stets Propaganda, die durch die sogenannte freien Medien, nahezu weltweit, verbreitet wird. Hier werden dann nach den sonst so hochgelobten Spielregeln der Demokratie (die natürlich durch die selbsternannten Demokraten festgelegt werden), plötzlich Politiker für nicht legitim erklärt, die genau nach den selben Maßstäben an die Macht gelangten, wie es zuvor auch üblich war und man bezichtigt mitunter diese Politiker des Wahlbetruges, während man Putschisten für legitim erklärt. Mitunter bedient man sich sogar offenen Faschisten, wie 1973 in Chile, um das Land vor dem zuvor inszenierten Chaos zu retten.
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Wie (vermeintlich) eigene Meinungen gebildet werden
Die sogenannten “freien Medien” spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Verbreitung von Propaganda. Auf den ersten Blick werden in den “großen Medien” tatsächlich unterschiedliche Meinungen und Ansichten verbreitet. Allerdings sind die Unterschiede letztendlich sehr gering und die verbreiteten Meinungen stellen nicht wirklich das neoliberale Gesellschaftssystem in Frage. Dies verwundert auch nicht wirklich, denn bei den Besitzern der einflussreichen Medien, handelt es sich stets um finanzstarke Konzerne, die die Meinungen schon so hinbiegen, dass sie ins politische Konzept passen und die Menschen im Glauben sind, es handele sich um ihre eigene Meinung.
Natürlich gibt es in den Ländern der Europäischen Union (noch?) keine Zensur (bitte nicht verwechseln, wenn Medien auf gerichtlichen Beschluss abgeschaltet oder aufgefordert werden, Inhalte zu löschen, die Hetze und Hass darstellen). Diese ist auch nicht notwendig, da man die Nachfrage nach kritischen Medien auf verschiedenste Art, so steuern kann, dass diese nicht all’ zu viel Einfluss gewinnen. So kann man mi Internet, die Verbreitung durch die Suchmaschinen entsprechend steuern und es ist ja wohl einleuchtend, dass Medienkonzerne über viel grössere finanzielle Mittel verfügen, als kleine kritische Onlinemagazine, bzw. kleine Zeitungen. Bei den Printmedien verhält es sich ähnlich. Während man bestimmte, mitunter reißerisch aufgemachte – zutiefst reaktionäre – Zeitungen nahezu an jedem Kiosk kaufen kann, verhält es sich mit kritischen oder gar kommunistischen Zeitungen (ja, es gibt sie tatsächlich) ganz anders. Diese werden oftmals in Bahnhofsbuchhandlungen oder speziell ausgewählte Kiosks verbannt und sicherlich wissen viele Leute deshalb nicht einmal von deren Existenz. Indem man die Verbreitung der Medien steuert, steuert man natürlich automatisch auch die Nachfrage und somit die Meinungen in den Köpfen der Menschen. Bezeichnenderweise findet diese Steuerung immer so statt, dass die verbreitenden Meinungen keinerlei Gefahr für die wirklich Mächtigen darstellen. Es ist auch unerheblich, ob sich z.B. vielleicht auch eine Zeitung kritisch mit der Arbeit der Bundesregierung auseinander setzt (dies findet man ja tatsächlich), zumal die Bundesregierung letztendlich nicht wirklich die Macht ausübt, sondern allemal die demokratische Legitimation Derjenigen sind, die wir eben nicht wählen können.
Die Medien der Bourgeoisie richten ihr Hauptaugenmerk darauf, dass “linke” Meinungen bei der Bevölkerung letztendlich auch nicht all’ zu gut wegkommen und fördern zumindest unterschwellig rechtes Gedankengut. Dies geschieht natürlich nicht offen, denn, man ist sich durchaus bewusst, dass all’ zu reaktionäres Gedankengut natürlich nicht besonders gut ankommt, zumal man auch darauf achten muss, dass der deutschen (und europäischen) Geschichte Rechnung getragen werden muss.
Man setzt vielmehr auf das unsinnige gleichsetzen von “links” und “rechts”. Wie oft wird die These verbreitet, dass es sich bei den europäischen sozialistischen Staaten vermeintlich um genauso schlimme Diktaturen handele, wie beim Deutschland des Hitlerfaschismus- oder heute setzt man Leute die den Faschismus bekämpfen (Stichwort: “ANTIFA”) mit gewalttätigen Neofaschisten gleich. Diese Argumentation ist völlig haltlos und beweist nichts weiter, als, dass die neoliberale Propaganda sehr gut funktioniert, sind es nicht die selben Medien, die keine Gelegenheit auslassen, um den Faschismus zu verharmlosen, indem man Berichte über diese Thematik nahezu völlig weglässt. So findet man zum Beispiel bis heute, kaum Berichte zum Thema, wie gut es sich die Wirtschaft gehen liess unter faschistischen Diktaturen, vom Schlage Videla in Argentinien, Stroessner in Paraguay oder gar Pinochet in Chile.
Letzteres diente sogar als das “Versuchslabor” für den Neoliberalismus. Ja richtig- eine der brutalsten Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts gestattete es der Wirtschaft, sich nahezu ungehindert von staatlicher Kontrolle zu entwickeln, während die Freiheiten der Bevölkerung nahezu abgeschafft wurden. Sozialpolitik oder gar das Streikrecht, sind natürlich hinderlich daran, wenn es gilt, die Wirtschaft zu liberalisieren. In Chile konnte Miltoin Fridman sein Konzept des Neoliberalismus erstmals umsetzen, brauchte man hier nicht großartig auf soziale Standards zu achten.
Was Viele nicht wissen, ist, dass sich viele Regierungen bei der Umstellung ihrer Sozialsysteme, grade der Beratung durch den ehemaligen Arbeitsminister des faschistischen Pinochet- Regimes, José Piñera, in Chile bedienten 1) . Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Piñera auch für Chile eine “Agenda 2010” schuf 2). Diese Agenda bedeutete auch für Chile eine weitestgehende Privatisierung des Sozial- und Bildungssystems. Der Name von Schröders “Agenda 2010”, ist ja wohl sicherlich alles andere, als nur ein Zufall.
Genau diese Extremisten werden nicht müde, uns Kommunisten oder auch andere Linke, als Radikal zu bezeichnen und für mich stellt es schon eine gewisse Komik dar, dass sich grade solche marktradikalen Elemente, die die Vernichtung von Millionen und Abermillionen an Arbeitsplätzen und massiven Sozialabbau betreiben, gerne als gemäßigt geben.
Wenn es überhaupt eine Demokratie gibt, dann allerhöchstens in Städten und Gemeinden mit weniger als 15.000 bis 20.000 Einwohnern, denn diese sind für das Kapital wohl eher uninteressant und man findet hier vereinzelt auch alternative Projekte des menschlichen Zusammenlebens, die sogar gut funktionieren. In allen Gebilden, die grösser sind, hat die Wirtschaft einen zu großen Einfluss und man kann nicht wirklich von Demokratie reden.
Wer sich näher über das Thema „Neoliberalismus“ informieren und die Materie auch
verstehen möchte, dem empfehle ich den Youtube Kanal „Willkommen im Neoliberalismus“
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Quellenangaben:
Bild: Milton Friedman, aus Wikipedia, Lizenz: CC0 1.0 Universal (CC0 1.0), Public Domain Dedication: https://es.wikipedia.org/wiki/Milton_Friedman#/media/Archivo:Portrait_of_Milton_Friedman.jpg
1) Der Spiegel, 01. Februar 1999, Stille Flucht aus dem System, https://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-9583319.html
2) Chile’s Road to Freedom (“October 29, 2005. FTA with China. Chile closed a Free Trade Agreement with China, our second biggest trade partner after the USA. This is the first such agreement of China with a non-Asian country. Chile now has FTAs with countries representing 74.4% of the world GNP. As suggested in my Agenda 2010, presented two years ago, China was a priority and the next steps should be FTAs with Japan and India. “ http://josepinera.org/articles/articles_blog.htm mit einem Verweis dorthin: http://josepinera.org/RevChilena/chile_primermundo.htm
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