Rui Filipe Gutschmidt
Portugals Zellstoffindustrie – 600 Millionen Euro Umsatz auf Kosten der Natur
Nicht nur die extreme Verschmutzung des Rio Tejo zeigt die totale Missachtung der Natur seitens der Papier und Zellstoffindustrie – insbesondere der Celtejo – , auch der Eukalyptus, der eine billige Rohstoffquelle bietet, ist durch seine Rolle bei den verheerenden Waldbränden eine Katastrophe für Portugals Umwelt. Wie soll man damit umgehen?
Wirtschaftswachstum gegen Umweltschutz. Es ist doch immer die gleiche Diskussion. Was ist wichtiger? Arbeitsplätze (meist schlecht bezahlt und ohne Rechte) oder die Natur? Die Lobbyisten schreien natürlich lauthals und preisen die Wirtschaftsfaktor, den Beitrag für den Staatshaushalt und die Sozialversicherung und bisher fanden sie vor allem in den konservativen Bergregionen gehöhr. Die vielen Kleinbauern, die auf ihrem Stückchen Wald ein paar Bäume stehen haben, die ihnen ab und an die Rente etwas aufbessern ohne viel Arbeit zu machen.
Für diese Menschen ist die Natur von Gott gegeben um den Menschen nützlich zu sein. Ganz nach der „Heilgen Schrift“ – mach dir die Welt Untertan… So ist es nicht nur purer Egoismus, der diese Menschen dazu bringt, wider besseren Wissens, den Eukalyptus zu pflanzen, sondern auch eine fehlgeleitete Erziehung. Doch wenn es keinen Markt für Eukalyptus gäbe, dann würde auch niemand den schnell wachsenden und noch schneller brennenden Baum anpflanzen.
Und die Politik? Entweder sind die Verantwortlichen in Portugal dumm oder sie sind korrupt. Harte Wortwahl? Was sonst so soll dazu sagen, wenn Portugals größter Fluss, an dessen Südufer die Hauptstadt Lissabon liegt, derartig verdreckt wird und die Beweise so erdrückend sind wie hier, aber NICHTS handfestes unternommen wird? Im Gegenteil, 2016 wurde die Lizenzmenge für Abwasser der Celtejo noch verdreifacht… Lizenzmenge für Abwasser! Das ein Unternehmen überhaupt ihr Dreckwasser in den Fluss leiten darf – und sei es nur einen Tropfen – ist ja eigentlich schon unfassbar. Darüber hinaus aber solche Unmengen in den Fluss zu pumpen, das ein Strom von der Größe des Tejo auf mehreren Kilometern abstirbt ist… extrem kriminell!
Der Bloco Esquerda (BE), Portugals linksliberale Progressisten, fordern jetzt endlich Konsequenzen. Carlos Matias meinte dazu, dass „man herausfinden sollte, wer die miserable Idee hatte der Celtejo die Abwassermenge zu verdreifachen. Wenn es der Umweltminister war, muss es politische Konsequenzen geben. Wenn es der Präsident der »Portugiesischen Agentur für Umwelt« war, dann müsse dieser zurücktreten.“ Das dieser Präsident, Nuno Lacaster, meinte dass die Lizenz neu bewertet wurde, um die Abwassermenge zu senken. 2017 wäre dies laut Lacaster auch geschehen.
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Der Eukalyptus ist auch ein Brandbeschleuniger
Die Zellstoffindustrie ist Hauptabnehmer des Eukalyptus, was die zweite Umweltsünde der Celtejo und ihresgleichen darstellt. Der in Australien heimische Baum ist bekannt für sein Duftöl, das aber auch ein extrem effizienter Brandbeschleuniger ist. Seine tiefen Wurzeln graben anderen Pflanzen das Wasser ab und nur die Mittelmeerkiefern bestehen problemlos neben dem Eukalyptus. Dessen Harz brennt auch wie Zunder. Des Koalas Lieblingsspeise – wenn auch die in Europa vorkommende Unterart nicht auf der Speisekarte der niedlichen Bärchen steht – ist eine sehr schnellwachsende Baumart und daher auch so beliebt bei den Papierproduzenten.
Doch wie kann man Gewinne erzielen, wenn die Wälder ständig abbrennen? Ist es nicht ein zu grosses Risiko, wenn einem die in 10 bis 15 Jahren herangezogenen Pflanzungen so leicht abbrennen können? Nein, nicht unbedingt! Das Feuer zerstört meistens nur die ölhaltigen äußeren Schichten der Rinde und verschont das innere des Stammes größtenteils. Hinzu kommt noch der Preis für angesengtes Holz, der oft nur 1/3 oder ¼ des Marktpreises beträgt. So macht die Celtejo den grössten Gewinn mit dem Holz von den Waldbränden und spart fleißig an Unkosten für die Reinigung des Abwassers, weil die Behörden in die andere Richtung schauen.
Doch Fischer, Restaurantbesitzer und Anwohner des Tejo allgemein zahlen die Zeche. Ihr Einkommen wird von ekeligen Schaum erstickt und kleine Bauernhöfe, Tourismusunternehmen, Herbergen und so weiter, sehen wie das Feuer alles auf seinem Weg verschlingt. So haben wir Gewinne, Arbeitsplätze und Staatseinnahmen der Zellstoffindustrie – insbesondere der Celtejo (wenn sie wollen, dann können sie mich ebenso verklagen wie den „Schützer des Tejo“, Arlindo Marques), gegenüber den Arbeitsplätzen, Gewinnen, Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der vielen Menschen und deren Familien, die auf eine intakte Umwelt angewiesen sind.
Es ist eine einfache Rechnung: Der Gewinn einiger Aktionäre, die mit dem Bau einer Kläranlage (seit langem in Planung) geringer ausfallen und mit der Verwendung anderer Rohstoffe (Hanf) aber nicht völlig wegfallen, steht gegen das Überleben vieler kleiner Selbstständiger und kleinen Unternehmern, die alles Verlieren, wenn nicht endlich hart gegen die Zerstörung der Umwelt vorgegangen wird. Die 600 Millionen Euro – Jahresumsatz, nicht Gewinn – die vom Sprecher der Zellstoffmafia – wie anders soll man es nennen – genannt werden, sind ein lächerlicher Betrag, wenn mit den Schäden an der Umwelt und den wirtschaftlichen Einbussen der Menschen verglichen, die MIT und nicht nur von der Natur leben.
Nur noch eines: Wie viel Geld ist ein Fluss wert, was kostet ein Wald und welcher Preis ist angemessen für jeden der 112 Toten der Waldbrände 2017 in Portugal? Meiner Meinung nach ist eine saubere Umwelt Preislos!
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Dieser Artikel erschien auch auf unserer Partnerseite INFO-WELT
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